29.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 186 / Zusatzpunkt 4

Sabine DittmarSPD - Infektionsschutzmaßnahmen - Parlamentsbeteiligung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch heute haben die Coronainfektionszahlen mit fast 17 000 Neuinfektionen wieder einen Höchstwert erreicht. Die Pandemie stellt uns vor enorme Herausforderungen im privaten, im beruflichen und im öffentlichen Bereich. Die Vereinbarungen, auf die sich Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidentinnen und ‑präsidenten gestern verständigt haben, machen deutlich, wie ernst die Situation ist: Das Infektionsgeschehen ist so diffus, dass derzeit bei 75 Prozent der Infizierten der Ausgangspunkt nicht mehr zugeordnet werden kann, und das ist verheerend.

Glauben Sie mir: Uns allen wäre wohler, wenn die gestern vereinbarten harten Einschnitte nicht vollzogen werden müssten. Sie sind aber notwendig, und sie sind jetzt notwendig; denn sie sind unsere Chance, die Dynamik aus dem Infektionsgeschehen herauszunehmen und unser Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin Ihren Ministerkollegen der FDP in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, auch dankbar, dass sie das verstanden haben.

Leider werden in der aktuellen Diskussion und auch in dem vorliegenden Antrag der FDP die verschiedenen Verantwortungsebenen, die wir im Infektionsschutz haben, fortlaufend miteinander vermischt. Sie versuchen, schon mit Ihrem Antragstitel den Anschein zu erwecken, als gäbe es keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Infektionsschutzmaßnahmen der Länder.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Dann haben Sie den Titel aber wohl nicht gelesen!)

Fakt ist aber, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Infektionsschutz vorsieht, dass die notwendigen Schutzmaßnahmen von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung angeordnet werden. Diese Ermächtigungsgrundlage umfasst zwangsläufig auch Eingriffe in Grundrechte. Diese Ermächtigungsgrundlage mag jetzt im Lichte der Pandemie defizitär erscheinen und überarbeitungsbedürftig sein; es gibt sie aber, und sie ist derzeitige Gesetzeslage.

Richtig ist auch, dass die Coronapandemie die erste große Herausforderung für das Infektionsschutzgesetz ist. Natürlich ergeben sich hier fortlaufend neue Erkenntnisse, die letztendlich den Reformbedarf des Gesetzes aufzeigen. Deshalb ist es richtig und notwendig, die Diskussion über eine Reform des Infektionsschutzgesetzes zu führen. Das ist aber nicht gleichzeitig mit einer angeblich fehlenden demokratischen Legitimation der bislang getroffenen Entscheidungen verbunden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auf eine Reform haben wir uns im Übrigen alle bereits im Zuge des ersten Bevölkerungsschutzgesetzes im März verständigt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierfür zwischenzeitlich konkrete Vorschläge erarbeitet. Rolf Mützenich hat heute Morgen dargestellt, wo wir konkreten Reformbedarf sehen. Notwendig sind unter anderem ein differenzierter Kriterienkatalog für grundrechtseinschränkende Schutzmaßnahmen, eine Begründungspflicht, eine Befristung und eine Parlamentsbeteiligung bei Rechtsverordnungen. Kolleginnen und Kollegen, wir sind bereit, gemeinsam mit Ihnen daran zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wunderbar!)

Wichtig ist mir aber, dass die Diskussion mit großer Sorgfalt und ohne Polemik geführt wird. Es wäre nicht nur falsch, sondern auch fatal, den Eindruck zu erwecken, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen wesentliche Dinge versäumt oder leichtfertig gehandelt hätten.

(Beifall der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Das Gegenteil ist der Fall: Um jede Entscheidung wird hart gerungen. Anzuerkennen ist, dass wir mit den Maßnahmenpaketen auf Bundes- und Länderebene vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind. Und das, Kolleginnen und Kollegen, soll auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist das Gebot der Stunde, die Infektionsdynamik zu unterbrechen, das Ausbruchsgeschehen unter Kontrolle zu bringen. Das ist ein Kraftakt und verlangt den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch vielen Branchen – von der Gastronomie bis zur Kulturszene – viel ab. Dennoch ist jede und jeder Einzelne von uns darauf angewiesen, private Kontakte zu reduzieren, Freizeitaktivitäten einzuschränken. Ja, das ist für uns alle schwer. Viele fragen sich, wann sie ihre Verwandten wieder unbeschwert besuchen können, wann sie wieder in gemütlicher Runde mit ihren Freunden zusammensitzen können, wann wir alle unseren Alltag zurückbekommen. Dennoch appelliere ich an Sie: Halten Sie sich konsequent an die Regeln. Lassen Sie uns gemeinsam und solidarisch zusammenhalten und Corona gemeinsam die Stirn bieten. – Dafür sage ich Ihnen allen jetzt schon ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480402
Wahlperiode 19
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Infektionsschutzmaßnahmen - Parlamentsbeteiligung
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