Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Bundeswahlgesetz (Größe des Bundestages)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Abseits einer politischen Bewertung des Gesetzentwurfes muss sich unsere Arbeit hier im Bundestag daran messen lassen, ob sie zwei Kriterien erfüllt. Erstens: Sind die Gesetze verfassungskonform? Und zweitens: Lösen sie das Problem, vor dem wir stehen?
Für den Koalitionsgesetzentwurf zur Wahlrechtsreform lassen sich beide Fragen mit Nein beantworten,
(Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und das sehen nicht nur meine Fraktion und ich so. Das mussten Sie sich in der Anhörung am Montag von sechs der sieben Sachverständigen anhören. Selbst der Sachverständige der SPD fand kaum etwas Positives über den vorgelegten Gesetzentwurf anzumerken.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Peinlich!)
Die Kritikpunkte wogen hingegen schwer und waren zahlreich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wenn Sie sich schon ausgewiesene Experten mit Expertise einladen, dann machen Sie was daraus, und stimmen Sie diesem Unsinn hier nicht zu!
(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Völlige Einigkeit bestand bei allen Sachverständigen, dass Ihr Entwurf absolut sein Ziel verfehlt. Der Bundestag wird nach Ihrem Wahlrechtsreförmchen und mit der Zahlengrundlage aller aktuellen Umfragen noch deutlich weiter wachsen, auf über 800 Abgeordnete. In der Schule nennt man so etwas Themaverfehlung, und man bekommt – in Ihrem Fall völlig zu Recht – die Note „ungenügend“.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es bestanden bis vor Kurzem die ungeschriebenen Gesetze, dass für das Wahlrecht breite Zustimmung gesucht wird und dass das Wahlrecht Sache des Parlaments ist. Mit beiden Grundsätzen haben Sie gebrochen, als Sie die Eckpunkte des Wahlrechtsreförmchens in der Klüngelrunde Koalitionsausschuss festgelegt haben. Dem gehören mehrere Personen an, die nicht im Bundestag sitzen. Die waren es sogar, die die Einigung verkünden durften. Über Inhalte wollten Sie dann mit uns nicht einmal mehr reden. Das ist einfach nur arrogant.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Sachverständigen in der Anhörung am Montag unterschieden sich insbesondere darin, an wie vielen Stellen sie Ihren Gesetzentwurf für verfassungswidrig hielten. Manche stellten auf das vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit bereits eindeutig abgeurteilte negative Stimmgewicht ab, das durch Ihren Vorschlag nun wieder auftreten könnte. Andere griffen die drei nicht ausgeglichenen Überhangmandate auf, die sich nur mit einer enormen Verkürzung der vergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen ließen. Kaum ein Sachverständiger hielt so eine Auslegung für juristisch vertretbar. Wieder andere betonten, dass das Gesetz handwerklich so schlecht gemacht sei, dass es dem Grundsatz der Normenbestimmtheit nicht genügen würde. Dass Sie formal wie inhaltlich so mit dem Wahlrecht umgehen, das unmittelbar unser demokratisches Zusammenleben regelt, ist absolut unter jeder Würde.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Mal völlig unabhängig von der verfassungsrechtlichen Bewertung: Selbst der Sachverständige der Union sieht die Stimmgewichtsgleichheit durch Ihren Vorschlag verletzt. Wir können es nicht hinnehmen, dass durch Ihren Vorschlag hinsichtlich der Bundestagsgröße Stimmen in bestimmten Bundesländern mehr wert sind, weil sie nicht mit anderen Bundesländern verrechnet werden. Genauso wenig ist es hinnehmbar, dass große Parteien gegenüber kleinen Parteien bevorzugt werden. So funktioniert Demokratie nicht. Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen, da er große Teile der Wählerinnen und Wähler aufgrund ihres Wohnortes benachteiligt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Britta Haßelmann das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475830 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswahlgesetz (Größe des Bundestages) |