Harald WeinbergDIE LINKE - Arzneimittelversorgung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Worum geht oder – besser gesagt – ging es eigentlich insgesamt bei diesem Gesetz? Es ging um ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente. So stand es zunächst einmal im Koalitionsvertrag. So will es im Übrigen auch die Frau Ministerin Huml in Bayern. So will es der Bundesrat. So gilt es in etwa drei Viertel der EU-Staaten. Und so steht es in dem Antrag meiner Fraktion, der Linken, nach wie vor.
(Beifall bei der LINKEN)
Warum ist das wichtig? Wichtig ist das deswegen, weil Arzneimittel keine Waren sind wie jede andere Ware, weil es Beratungsbedarf und hohe Qualitätsanforderungen gibt. Insbesondere kranke Menschen brauchen Apotheken vor Ort, wo sie beraten und bei der Handhabung ihrer Medikamente unterstützt werden, unter anderem auch in Bezug auf Unverträglichkeiten, auch am Wochenende und auch in der Nacht.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Erhalt dieser Apotheken, die im Wettbewerb stehen mit den Onlineversandapotheken, braucht es gleich lange Spieße als unbedingte Voraussetzung. Das Prinzip hierzu ist die Gleichpreisigkeit; die haben wir aber in diesem Gesetz nicht bei Selbstzahlern und Privatversicherten. Eine Schnäppchenjagd im Internet und nur im Notfall die Apotheke vor Ort heranziehen – das führt zu einer existenziellen Bedrohung der Apotheken vor Ort.
Studien belegen die katastrophalen Auswirkungen, die ein Anstieg des Onlineversandhandels hätte, auch die von Spahn in Auftrag gegebene IGES-Studie, die das E-Rezept als Gamechanger sieht. Die Kombination von E-Rezept und Onlinehandel führt genau zu einem solchen enormen Druck auf die Apotheken vor Ort, und es werden viele davon dem Druck nicht standhalten können.
Insofern ist das Gesetz eine Mogelpackung. Es steht vorne „Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz“ drauf; aber das ist nicht der Inhalt des Gesetzes. Daran ändern auch die Vergütungen für pharmazeutische Dienstleistungen nichts, die im Wesentlichen aufgenommen worden sind, um den Apothekerverband zu befrieden.
Wie ist die 180-Grad-Wende der Koalition zu erklären? Es werden verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken angeführt – haben wir gerade gehört –; das macht stutzig. Die Mehrheit in diesem Hause lässt sich bei anderen Gelegenheiten davon wenig beeindrucken. Bei der Wahlrechtsreform beispielsweise, da hat man sich wenig davon beeindrucken lassen.
(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte im Zusammenhang mit dieser 180-Grad-Wende in der Frage des Versandhandels vom Koalitionsvertrag bis zum Gesetz zumindest mal erwähnen, dass Europas größtes Onlinemedizinversandhaus DocMorris ein regelmäßiger Sponsor Ihrer Parteitage und Festivitäten wie Spargelfahrten war und ist.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
Und dass zuletzt die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz auf einer Veranstaltung der Jungen Union mit Masken aufgetreten sind, auf denen das Logo von DocMorris prangte:
(Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Was ein Zufall!)
was das vielleicht mit dieser Wende zu tun haben kann – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden diese 180-Grad-Wende auf jeden Fall nicht mitmachen, also das Gesetz ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Ach so, eins noch: Ich werde jetzt gleich mal rausgehen müssen, um an der namentlichen Abstimmung teilzunehmen. Das ist das Problem, wenn man nur eine halbe Stunde für die Abstimmung zulässt und die genau in die Debattenzeit fällt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das will ich nur ganz kurz sagen. Es ist keine Unhöflichkeit, dass ich gleich gehe.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sabine Dittmar [SPD])
Lieber Herr Kollege Weinberg, das war ein ganz wichtiger Hinweis. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schließen demnächst die Abstimmung, natürlich nachdem der Kollege Weinberg abgestimmt hat. Sollte noch jemand da sein, der das Bedürfnis hat, abzustimmen, und es noch nicht gemacht hat, der hat jetzt Gelegenheit. Wie gesagt: wenige Minuten.
Jetzt kommt als nächste Rednerin die Kollegin Kordula Schulz-Asche für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480524 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Arzneimittelversorgung |