Martina Stamm-FibichSPD - Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer Kinder hat, kennt das Problem: In den Kitas und Schulen geht die Grippe- und Erkältungswelle um, und das Kind liegt zu Hause mit Halsweh, Husten und Fieber im Bett. Wir alle wissen auch, dass ein erkranktes Kind in einer solchen Situation seine Eltern braucht. Das kann für berufstätige Eltern wirklich zum Problem und zu einer Belastung werden.
Hinzu kommt aktuell, dass Corona – wie an vielen anderen Stellen auch – zu einer Verschärfung der Situation in vielen Familien geführt hat. Die betroffenen Eltern an dieser Stelle zu entlasten, ist für uns ein essenzieller Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
(Beifall bei der SPD)
Aus diesem Grund hat die Koalition im Krankenhauszukunftsgesetz die Ausweitung des Kinderkrankengeldanspruchs im SGB V für das Jahr 2020 beschlossen. Gesetzlich versicherte Eltern werden wegen der Coronakrise in diesem Jahr Anspruch auf 5 weitere Kinderkrankengeldtage haben; das ist eine Erhöhung auf insgesamt 15 Tage. Für Alleinerziehende, die bisher 20 Tage zur Verfügung hatten, sollen es 10 Tage mehr sein; sie haben nun Anspruch auf insgesamt 30 Tage Kinderkrankengeld.
Das bedeutet aber nicht, dass es mit der Ausweitung des Anspruchs in diesem Jahr für uns getan ist. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass wir eine Ausdehnung dieser Regelung auf das Jahr 2021 unbedingt in Erwägung ziehen sollten;
(Beifall bei der SPD)
denn die Situation wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach erst wieder entspannen, wenn ein Impfstoff gegen das Virus zur Verfügung steht.
Herr Kollege Krauß, bereits im Jahr 2018 hat der Petitionsausschuss einstimmig dafür gestimmt, die aktuelle Altersgrenze von 12 auf 14 Jahre anzuheben. Da waren auch Kollegen der Union dabei.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dieser Aufforderung ist das BMG bisher nicht nachgekommen. Ich fordere deshalb das BMG auf, noch einmal eingehend darüber nachzudenken, welche Altersgrenze hier tatsächlich Sinn macht. Denn mir leuchtet nicht ein, warum man einen 12-Jährigen mit Fieber, der daheim liegt, betreuen können soll, aber einen 13-Jährigen nicht. Übrigens ist es eine Forderung der Kinder- und Jugendärzte, dass bei einem Besuch ein Elternteil dabei ist.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Uns ist natürlich klar, dass die von uns beschlossenen Entlastungen aktuell ausschließlich denjenigen zugutekommen, die gesetzlich krankenversichert sind. Hier zeigen sich einmal mehr die Schwachpunkte unseres derzeitigen Systems. Deshalb stimme ich der Problembeschreibung in dem Gesetzentwurf der Linken, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch zu. Ja, es ist korrekt, dass die Regelungen zur Entgeltfortzahlung aus dem BGB vielfach keine Anwendung finden, weil der § 616 BGB in vielen Arbeits- und Tarifverträgen inzwischen ausgeschlossen ist. Das ist ein schwerwiegendes Problem; denn so wird die Betreuung der eigenen Kinder zu einer großen finanziellen Bürde für die Familien, die nicht gesetzlich versichert sind. Hier ist die Lebenswirklichkeit in den Familien zu verbessern. Es wäre in der Tat wichtig, wenn der Anspruch auf das Kinderkrankengeld universell, für alle Eltern, gelten würde.
Aber Ihr Lösungsvorschlag ist meiner Meinung nach aus gleich zwei Gründen nicht zielführend. Erstens packt der Vorschlag das Problem nicht bei der Wurzel.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind nicht radikal genug? Und das sagt die SPD?)
Anstatt mit Flickwerk die bestehenden getrennten Systeme weiter zu zementieren, brauchen wir ein einheitliches und solidarisches Krankenversicherungssystem,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Entschuldigung, Frau Kollegin, das fordern wir schon länger als ihr!)
das alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig vom Versicherungsstatus absichert.
(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hallo! Das fordern wir länger als ihr!)
Da hilft es auch nichts, wenn in einem ersten Schritt die Arbeitgeberseite für alle in die Pflicht genommen wird.
Darüber hinaus sind wir mit der Entfristung des Anspruchs auf das Kinderkrankengeld gegenüber der GKV absolut nicht einverstanden. Das SGB V ist nicht der richtige Ort, um Familien von langfristig erkrankten Kindern zu entlasten. Es ist nicht Aufgabe der GKV, die Langzeitpflege von erkrankten Kindern durch die eigenen Eltern zu finanzieren. Ich möchte noch hinzufügen, dass es zudem bereits heute Ausnahmen von der Begrenzung der Leistungspflicht gibt, zum Beispiel wenn ein Kind einen zunehmend schweren Verlauf bei einer Erkrankung zu erleiden hat oder palliativmedizinisch behandelt wird. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sind dafür, dass Eltern entlastet werden und Unterstützung bekommen. Nur sehen wir das nicht als Unterstützung durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Ich fasse hier noch mal zusammen. Die Koalition hat schnell gehandelt, um die zusätzlichen Belastungen für Familien abzufedern. Wir als SPD sind dennoch der Meinung, dass wir die Ausweitung des Anspruchs auf 2021 vornehmen müssen und zumindest über die Anhebung der Altersgrenze auf 14 Jahre nachdenken sollten. Ja, es existiert eine Anspruchslücke für privat versicherte Bürgerinnen und Bürger. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt aber für uns aus den genannten Gründen keine zufriedenstellende Lösung dar.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Grigorios Aggelidis.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480315 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarkeit von Familie und Beruf |