29.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 186 / Zusatzpunkt 4

Johannes FechnerSPD - Infektionsschutzmaßnahmen - Parlamentsbeteiligung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist ernst. Die Infektionszahlen steigen dramatisch. Es gibt immer mehr Menschen, die sich infizieren, und vor allem immer mehr Menschen, die Intensivpflege in unseren Krankenhäusern benötigen. Deswegen müssen wir uns alle klar sein: Es ist jetzt höchste Zeit, dass wir handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Debatte auch zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass die Belastungen für viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land jetzt größer werden: für die Pflegerinnen und Pfleger, für alle, die für uns ihren Dienst tun im Gesundheitswesen, in den Arztpraxen oder auch in den Landratsämtern. Deswegen an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön für den Dienst, den diese Bürgerinnen und Bürger für uns alle leisten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz wichtig ist, glaube ich, dass wir das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung für die Coronaschutzmaßnahmen erhalten, und dazu gehört es, dass wir rechtssichere Maßnahmen beschließen, die für die Bürger transparent und nachvollziehbar sind. Denn die ganz große Mehrheit der Bevölkerung ist – das zeigen die Umfragen – bereit, diese Maßnahmen zu ertragen und mitzumachen.

Aber wir merken jetzt immer mehr, dass aus der Rechtswissenschaft, aber auch durch immer mehr Gerichtsentscheidungen doch deutliche Hinweise kommen: Wenn wir jetzt diese Maßnahmen auf Dauer oder für einen längeren Zeitraum haben, nicht nur kurzfristig, dann müssen wir uns überlegen, ob tatsächlich die Rechtsgrundlagen ausreichen oder ob wir nicht das Infektionsschutzgesetz weiterentwickeln müssen. Der FDP-Antrag geht da in eine richtige Richtung. Er nimmt einiges auf, was die SPD schon seit mehreren Wochen fordert. Das spricht für Ihren Antrag.

Ich glaube, es sind vor allem drei Dinge, die hier ganz entscheidend sind. Wir müssen für die Rechtssicherheit das Infektionsschutzgesetz weiterentwickeln. Wir brauchen eine präzise Rechtsgrundlage, präzise Generalklauseln in § 28 und Standardmaßnahmen; die üblichen Maßnahmen müssen dort geregelt sein, mit klaren Kriterien, wann sie von den Ländern in den Rechtsverordnungen anwendbar sind. Das hat dann auch den positiven Effekt, dass es mehr Bundeseinheitlichkeit geben wird. Es wird ja oft der angebliche Flickenteppich kritisiert; nicht immer zu Recht. Aber wir sorgen für Bundeseinheitlichkeit, wenn wir diese Maßnahmen regeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, es war am Anfang richtig – dazu stehe ich auch –, dass wir im März, April der Exekutive so weitreichende Maßnahmen zugebilligt haben; da war die Lage einfach zu unklar. Aber jetzt hat sich gezeigt, dass der Bundestag handlungsfähig ist. Wir können auch kurzfristig zusammenkommen. Wir können immer die Entscheidungen treffen. Deswegen bin ich und ist auch meine Fraktion der Meinung, dass es dieser sehr weitreichenden Befugnisse der Exekutive nicht mehr bedarf und wir jetzt wirklich darangehen sollten, etwa eine Pflicht zur Begründung oder Befristungen für die Rechtsverordnungen einzuführen.

(Beifall bei der FDP – Konstantin Kuhle [FDP], an die SPD gewandt: Klatscht doch mal! Mensch!)

Ich habe mich sehr gefreut, dass der Bundesgesundheitsminister, dem ich von dieser Stelle aus alles Gute wünsche, auf der Zielgeraden nach intensiver Betreuung durch die SPD vieles im Entwurf für das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz gestrichen hat,

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

dass die Entfristungen draußen sind, dass der Anwendungsbereich deutlich reduziert wurde. Ich war überrascht und auch verärgert, dass von ihm das bisschen an Bundestagsbeteiligung, was er vorgesehen hat, auf der Zielgeraden dann noch rausgestrichen wurde. Das wird in den parlamentarischen Beratungen für uns auf jeden Fall noch Thema werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dann noch ein weiterer Satz. Der Bundestag und auch die Länderparlamente – ganz wichtig: auch die Länderparlamente – müssen über alle wesentlichen Entscheidungen beraten und diese dann auch treffen. Deswegen empfehle ich den Ländern dringend, bei der Umsetzung der Maßnahmen, die von der MPK beschlossen wurden, nicht auf den Weg der Rechtsverordnung, sondern auf Landesgesetze, die ordentlich in den Landtagen mit Anhörungen usw. beraten werden, zu setzen; das ist der dringende Appell von hier. Auch wir sollten entsprechend selbstbewusst sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass die Zeit drängt. Wir haben mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz eine gute Möglichkeit, schon in der nächsten Woche den grundlegenden Änderungsbedarf beim Infektionsschutzgesetz zu beraten. Ich finde, wir sollten den Ehrgeiz haben, diese grundlegenden Änderungen auch noch im November 2020 – dieses ehrgeizige Ziel sollten wir uns setzen – zu verabschieden.

Abschließend. Gerade weil es mir und weil es der SPD-Fraktion so wichtig ist, zu betonen, dass wir diese zugegeben harten und in Grundrechte eingreifenden Maßnahmen brauchen, wollen wir Rechtssicherheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Bürger.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480407
Wahlperiode 19
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Infektionsschutzmaßnahmen - Parlamentsbeteiligung
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