Johann WadephulCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Friedenslösung für Bergkarabach
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Hampel, im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Auffassung, dass wir dort durchaus Interessen haben; denn das ist ein weiterer Krieg in Europa – nach dem in der Ostukraine, der fortgeführt wird, und nach schweren zwischenstaatlichen Konflikten, die wir anderswo, etwa im östlichen Mittelmeer, haben. Deswegen ist es im deutschen und im europäischen Interesse, für eine Lösung zu werben und sich dafür einzusetzen.
Die Bundeskanzlerin hat mit beiden Staatsführern gesprochen; nur dass Sie das wissen. Auch Herr Bundesaußenminister hat mit seinen Kollegen in beiden Regierungen dort gesprochen. Darin können wir die Bundesregierung nur unterstützen. Wir fordern beide Seiten auf, zu einem bedingungslosen Waffenstillstand zurückzukehren, ihn endlich einzuhalten und das Töten auf beiden Seiten – insbesondere junge Menschen sterben – sofort zu beenden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Grundlage können aus unserer Sicht nur die sechs Madrider Basisprinzipien von 2007 sein, und die sind für uns – das möchte ich sagen, weil wir kritisch danach gefragt worden sind – gleichwertig. Ich möchte sie hier noch einmal nennen: erstens die Rückkehr der Bergkarabach umgebenden Gebiete unter aserbaidschanische Kontrolle, zweitens ein Interimstatus für Bergkarabach einschließlich Garantien für Sicherheit und Selbstbestimmung, drittens ein Verbindungskorridor zwischen Armenien und Bergkarabach, viertens die zukünftige Bestimmung des endgültigen Rechtsstatus von Bergkarabach durch eine rechtlich bindende Willensäußerung – Stichwort: Selbstbestimmungsrecht –, fünftens ein Rückkehrrecht für alle Binnenvertriebenen und Flüchtlinge zu ihren früheren Wohnorten und, sechstens, internationale Sicherheitsgarantien einschließlich einer Peacekeeping-Mission.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern Armenien und Aserbaidschan auf, darüber substanzielle Verhandlungen ohne jede Vorbedingung aufzunehmen. Ohne jede Vorbedingung heißt auch, sich nicht vorab auf eine Priorisierung bzw. eine zeitliche Abfolge der Umsetzung festzulegen. Sonst landen wir gleich wieder in der Sackgasse, in der wir die ganze Zeit gewesen sind, in die wir immer wieder hineingeraten sind. Das heißt, beide Staaten müssen jetzt zu substanziellen Verhandlungen bereit sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir begrüßen, dass Armenien zu einem Waffenstillstand bereit ist. Wir müssen auch feststellen, dass Armenien bedauerlicherweise viel Zeit verstreichen lassen hat, ohne in der Substanz zu echten Verhandlungen bereit gewesen zu sein. Präsident Paschinjan hat zunächst mehr Hoffnung auf eine Verhandlungslösung geweckt, auch bei uns, ist aber vielleicht auch in alte politische Abhängigkeiten geraten. Es ist zu hoffen, dass die politische Führung Armeniens angesichts der schwierigen Lage jetzt zu diesen Verhandlungen bereit ist.
Wir müssen an dieser Stelle auch Aserbaidschan, das die Aggression ganz unzweifelhaft begonnen hat – Präsident Alijew hat jetzt deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, das zu beenden –, eine ganz klare Botschaft senden – das hat der Bundesaußenminister gemacht; ich möchte das noch mal unterstreichen –:
(Beifall der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
Wir fordern von Aserbaidschan die sofortige Bereitschaft zu einem Waffenstillstand und die Rückkehr an den Verhandlungstisch.
(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])
Nur weil Aserbaidschan derzeit militärisch in einer besseren Lage ist, darf es das nicht ausnutzen. Es muss wissen: Es verliert jede Unterstützung der Europäischen Union, wenn Aserbaidschan jetzt nicht zu Verhandlungen bereit ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Stefan Keuter [AfD] und Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
Ich will deutlich sagen: Wir erwarten auch von der EU-Kommission mehr. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat angekündigt, sie wolle eine geostrategische Kommission führen. Wer eine geostrategische Kommission führen will und diesen Anspruch erhebt, der muss auch mindestens in Europa geostrategisch handeln. Deswegen erwarten wir von der EU-Kommission – der Herr Bundesaußenminister hat darauf hingewiesen –, dass es einen Beauftragten dafür gibt. Wir erwarten von der Kommissionspräsidentin und dem Außenbeauftragten, dass sie ihre Arbeit erledigen. Das ist Europa. Deswegen ist es an der EU-Außenpolitik, sich hier zu engagieren und nicht auf die Zuschauerbank verdrängt zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])
Letzten Endes muss man auch an die Türkei – der Herr Bundesaußenminister hat es angekündigt – eine ganz deutliche Botschaft richten. Wir sehen von dort eine massive militärische Unterstützung Aserbaidschans mit Kriegsmitteln. Es gibt auch Berichte über islamistische Kämpfer aus Syrien, die von der Türkei dorthin gesandt worden sind, die ich aber nicht verifizieren kann. Ich kann verstehen, wenn die Türkei freundschaftliche Beziehungen zu Aserbaidschan unterhält. Wir erwarten aber von unserem NATO-Partner Türkei, dass er diesen Konflikt löst, dass er zu einer friedlichen Beilegung beiträgt und nicht jeden Tag erneut Öl ins Feuer gießt. Auch die Türkei muss wissen: Unsere Geduld an dieser Stelle ist zu Ende.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die FDP hat als Nächstes das Wort der Kollege Bijan Djir-Sarai.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480467 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Friedenslösung für Bergkarabach |