29.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 186 / Zusatzpunkt 3

Malu Dreyer - Regierungserklärung - Bewältigung der COVID-19-Pandemie

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Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Dass mir die SPD-Bundestagsfraktion ein bisschen von ihrer Redezeit abgibt, das werte ich auch als Zeichen dafür, dass wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen davon überzeugt sind, dass die Bewältigung dieser Pandemie nur gemeinsam von Bund und Ländern zu schaffen ist, dass es in einer Situation wie jetzt nicht sein kann, dass wir uns auseinanderdividieren, sondern dass wir in dieser Pandemie mit ganzer Macht und ganzer gemeinsamer Kraft wirklich auch der Verantwortung gerecht werden, die wir innehaben. Deshalb freue ich mich darüber, dass ich hier aus Sicht der Länder etwas zur Debatte beitragen kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Föderalismus wird hier im Deutschen Bundestag, glaube ich, ab und zu auch mal kritisch debattiert. Aber ich will mit Blick auf die Pandemie sagen, dass er die Handlungssicherheit in der Fläche und vor Ort garantiert. Wir stehen täglich mit den Gesundheitsämtern, mit unseren Kommunen, mit unseren Krankenhäusern im Kontakt. Wir machen die Pläne gemeinsam. Wir helfen uns untereinander. Wir verstärken unsere Gesundheitsämter – und wir wissen auch ganz genau, was in den Krankenhäusern und in der jeweiligen Situation los ist.

Deshalb, meine sehr verehrten Herren und Damen, will ich Ihnen sagen: Niemand von uns ist blind in diesen Herbst gegangen. Auch wir wissen aus Lebenserfahrung, dass es im Herbst dunkler und kühler wird. Das ist für uns keine größere Überraschung.

(Zuruf von der AfD)

Wir haben sehr klar beispielsweise mit Warn- und Aktionsplänen dafür gesorgt, dass Ampelsysteme – ich glaube, sogar fast in jedem Bundesland – installiert sind. Selbstverständlich hat die Pandemie einen bestimmten Verlauf, nämlich den, dass am Anfang vielleicht nur ein Landkreis bei uns rot war und inzwischen fast alle Landkreise rot sind. Das geschieht nicht, weil die Menschen vor Ort es nicht richtig handhaben. Nein, sie sind jedem Fall nachgegangen. Aber wir haben im Moment schlicht und ergreifend zu viele Fälle überall in Deutschland. Sie sind nicht über jedes Bundesland gleichmäßig verteilt; aber in Gänze sind es schlicht und ergreifend viel zu viele Fälle, sodass wir im exponentiellen Wachstum sind, die Gesundheitsämter nicht mehr nachkommen und sich auch unsere Krankenhäuser Stück für Stück wieder weiter füllen.

Sehr verehrte Herren und Damen Abgeordnete, als Ministerpräsidentin bin ich nicht bereit, hinzunehmen, dass in unseren Krankenhäusern wieder mehr ältere Menschen sind, wieder mehr Menschen sterben. Ich finde es geradezu zynisch, den Vergleich mit den Verkehrstoten heranzuziehen. Das geht nicht, meine sehr verehrten Herren und Damen!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen gemeinsam handeln. Wir brauchen eine große Kraftanstrengung, um zu verhindern, dass es zu einer nationalen Gesundheitsnotlage kommt.

Natürlich wissen wir alle, dass diese Maßnahmen hart sind. Ich sage es sehr, sehr deutlich: Ich hätte mir gewünscht, dass die Strategie, die wir gefahren haben, am Ende aufgegangen und es nicht mehr zu einem exponentiellen Wachstum gekommen wäre. Deshalb ist die Entscheidung gestern für alle Beteiligten schwer gewesen. Natürlich kann man auch kritisieren, dass wir teilweise gar keine ausreichende Zeit hatten, alles umfassend auch in den Kabinetten zu diskutieren, umfassend miteinander zu erörtern. Dennoch sage ich: Das ist ein klares Signal an die Bevölkerung, aber auch an den Deutschen Bundestag. Alle Bundesländer und auch der Bund haben deutlich gemacht, dass wir Verantwortung übernehmen und dass wir bereit sind, diejenigen, die jetzt wieder unter diesen Maßnahmen leiden, zu unterstützen, und dass der Bund dazu bereit ist, deren Ausfälle vollständig zu kompensieren. Ich finde, das ist ein sehr gutes Angebot!

Es wird natürlich nur ein schwacher Trost sein, – da gebe ich Ihnen ja recht –, weil die Menschen arbeiten wollen, weil sie Auftrittsmöglichkeiten haben wollen, weil die Menschen Kultur erleben wollen. Aber wir müssen die Kontakte reduzieren, das ist nun einfach einmal so. Deshalb sagen wir den Menschen, die betroffen sind, dass wir mit der Kraft des Bundes dafür sorgen, dass sie in ihrer Existenz nicht gefährdet sind; denn natürlich gehen wir davon aus, dass wir die Pandemie gut überstehen werden und wir dann auch wieder Kultur genießen wollen, wieder Leben in unseren Innenstädten haben wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, meiner Landesregierung war es ganz wichtig, dass es ganz konkrete Hilfen gibt für unsere Wirtschaft, aber auch für die Soloselbstständigen, für die, die betroffen sind, mittelbar und unmittelbar, dass wir schnell und unbürokratische Hilfe geben. Das hat die Bundesregierung zugesagt. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken bei der Bundeskanzlerin, dem Vizekanzler und natürlich dem Wirtschaftsminister.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Ich gehe auch davon aus, dass alle Wort halten und dass wir diese Hilfen auch unmittelbar zur Verfügung haben. Die Menschen werden sehen: Ja, wir verlangen einem bestimmten Teil der Bevölkerung große Opfer ab, aber die Betroffenen werden dann auch entsprechend entschädigt, damit sie eben nicht alleine dastehen in dieser schwierigen Situation, in der wir jetzt sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich will an dieser Stelle auch noch sagen: Natürlich achten wir auch auf die sozialen Folgen. Ich möchte nicht, dass nur die Partei der Linken das hier anspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist für uns vollkommen klar, dass wir darauf achten. Wenn man sich die Pakete der Vergangenheit anschaut, die Nachtragshaushalte, dann stellt man fest, dass wir viele Instrumente geschaffen haben, um Kinder, um Familien, um Menschen mit niedrigeren Einkommen zu stützen und zu unterstützen. Und wir werden auch weiterhin im Verlauf dieser Pandemie darauf achten, dass der soziale Aspekt nicht vergessen wird, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich handeln wir – das möchte ich noch ansprechen – auf einer rechtsstaatlichen Grundlage.

(Zuruf von der AfD: Ha, ha!)

Das möchte ich hier ausdrücklich betonen. Der Bund hat im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung abschließend von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht. Wir als Länder erfüllen die Aufgabe, die uns das Infektionsschutzgesetz des Bundes überträgt.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist das!)

Wir tun das auch mit guten Begründungen unserer Rechtsverordnungen. Wir tun das mit Abwägungen. Wir tun das mit dem Wissen, dass wir eine große Verpflichtung haben, weil diese Eingriffe Grundrechtseingriffe darstellen. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir in den Parlamenten debattieren. Es gibt Sondersitzungen. Regelmäßig reden wir in den Länderparlamenten über dieses Thema.

Klar ist aber natürlich auch, dass wir die gesetzlichen Grundlagen für die Eingriffe in Grundrechte immer wieder kritisch überprüfen müssen. Ich begrüße es ganz ausdrücklich, dass die SPD-Fraktion das Infektionsschutzgesetz des Bundes anpassen will, um der Dauer und der Eingriffstiefe der Maßnahmen Rechnung zu tragen. Darum geht es nämlich.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht so, dass wir keine ausreichende Rechtsgrundlage hätten, sondern man muss berücksichtigen, dass die Pandemie einfach länger dauert, als jeder von uns erwartet hätte, und damit die Eingriffe eben auch intensiver sind, als das ursprünglich für uns vorstellbar war.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Ich habe gehört, und das freut mich, wenn ich das so sagen darf, dass die Redner vieler Fraktionen genau in diese Richtung gesprochen haben. Wir würden uns darüber freuen, wenn Sie zu diesem Ergebnis kommen.

Ein letzter Satz. Nicht die Gesetze allein schützen die Menschen. Der entscheidende Schlüssel für den Erfolg bleibt das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen. Deutschland hat schon so oft gezeigt, dass wir, wenn wir zusammenhalten und zusammenstehen – Bund, Länder, Regierungen und Parlamente, aber auch Bürger und Bürgerinnen –, viel erreichen und schwere Krisen miteinander durchstehen können. Deshalb bedanke auch ich mich ausdrücklich bei den Bürgern und Bürgerinnen, die zum allergrößten Teil Verantwortung übernehmen und bei diesen Maßnahmen mitgehen. Auch wenn es schwer ist: Wir brauchen diese Solidarität auch in der Zukunft. Wir brauchen diese Solidarität aber auch von denjenigen, die sich bis jetzt verweigern. Diese Gesellschaft wird nur dann erfolgreich sein, wenn alle an einem Strang ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht nicht, dass man sagt: Ist mir doch egal, wenn ich infiziert werde. – Dieses Virus – das ist das Teuflische daran – breitet sich aus, egal ob mir persönlich das egal ist oder nicht. Deshalb brauchen wir die Solidarität von allen.

Vielen herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)

Sebastian Münzenmaier, AfD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480384
Wahlperiode 19
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung - Bewältigung der COVID-19-Pandemie
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