Marianne SchiederSPD - Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskriegs
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute einen echten Meilenstein für die Erinnerungskultur in unserem Land. Mit der Realisierung einer Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte, die sich mit der Geschichte und der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft auseinandersetzt, schließt der Deutsche Bundestag endlich eine große Lücke in der deutschen Erinnerungskultur.
(Beifall bei der SPD)
Es gibt keinen Zweifel daran, dass insbesondere die Ausmaße der Verbrechen der Nationalsozialisten im Osten und Südosten Europas viel zu wenig im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert sind und wir damit den Millionen Opfern in keiner Weise gerecht wurden und werden. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet, diese Lücke zu schließen. Darin heißt es:
Bisher weniger beachtete Opfergruppen des Nationalsozialismus wollen wir anerkennen und ihre Geschichte aufarbeiten. Wir stärken in der Hauptstadt das Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskrieges … im Dialog mit den osteuropäischen Nachbarn.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit dem vorliegenden Antrag setzen wir genau das um, und ich meine, wir setzen es sehr gut um.
(Beifall bei der SPD)
Mit der geplanten Einrichtung vermitteln wir die historischen Zusammenhänge, klären auf über das geschehene Leid, geben den Nachkommen der Opfer Raum für Gedenken und Erinnerung und tragen der besonderen Betroffenheit der einzelnen Opfernationen in angemessener Weise Rechnung. Unter Einbeziehung der Expertise der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas wird eine Arbeitsgruppe aus fachlich ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Realisierungsvorschlag erarbeiten, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Gedenkstättenkonzepts des Bundes und der Arbeit der Gedenkstätten, Dokumentationszentren und Geschichtsmuseen in Deutschland.
Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dieser Satz stammt von meinem guten Freund, dem Holocaustüberlebenden Max Mannheimer, der vor vier Jahren verstorben ist. Dieser Satz, den ich schon oft zitiert habe, bringt auf den Punkt, worum es geht: Die Gräueltaten, die von Nazideutschland ausgegangen sind, die Leid, Elend und Tod in unvorstellbarem Ausmaß über die Welt gebracht haben, dürfen niemals vergessen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Es ist unsere Verantwortung, dass solche Taten niemals wieder geschehen. Wie man hier von „Erinnerungswahn“ sprechen kann, erschließt sich mir nicht
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und spricht für die absolut inakzeptable Haltung der AfD zu dieser großen Thematik.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Tatsache, dass Millionen von Menschen, von Polen bis Russland, in Belarus, in der Ukraine, vom Baltikum bis nach Griechenland und an vielen anderen Orten, systematisch gequält, deportiert, getötet und ermordet wurden, muss uns Deutschen immer in mahnender Erinnerung bleiben. Ihnen allen wurde unermessliches Leid angetan. Jedes Leid erfüllt uns mit Scham.
Wir geben jeder Nation den notwendigen Platz in dieser neuen Einrichtung, ermöglichen es aber auch, die einzelnen, oft national geprägten Aspekte miteinander in Verbindung zu setzen und in einer europäischen Perspektive zu vermitteln. Wir schaffen mit der Einrichtung einen Ort des Dialogs und öffnen den Raum für eine transnationale Geschichtssicht. So wirken wir einer um sich greifenden populistischen Instrumentalisierung von Geschichte entgegen; ich hoffe es jedenfalls. Im Sommer dieses Jahres hat Professor Peter Loew vom Deutschen Polen-Institut zusammen mit dem Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker, einen sehr interessanten Vorschlag veröffentlicht, wie sie sich beide eine solche Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte vorstellen können. Die Ideen sind also schon da, Ideen, die – so hoffe ich von ganzem Herzen – auch die Befürworter des Polen-Antrags überzeugen können.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, hinter uns liegt ein mehr als zweijähriger Diskussionsprozess. In dieser Zeit gab es viele Gespräche mit engagierten Männern und Frauen, ebenso mit renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, in denen wir die Thematik einer gemeinsamen Erinnerungsstätte miteinander entwickeln und Anregungen austauschen konnten. Bei ihnen allen möchte ich mich heute herzlich bedanken. Ebenso gilt mein Dank den Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern der Union, allen voran Elisabeth Motschmann und Gitta Connemann. Ich danke aber auch den Kolleginnen und Kollegen in der Kultur-AG meiner Fraktion sowie den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, zunächst Eva Högl und Gabriela Heinrich und jetzt auch Dirk Wiese.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gemeinsame Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte ist ein Meilenstein. Diesen setzen wir aber nicht nur für uns. Wir sind es den Opfern schuldig. Wir verneigen uns damit vor den Völkern und Nationen, denen wir solch ein Leid angetan haben. Ich bitte Sie deshalb eindringlich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir würden gerne den Antrag mittragen! Wir wollten sogar auf ihn draufgehen!)
Thomas Hacker, FDP, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7476118 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 184 |
Tagesordnungspunkt | Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskriegs |