Christian PetrySPD - Aktuelle Stunde - Friedenslösung für Bergkarabach
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bergkarabach – eine lange Geschichte von Leid, Vertreibung und Tod – hat seit September wieder einen neuen Höhepunkt, einen traurigen Höhepunkt. Dabei befindet sich, wie wir wissen, Bergkarabach in einer wahrlich schwierigen Region. Der gesamte Kaukasus – Abchasien, Südossetien, Tschetschenien, Bergkarabach – ist eine wirklich sehr komplizierte, schwierige Region, in der das Leid der Zivilbevölkerung oftmals aus politischen Gründen in Kauf genommen wird.
Ich finde es sehr gut, dass viele hier sofort reagiert haben: der Sicherheitsrat einstimmig, die OSZE-Minsk-Gruppe – es ist genannt worden – mit der Sondersitzung, die EU, der Europarat, die NATO. Alle haben einen sofortigen Waffenstillstand gefordert, alle haben die Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert. Dieses Signal ist deutlich und gut, muss allerdings auch durchsetzbar sein. Und da liegt, wie wir wissen, die Schwierigkeit.
Die Minsk-Gruppe soll wieder die Verhandlung übernehmen – der Kollege Schwabe hat es gesagt –; das ist auch gut so, das unterstützen wir. Deutschland hat die Unterstützung zusagt. Aber wir haben durchaus – und es sind berechtigte – Zweifel, dass wir da tatsächlich durchsetzungsfähig zum Ziel kommen.
Mit dem Beitritt zur Parlamentarischen Versammlung des Europarats haben sich die Länder Aserbaidschan und Armenien, aber auch die Türkei und Russland dazu verpflichtet, Konflikte friedlich zu lösen. Daraus resultiert die Forderung nach dem sofortigen Stopp des Konflikts. Auch der Ausschuss für Recht und Menschenrechte, an dem ich letzte Woche teilnehmen durfte, hat – selbstverständlich unter Beteiligung der Vertreter beider Länder – eine Resolution verfasst, welche die Umsetzung dieser Verpflichtung beinhaltet.
Letztlich bedeutet dies, dass die Maßnahmen, die vor Ort getätigt wurden, auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüft werden können. Das ist ebenfalls ein Punkt, dessen Umsetzung wir mit Energie in den Gremien, in denen wir vertreten sind, durchaus fordern können. Alle kriegerischen Handlungen sind zu unterlassen, und dies sofort. Das ist die politische Forderung auch des heutigen Tages.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben es hier mit Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu tun. Wir wissen, dass hier Zivilisten getötet wurden, zivile Einrichtungen beschossen wurden, und dies nicht nur aus Zufall oder militärischem Versehen. Auch diese Verbrechen – Kollege Schwabe hat es bereits genannt – müssen überprüft werden können. Sie müssen auch strafrechtlich verfolgt werden können, es muss möglich sein, ein Tribunal einzurichten, Anklage zu erheben. Das muss jedem klar sein, der dort handelt. Ich glaube, es ist fast eine Selbstverständlichkeit, dass auch der Deutsche Bundestag dies so sieht.
Auch die Europäische Union hat über die Östliche Partnerschaft Handlungsoptionen. Es wird über Abkommen verhandelt, die bereits mit anderen Ländern wie der Ukraine geschlossen wurden: Handelsabkommen, Freizügigkeiten. Dort muss das deutliche Signal sein, dass dies zurzeit eingefroren ist. Solange hier Krieg, Tod und Leid herrschen, kann in dieser Hinsicht nicht verhandelt werden.
Aber was wir auch tun können, ist, über die Östliche Partnerschaft ein weiteres Ziel zu erreichen, nämlich die Stärkung der Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft dürfen wir hier nicht aus den Augen verlieren. Hiermit haben wir noch ein Instrument, hier können wir noch einsteigen. Das muss selbstverständlich verstärkt genutzt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Denn es wäre dramatisch, wenn jetzt der Winter einbricht und der Schnee im Kaukasus das Leid und die Toten bedeckt und alles wieder in Vergessenheit gerät, bis es im Frühjahr wieder taut und das Ganze von vorne beginnt und wir wieder hier in einer Aktuellen Stunde bedauern, dass wir nicht weitergekommen sind. Hier sind die Handlungen deutlich zu nennen. Herr Wadephul hat es eben gesagt: Aserbaidschan hat begonnen. Auch das ist für mich in dieser aktuellen Situation sehr klar.
Völlig unklar und wohl auch nicht von diesem Pult aus abschließend zu bewerten ist die Schuldfrage. Das ist wirklich schwierig. Die territoriale Integrität oder das Selbstbestimmungsrecht, die Besetzungen, die Befreiungen, die Kriege – dort ist Schuld auf beiden Seiten zu suchen und zu finden. Und dies muss uns dazu führen, dass wir uns hier in Bezug auf das Pulverfass Kaukasus für einen sofortigen Stopp einsetzen, für eine Rückkehr der Kampfhandlungen, für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, dafür, alle Instrumentarien des Europarates und der Europäischen Union zu nutzen, die Verbrechen an der Zivilbevölkerung zu beenden und dafür ein großes und starkes Signal aus diesem Bundestag zu senden.
Herzlichen Dank und Glück auf!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])
Vielen Dank. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Thomas Erndl, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 19 |
Session | 186 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde - Friedenslösung für Bergkarabach |