Wieland SchinnenburgFDP - Cannabiskonsum
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Union und von der SPD, kommen Sie aus dem Beton. Sehen Sie endlich mal ein, dass die Cannabispolitik in Deutschland gescheitert ist.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Seit Jahrzehnten ist der Besitz von Cannabis strafbar, und trotzdem haben wir Millionen von Konsumenten. Diese Konsumenten schicken Sie auf den Schwarzmarkt.
Und was passiert dann? Da passieren drei schlimme Dinge: Erstens. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte werden damit beschäftigt, über 100 000 Verfahren pro Jahr. Diese Ressourcen würde ich lieber ganz anders verwenden, zum Beispiel zur Verfolgung von Einbrechern. Da wären sie viel besser aufgehoben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich habe mehr Angst vor Einbrechern als davor, dass mein Nachbar kifft. Lassen Sie uns das ändern.
(Heiterkeit bei der FDP – Tino Sorge [CDU/CSU]: Wo wohnen Sie denn?)
Der zweite Punkt. Der Staat verzichtet auf mindestens 1 Milliarde Euro. Der Schwarzmarkt macht viel, nur eins macht er nicht: Steuern zahlen. Meine Damen und Herren, wenn wir den Schwarzmarkt zumindest reduzieren, haben wir auch als Staat mehr Einnahmen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Können Sie mal auf das Thema eingehen?)
Der dritte Punkt ist der wichtigste. Die Menschen, die Sie auf den Schwarzmarkt schicken, schicken Sie dorthin, wo es unkontrollierte Qualität gibt, bei der wir nicht wissen, wie viel THC da drin ist, nicht wissen, welche Beimengungen dabei sind. Ich verstehe es überhaupt nicht. Überall reden wir von Qualität. Nur hier schicken Sie die Menschen auf den Schwarzmarkt. Das passt nämlich überhaupt nicht zusammen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen keinen Nutri-Score für Cannabis; aber eine gesicherte Qualität wäre doch schon erforderlich. Das, was Sie machen, ist weder christlich noch sozial. Das muss geändert werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb haben wir als FDP Ihnen mit dem Antrag auf Modellprojekte eine goldene Brücke gebaut. Sie wissen vielleicht: Wir sind dafür, sofort kontrollierte Abgabe an Erwachsene durchzuführen. Aber um hier eine Chance zu eröffnen, haben wir gesagt: Lassen Sie uns Modellprojekte machen. – Wir sind bereit, unsere Auffassungen der wissenschaftlichen Überprüfung zu unterwerfen. Machen Sie das auch. Die SPD hat ja nun schon ein bisschen vom Baum der Erkenntnis gelutscht und im Februar beschlossen, sie wollen auch Modellprojekte. – Gute Vorlage, Herr Heidenblut. Stimmen Sie unserem Antrag zu; dann können Sie Ihren Fraktionsbeschluss direkt umsetzen. – Vorschlag von mir.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Es ist die letzte Chance für Sie und auch für die Union, noch halbwegs gesichtswahrend aus dieser Sackgasse herauszukommen, in der Sie stecken.
Nun zu der Frage der Ausweitung der Produktion. Ungefähr 3 Tonnen dürfen pro Jahr in Deutschland hergestellt werden – noch nicht, aber demnächst wird es kommen. Wir haben allein beim Medizinalcannabis ein Vielfaches davon. Deshalb fordern wir als FDP eine drastische Ausweitung der deutschen Produktion bis auf 100 Tonnen. Damit würden wir unseren Eigenbedarf decken und noch Überschüsse haben. Die würden wir gerne exportieren. „ Cannabis made in Germany“ könnte ein neues Markenzeichen deutscher Wirtschaft sein. Wir würden den Menschen auf der Welt helfen, und wir würden bei uns Arbeitsplätze schaffen. Das ist in der Coronakrise wichtiger denn je. Stimmen Sie unserem Antrag zu. „ Exportnation Deutschland für Cannabis“ ist eine gute Zukunftsperspektive.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, Cannabispolitik verlangt Herz, verlangt aber auch Verstand. Und deshalb können wir den Anträgen der Linken und der Grünen nicht zustimmen. Die Linken machen es sich sehr einfach. Sie wollen keine kontrollierte Abgabe, sondern schlicht eine Verringerung der Strafbarkeit. Wer freut sich darüber? Der Schwarzmarkt. Das wollen wir nicht.
Bei den Grünen ist es ein bisschen anders. Ihre Zielrichtung ist richtig; aber der Titel ist sehr ehrlich und verräterisch: Cannabiskontrollgesetz.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Rumgeeiere!)
Und prompt ist dieses Gesetz voller Regulierungen, die die ganze Sache behindern. Wir wollen nicht die ausufernden Berichtspflichten, die Sie einführen wollen. Sie schrecken die Menschen ab, mit Cannabis zu handeln oder Cannabis zu produzieren. Wir wollen es den Menschen einfach machen, Cannabis zu produzieren. Wir halten auch das Verbot gentechnischer Herstellung für falsch. Wieso kann man Cannabis nicht auch gentechnisch herstellen?
Kurz gesagt: Wir wollen kein Cannabiskontrollgesetz. Wir wollen ein Cannabisfreiheitsgesetz; dafür werden wir uns einsetzen, meine Damen und Herren. Wir brauchen Drogenpolitik mit Herz und mit Verstand. Die FDP wird sich dafür einsetzen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selbst nicht! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, weil Sie Cannabis auch gentechnisch herstellen wollen, stimmen Sie nicht zu! Das ist echt spannend! Die FDP ist jetzt für gentechnisch hergestelltes Cannabis!)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Niema Movassat, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480447 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Cannabiskonsum |