Nicole GohlkeDIE LINKE - Lehrkräftemangel
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern wird seit Beginn der Pandemie viel zugemutet. Das ist bekannt, und dennoch wird gegen diese Überlastung zu wenig getan.
Die ganzen Diskussionen, die wir jetzt teilweise führen, zum Beispiel die, wer jetzt genau wann wo wie eine Maske tragen muss, verdecken doch, was das eigentliche Problem an den Schulen ist, und das wirklich nicht erst seit Corona: Das ist der eklatante Mangel an Lehrkräften, der schon seit Jahren an die Substanz geht; an die Substanz von Schülerinnen und Schülern und an die der Lehrkräfte, die eine immer größere Arbeitslast bewältigen müssen. Für uns als Linke ist klar: Das darf so nicht bleiben.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Seit der Coronakrise arbeiten die Schulen im Dauernotbetrieb. Schülerinnen und Schüler müssen immer wieder im Homeschooling betreut werden. Mit der jetzigen Abdeckung an Lehrkräften ist das nicht zu schaffen, und das wissen, ehrlich gesagt, wir alle hier im Raum. Aber schon vor der Pandemie sind ja Unterrichtsstunden ausgefallen, waren die Klassen zu groß,
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Länderzuständigkeit!)
und konnten mancherorts manche Fächer gar nicht angeboten werden. Und schon vor der Pandemie waren viele Lehrerinnen und Lehrer an der Belastungsgrenze. Es ist völlig unklar, wie es eigentlich klappen soll, all die großen Aufgaben im Bildungsbereich, die jetzt erst kommen, vor denen wir noch stehen – die Umsetzung der Ganztagsschule, die Inklusion –, anzugehen, so unterfinanziert, wie die Schulen sind, und bei dem Lehrkräftemangel.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Antworten aus der Politik: Zuerst hat man auf Quer- und Seiteneinsteiger gesetzt. Das mag ja als eine vorübergehende Notmaßnahme zulässig sein, aber darf doch, bitte schön, nicht zum Normalfall werden. Welche Antwort auf den Lehrkräftemangel kam aus Bayern? Die Schnapsidee, einfach mehr unbezahlte Unterrichtsstunden für die Lehrerinnen und Lehrer anzuordnen. Was für ein weltfremder und vor allem dreister Vorschlag!
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das geht ja gar nicht!)
Jetzt, in der Coronakrise, hieß das Konzept gegen den Mangel, verrentete Lehrerinnen und Lehrer, die ja im Übrigen meist zur Risikogruppe gehören, zurück in den Beruf zu holen. Ja, ich frage mich schon: Wo sind wir denn eigentlich gelandet, wenn wir Menschen aus dem Ruhestand holen müssen, um die Bildung unserer Kinder zu gewährleisten? Das ist doch wirklich komplett irre.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich verstehe nicht, warum man nicht das Naheliegende macht, nämlich endlich mehr Lehrkräfte auszubilden, und das länderübergreifend und koordiniert. Das wäre die richtige Antwort. Deswegen beantragt Die Linke heute, dass der Bund in Absprache mit den Ländern ein Programm zur Finanzierung von zusätzlichen Lehramtsstudienplätzen auflegt, damit wenigstens in Zukunft genügend Lehrkräfte für den Schuldienst bereitstehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Bevor Sie jetzt wieder mit dem Einwand daherkommen, dass das Ländersache sei, sage ich Ihnen: Der Bund hat da eine Verantwortung.
(Otto Fricke [FDP]: Der Bund hat immer eine Verantwortung!)
In 18 der letzten 20 Jahre wurden weniger Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, als die Schulen benötigt haben. Das ist doch eine absurd hohe Quote. Im letzten Jahr schaffte es gerade mal ein einziges Bundesland, seine offenen Stellen mit selbst ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern zu besetzen.
(Otto Fricke [FDP]: Thüringen! Das war bestimmt Thüringen!)
Also behaupten Sie nicht, wir hätten kein bundesweites Steuerungsproblem.
(Otto Fricke [FDP]: Thüringen war es dann wohl nicht!)
– Sie scheinen ja einigermaßen schlecht informiert zu sein, wenn Sie nicht wissen, welches Land das ist.
(Otto Fricke [FDP]: Ich hätte gedacht, dass Sie als Linke jetzt sagen: Thüringen macht das besser!)
– An der Stelle haben Sie sich verrechnet. Sie können ja noch ein bisschen spekulieren. – Ich löse es auf: Es war Baden-Württemberg.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)
Ich sage außerdem: Der Bund muss endlich für Chancengleichheit und für gute Arbeitsbedingungen sorgen. Ducken Sie sich vor dieser Aufgabe bitte nicht weiter weg.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist die Aufgabe von Politik, die soziale Spaltung zu überwinden, dafür zu sorgen, dass die Kinder aus armen Familien nicht länger auf der Strecke bleiben. Sorgen Sie dafür, dass es endlich kleinere Klassen, eine individuellere Betreuung und mehr Lehrerinnen und Lehrer geben kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Nicole Höchst [AfD]: Machen Sie das doch, wo Sie mitregieren! Das ist doch nur heiße Luft hier!)
Vielen Dank, Kollegin Nicole Gohlke. – Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Kai Gehring.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480537 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Lehrkräftemangel |