09.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 184 / Tagesordnungspunkt 30

Cornelia MöhringDIE LINKE - Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Beginn dieser Wahlperiode beklagen wir den gesunkenen Anteil von Frauen im Bundestag – jedenfalls der klügere Teil des Hauses tut das.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn weniger als ein Drittel der Abgeordneten ist weiblich, und das ist ein nicht hinnehmbarer Tiefstand.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ingrid Pahlmann [CDU/CSU])

Wir diskutieren nun schon lange in unterschiedlicher Intensität, wie der Frauenanteil im Bundestag erhöht werden kann; so auch in der eben von der Kollegin Bauer erwähnten interfraktionellen Arbeitsgruppe. Ein Vorschlag dieser Gruppe war, in einer offiziellen Kommission des Bundestages fachlich fundiert Wege zur Parität zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen. Ehrlicherweise muss man an dieser Stelle einschieben, dass die FDP diese Idee einer Kommission noch nie wirklich gut fand und eigentlich immer noch erforschen will, was Frauen daran hindert, zu kandidieren; das hat aber eigentlich ihr letzter Parteitag, ehrlich gesagt, ziemlich gut vorgeführt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gescheitert ist ein gemeinsames Agieren letztlich an den Regierungsfraktionen. Für die Union war so eine mit Sachverständigen und Abgeordneten besetzte Kommission nicht drin; was bei einem Männeranteil von 79 Prozent vielleicht auch nicht so das große Wunder ist.

(Yvonne Magwas [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Die SPD bekam ihr übliches „Dann platzt uns die GroKo“-Gebibber und änderte flugs Argumentation und Vorgehen.

(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Weil die FDP immer wegläuft!)

Fortan hieß es, dass eine solche Kommission eine Verzögerung bedeutet und die Parität im Wahlrecht entschieden wird.

Wer nun aber Konkretes oder ein engagiertes Ringen erwartet hat, damit Parität auch wirklich ins Wahlrecht aufgenommen wird, weiß spätestens seit gestern: Pustekuchen! Denn mit der gestern verabschiedeten Reform des Wahlrechts hat die Große Koalition das Thema Parität erst mal für Jahre verschoben. Es soll nun doch eine Kommission geben, eine Reformkommission, deren Arbeit bis zum 30. Juni 2023 abgeschlossen sein soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das nenne ich eine Verzögerung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aufgabenbeschreibung der Kommission ist zudem sehr umfangreich: Sie soll sich mit dem Wahlrecht ab 16 befassen, der Dauer der Legislaturperiode, Vorschläge zur Modernisierung der Parlamentsarbeit entwickeln und dann irgendwann auch noch – Zitat – „Maßnahmen empfehlen, um eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Deutschen Bundestag zu erreichen“.

Übersetzt heißt das Ganze mit Blick auf Parität: Konflikt in der Regierung, peinliches Thema für die SPD, weil sie sich mal wieder nicht durchsetzen kann; das Thema wird auf die lange Bank geschoben und in einer Arbeitsgruppe als eines von vielen anderen Themen versenkt. Aber Parität nebenbei abzufrühstücken, das ist der Bedeutung wirklich nicht angemessen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sollten tatsächlich essenzielle Ergebnisse herauskommen, sind diese jedenfalls erst auf das Ende der nächsten Legislaturperiode geschoben. Für Teile der Koalition ist das lästige Thema Parität damit auch erst einmal aufgeschoben und stört aktuell nicht mehr. Dabei könnten wir noch in dieser Wahlperiode ganz konkrete Vorschläge für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Bundestag erarbeiten, wenn Sie heute dem Gruppenantrag von linken und grünen Abgeordneten zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen eine zügige Einsetzung und Ergebnisse noch in dieser Wahlperiode, damit sich in der nächsten auch wirklich was bewegt und wir nicht wieder bei null anfangen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne verbindliches politisches Bekenntnis, ohne einen verbindlichen Mechanismus werden wir den Frauenanteil im Bundestag nicht erhöhen; das wissen wir doch wirklich alle. Auf freiwilliger Basis funktioniert das in der Politik genauso wenig wie in Führungsetagen. Und natürlich: Quoten reichen nicht aus, aber die Quote bei Listenaufstellungen

(Beatrix von Storch [AfD]: Die ist verfassungswidrig! Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! – Gegenruf von der LINKEN: Selber verfassungswidrig!)

zwingt Parteien dazu, in ihrer politischen Arbeit Frauen aktiv zu unterstützen und ihre Parteikultur darauf auszurichten, dass Frauen an politischen Prozessen teilhaben können und wollen.

(Zuruf von der AfD: Können sie doch!)

Ja, eine Verpflichtung der Parteien, bei den Kandidatenaufstellungen zu quotieren, ist rechtlich sehr herausfordernd, sie ist aber möglich,

(Lachen bei der AfD)

und sie ist zwingend, wenn wir die Staatszielbestimmung der Gleichstellung von Frauen und Männern ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt bereits einige gute Vorschläge, wie ein Paritätsgesetz aussehen könnte. Ich finde, wir sollten jetzt wirklich anfangen, sie inhaltlich zu diskutieren, nicht im Schlagabtausch, sondern indem wir gemeinsam ernsthaft daran arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb mein Appell: Lassen wir das Thema nicht in der Versenkung verschwinden. Stimmen Sie heute unserem Antrag zu. Dann können wir mit der Arbeit loslegen und haben bereits in sechs Monaten Ergebnisse. Es ist Zeit für Parität.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Möhring. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulle Schauws, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7476724
Wahlperiode 19
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag
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