Peter BoehringerAfD - Abstrakte Normenkontrolle Nachtragshaushaltsgesetz
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Dilcher, an einer Stelle haben Sie recht: Ich hatte in der Tat am 2. Juli hier bereits die Klage, die wir heute auf den Weg bringen wollen, bzw. den Antrag dazu angekündigt. Wenn der zweite Nachtragshaushalt 2020 als reiner Schuldenhaushalt verabschiedet werden sollte, werden wir eine Initiative für eine Verfassungsklage auf den Weg bringen – das waren meine Worte. Diesen Antrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgericht gemäß Artikel 93 Grundgesetz bringen wir nun heute ein, und wir laden verantwortungsbewusste Kollegen anderer Fraktionen ein, die Klage mitzuzeichnen.
(Beifall bei der AfD)
Im Einzelnen ist Folgendes verfassungsrechtlich bedenklich:
Erstens. Die Regierung nahm im zweiten Nachtragshaushalt über 62 Milliarden Euro neue Schulden auf. Mit der Asylrücklage verfügte der Bund aber über eine Kreditermächtigung, mit der er in der Lage gewesen wäre, auf Notsituationen zu reagieren. Diese Rücklage aufzulösen, bevor neue Schulden gemacht werden, wäre haushalts- und verfassungsrechtlich geboten gewesen. Doch der aktuelle Bundestag schränkte stattdessen ohne Not die finanziellen und politischen Spielräume künftiger Bundestage ein.
(Beifall bei der AfD – Dennis Rohde [SPD]: Genau das Gegenteil ist richtig, und das wissen Sie! Genau das Gegenteil!)
Zwar sind viele Zahlungen wegen des seit April überzogenen Regierungshandelns und der darum inzwischen depressiven Wirtschaftslage leider unabweisbar notwendig – auch da haben Sie recht, Frau Dilcher –, etwa die Unterstützungszahlungen für Kurzarbeiter und Arbeitslose sowie andere Hilfsprogramme für deutsche Unternehmen und Bürger. Doch diese notwendigen Ausgaben für 2020 hätten aus Rücklagenmitteln bestritten werden können. – Das ist der erste Hauptpunkt.
(Beifall bei der AfD)
Zweitens. Viele der mit dem Nachtragshaushalt eingeleiteten Programme stehen gar nicht in Veranlassungszusammenhang mit der ins Feld geführten Coronanotlage. Das wäre aber natürlich auch rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ausnahme-Verschuldungsregel des Grundgesetzes gewesen. Coronakreditgelder werden stattdessen für völlig krisenfremde Daueraufgaben verwendet. Wir sehen keinerlei Sparanstrengungen bei bestehenden Ausgabeprogrammen: Dutzende Milliarden Euro für die EU, Abermilliarden für Klima, Weltbeglückung und Zuwanderung.
(Beifall bei der AfD)
Die Schuldenaufnahme führt dazu, dass die Regierung in keiner Weise mehr kostenbewusst wirtschaften muss. Unter dem Vorwand von Corona hat man 2020 den mit Abstand größten Haushalt der bundesdeutschen Geschichte beschlossen, und das ohne jede Einsparung. Wenn aber eine durch eine Notsituation begründete Schuldenaufnahme zur Umsetzung von politischen Programmen genutzt wird, welche ohnehin und unabhängig von der Notsituation verfolgt werden sollten, so ist dies einfach rechtsmissbräuchlich.
(Beifall bei der AfD)
Drittens. Das Grundgesetz und die Haushaltsordnung verbieten es mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Jährlichkeitsprinzip, Neuschulden aufzunehmen, die nicht durch den aktuellen Ausgabebedarf veranlasst sind. Genau dies ist aber im zweiten Nachtragshaushalt 2020 geschehen: Herr Scholz wird die gewährten riesigen Schuldenmittel 2020 gar nicht ausgeben können; es gibt übrigens aktuelle Meldungen, die genau das bestätigen. Es war auch gar nie geplant, weil man das Geld für das Wahljahr 2021 vorhalten wollte. Man baut schuldenfinanziert sogar noch weitere Rücklagen auf. Ein überjähriges Geldbunkern ist aber dummerweise verfassungswidrig.
(Beifall bei der AfD – Dennis Rohde [SPD]: Wo steht das denn?)
Viertens. Eine gesundheitliche Notlage war im Juli nicht gegeben. Die Sterberate liegt in Deutschland 2020 bis heute nicht über dem langjährigen Durchschnitt.
(Esther Dilcher [SPD]: Aber warum denn nicht?)
Und der Eintritt der wirtschaftlichen Not war im zweiten Nachtragshaushalt 2020 im Juli sicher nicht mehr der Kontrolle des Staates entzogen, wie es Artikel 115 Grundgesetz verlangt. Ganz im Gegenteil hat erst die seit April anhaltende staatliche Überreaktion bereits bis Juli die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte herbeigeführt. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der grundgesetzlichen Notsituation war darum im Haushalt 2020 nicht gegeben.
Dann vielleicht noch ein Hinweis an die anderen Fraktionen. Unsere Einschätzung zur gesundheitlichen Lage steht nicht zentral in der Klageschrift. Das steht nicht zentral drin, sondern die anderen Punkte, die ich eben aufgezählt habe. Wir laden Sie also ein, mitzuklagen, selbst wenn Sie diese Ansicht zur gesundheitlichen Lage nicht teilen sollten; denn es gibt haushalterische Argumente.
(Beifall bei der AfD)
Ich erinnere an die Rede des Kollegen Dürr vom 2. Juli hier im Bundestag, der sagte: Dieser Bundeshaushalt verstößt gegen das Grundgesetz. – Herr Kubicki sagte erst vor ein paar Tagen, nun müsse endlich das Parlament ins Coronamanagement eingreifen. Nun, wir sind das Parlament. Und heute erst sagte derselbe Herr Kubicki dem NDR, man müsse gegen die Maßnahmen klagen; das Zitat ist sieben Stunden alt.
(Otto Fricke [FDP]: Das sind aber die Gesundheitsmaßnahmen! – Gegenruf des Abg. Dennis Rohde [SPD]: Er hat halt keine Ahnung!)
Genau dazu fordern wir die Mitglieder dieses Hauses heute mit unserem Antrag und der zugehörigen Klageschrift auf.
(Beifall des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD] – Otto Fricke [FDP]: Das sind aber die Gesundheitsmaßnahmen!)
– Nein, es ging nicht um Gesundheitsmaßnahmen, es ging um die haushalterischen Maßnahmen.
(Otto Fricke [FDP]: Bei Herrn Kubicki? Nein!)
– Nein, okay. Sie haben recht. Es ist alles in Ordnung.
(Dennis Rohde [SPD]: Wer hat es denn beschlossen? Wir waren es!)
Zur epidemischen Notlage wird morgen noch eine ähnliche Klageeinladung an dieses Haus folgen. Unabhängig von all dem fordere ich die Bundesregierung aus leider hochaktuellem Anlass erneut auf, die massiven Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens zu beenden und nur die kleine Risikogruppe zu schützen. Stoppen Sie den wirtschaftlich so extrem folgenreichen Lockdown!
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Danke schön, Herr Boehringer. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Carsten Körber.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7480556 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Abstrakte Normenkontrolle Nachtragshaushaltsgesetz |