Carl-Julius CronenbergFDP - Revision der Europäischen Sozialcharta
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Freien Demokraten begrüßen, dass Deutschland die Revision der Europäischen Sozialcharta im Jahr 2007 unterschrieben hat und nun endlich, nach vielen Jahren, auch ratifizieren will. Die, sagen wir mal, Verzögerung führe ich wohlwollend darauf zurück, dass die Regierungskoalition rücksichtsvoll so lange mit der Ratifizierung gewartet hat, bis die Freien Demokraten hier im Deutschen Bundestag aktiv daran mitwirken können. Dafür vielen Dank!
(Beifall bei der FDP – Peter Aumer [CDU/CSU]: Seit 24 Jahren!)
Zu den Anträgen der AfD. Die AfD will nicht nur die Ratifizierung verhindern, sie will die Sozialcharta gleich ganz kündigen. Was das soll, erschließt sich nicht. Es gibt doch gar keinen rechtlichen Anpassungsbedarf. Unter dem Deckmantel der nationalen Souveränität wird versucht, Deutschland aus dem Multilateralismus herauszulösen. Ich will Ihnen mal etwas sagen: Wer Deutschland mit Abschottung in die Isolation treibt, der erntet nicht mehr Souveränität, sondern weniger.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wohl und Wehe von Wirtschaft und Beschäftigung hängen vom Außenhandel ab. Mehr Abschottung heute bedeutet weniger Exporte morgen. So etwas kann nur eine Fraktion wollen, die auch will, dass es Deutschland schlecht geht, wie Ihr Ex-Pressesprecher neulich noch hat verlautbaren lassen.
Zu den Anträgen der Fraktion Die Linke. Sie wollen die Sozialcharta nicht aufkündigen, sondern im Gegenteil alle Vorbehalte und Auslegungen streichen, die Sozialcharta sozusagen als Hintertür, um Ihre nicht mehrheitsfähigen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Das ist ebenfalls falsch.
(Beifall bei der FDP)
Es ist falsch, weil es dem bewährten Prinzip der Subsidiarität widerspricht; Kollege Aumer hat ausführlich dazu ausgeführt. So schützt zum Beispiel die Auslegung zu Artikel 4 Absatz 1 die Tarifautonomie, eine tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft. Vergessen Sie nicht: Subsidiarität und Solidarität sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer Subsidiarität missachtet, der setzt Solidarität aufs Spiel. Das gilt in der Sozialpartnerschaft, im Föderalismus, in der EU und auch eben im Völkerrecht.
(Beifall bei der FDP)
Die Vorbehalte und Auslegungserklärungen der Bundesregierung, liebe Dagmar Schmidt, sind richtig und wichtig. Auch deshalb werden wir dem Gesetz zustimmen. Nur stellt uns die Coronakrise vor ganz andere soziale und wirtschaftliche Herausforderungen. Die Sozialcharta zu ratifizieren, ist richtig, hilft aber hier nicht. Es ist jetzt die Zeit für mutige Reformen. Nur dann gehen wir gestärkt aus der Pandemie hervor.
Für mehr Resilienz in der Krise und mehr Wachstum nach der Krise brauchen wir solide Finanzen, fairen Umgang mit Selbstständigen, weniger Bürokratie, bessere Infrastrukturen und attraktive Anreize für Investitionen. Die Vorschläge der FDP liegen auf dem Tisch. Das darf nicht wieder 13 Jahre dauern. Es ist Zeit, zu handeln.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Carl-Julius Cronenberg. – Der nächste Redner: für die Fraktion Die Linke Andrej Hunko.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475857 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Revision der Europäischen Sozialcharta |