09.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 184 / Zusatzpunkt 13

Axel SchäferSPD - Aktuelle Stunde zur Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurt Schumacher hat mal gesagt: „Demokratie ist eine Frage des guten Gedächtnisses.“ Ich erlaube mir, meinem Vorredner ein bisschen auf die Sprünge zu helfen: Wir haben vor 50 Jahren eine Ratspräsidentschaft mit Bundeskanzler Willy Brandt gehabt, wir hatten 1978 die Ratspräsidentschaft mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, 1994 mit Bundeskanzler Helmut Kohl, 1999 mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und 2007 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Ende aller dieser fünf deutschen Ratspräsidentschaften war diese EU, diese Gemeinschaft sicherer, und der Frieden wurde gewahrt und die Zusammenarbeit gestärkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Das ist ein zentraler Punkt, weil am Anfang der Konflikt steht und am Ende der Kompromiss stehen muss. Wenn am Anfang der Konflikt steht und am Ende nicht der Kompromiss steht, ist – das ist wohl die Ideologie, die bei der AfD dahintersteht – die Alternative zum Kompromiss nämlich am Ende irgendwo der Krieg. Und Europa ist ein gemeinsames Friedensprojekt,

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

und die Fraktionen hier im Hause von FDP, CDU/CSU, Grünen, SPD plus Linkspartei verbindet eben der gemeinsame Wille zum Frieden. Das sollten wir gerade in so einer Ratspräsidentschaft deutlich machen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun ist die Frage, Kollege Graf Lambsdorff, wie man ganz konkret eine Ratspräsidentschaft gestaltet. Sie waren ja im Europäischen Parlament Mitglied, ich auch. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die Möglichkeit, dass die Kanzlerin einen Zwischenbericht im Ausschuss gibt, ist eine gute, weil der Unterschied zwischen einer Ausschussdebatte und unserer Aussprache hier im Hause ist: Man kann im Ausschuss einfach besser aufeinander eingehen, auf Rede und Gegenrede und alles, was dazugehört.

Auf der anderen Seite haben Sie mit einem Kritikpunkt recht: Das geschieht leider hinter verschlossenen Türen.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Ausschusssitzungen sind nichtöffentlich! – Gegenruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das sollte sich ändern!)

Deshalb appelliere ich hier als Sozialdemokrat vor allen Dingen an unseren geschätzten Koalitionspartner noch mal: Bitte unterstützten Sie die Initiative, dass wir ebenso wie im Europäischen Parlament auch im Deutschen Bundestag öffentliche Ausschusssitzungen machen! Dann kriegen wir ganz viele Dinge eben besser vermittelt, besser diskutiert und auch öffentlich wahrgenommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man muss auch dazusagen – –

(Zuruf des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])

– Ja, lieber Gunther Krichbaum, man kann auch die Geschäftsordnung ändern.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Wir haben gute Gründe!)

Warum soll denn das, was in vielen Parlamenten gut funktioniert, im Deutschen Bundestag nicht auch funktionieren? Probieren wir es doch mal aus!

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Haben wir im Europaausschuss gemacht!)

Ich mache Ihnen das Angebot: Wir machen das ein halbes Jahr und schauen, wie es dann läuft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Haben wir gemacht! Und das weißt du auch!)

Jetzt schauen wir mal auf die Problemlage, die vor uns steht: Wir werden, wie das schon 1999 bei Gerhard Schröder war, den mittelfristigen Finanzrahmen zusammenbinden müssen. Nur haben wir jetzt noch ein paar zusätzliche Probleme wie den Brexit zu bewältigen. Wir haben schon ein Recovery-Programm von außergewöhnlichem Umfang, von historisch einmaliger Dimension auf den Weg gebracht. Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klimafrage natürlich auch als zentrales Thema immer wieder aufnehmen müssen.

Nur: Ist alles, was die Bundesregierung vorhat, politisch sinnvoll? Die Fraktionen dieses Hauses, SPD und CDU/CSU, tragen diese Bundesregierung mit Vertrauen. Vertrauen heißt immer: auf bestimmten Erfahrungen basierend und mit Hoffnung verbunden; Hoffnung, dass Kompromisse erreicht werden. Es kann nicht sein, dass wir schon heute, am 9. Oktober, Dinge so diskutieren, die vielleicht erst im Dezember finalisiert werden können, weil nämlich Kompromisse zwischen den verbleibenden 27 EU-Staaten bzw. 27 plus 1 beim Brexit extrem schwierig sind. Sie müssen – leider, leider – in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen vorbereitet werden, auch wenn wir hinterher öffentliche Debatten, vor allen Dingen in den Parlamenten, brauchen. Aber sie müssen in Verhandlungen vorbereitet werden. Das ist gut, richtig und notwendig.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich Ihnen prophezeien: Wir werden am Jahresende als deutsche Bundesregierung, als Mehrheit im Bundestag sagen können: Jawohl, wir haben Europa wieder ein Stück vorangebracht. Wir haben es sicherer gemacht, auch der Zukunft zugewandt. – Auf dieser Grundlage gehe ich mit Optimismus an diese Aufgabe heran. Hoffnung heißt bekanntlich: immer ins Gelingen verliebt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es macht sich der Kollege Dr. Diether Dehm bereit. Er ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7476771
Wahlperiode 19
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
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