29.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 186 / Tagesordnungspunkt 20

Otto FrickeFDP - Abstrakte Normenkontrolle Nachtragshaushaltsgesetz

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Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Ich wollte Ihnen nicht die Kniestrümpfe zumuten.

Die sind aber gar nicht so schlecht. Die Farbe ist cool.

Demokratie lebt vom Diskurs, von der Gewaltenteilung und von der Frage, wie wir uns hier miteinander auseinandersetzen. In manchen Fällen tragen wir es auch zur anderen Gewalt, um die Fragen zu lösen, von denen wir glauben, dass sie nur vom Verfassungsgericht gelöst werden können.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit dem Bundestag!)

Der zweite Nachtragshaushalt ist aus Sicht meiner Fraktion ein wirklich zweifelhafter Haushalt. Er beinhaltet manche Punkte, an denen man hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit durchaus Zweifel haben kann. Ich halte für meine Fraktion, die dem ersten Nachtragshaushalt und der damaligen Feststellung der Notsituation zugestimmt hat, noch mal fest, dass wir das beim zweiten Nachtragshaushalt nicht mehr konnten.

Denn wir sind erstens der Meinung, er hätte nicht diesen Umfang haben müssen. Man hätte zweitens die Asylrücklage endlich auflösen müssen. Man hätte drittens mehr bei Soloselbstständigen tun müssen; die Regierung sieht das inzwischen auch ein und versucht, einen Titel dieses Nachtragshaushaltes jetzt noch irgendwie umzuformulieren.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit dem Nachtragshaushalt an sich zu tun!)

Man hätte viertens nicht an die Mehrwertsteuer herangehen müssen, sondern es mit einer negativen Gewinnsteuer machen müssen. Man hätte vieles andere mehr berücksichtigen müssen bei der Frage eines Nachtragshaushalts.

Aber dem, was die AfD jetzt möchte, nämlich diese Frage nach Karlsruhe zu tragen, kann meine Fraktion nicht folgen. Ich will das auch ganz ruhig und sachlich und nüchtern begründen

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grundsatzfrage der FDP, wie Sie sich aufstellen!)

oder Ihnen ganz einfach empfehlen: Schauen Sie sich mal eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1989 an.

Damals hat die CDU gegen einen Haushalt aus dem Jahre 1981 wegen Verfassungswidrigkeit geklagt. Sie hat gesagt: An der Stelle ist eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes angenommen worden, damit die Regierung damals mehr Kredite aufnehmen konnte – hört sich sehr interessant an –, mit der Feststellung einer Notsituation. Das Bundesverfassungsgericht hat dann in seiner Klugheit etwas wirklich Wunderbares klargemacht: Es ist keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Gesetzgeber vorzunehmen. Wir sind keine Verwaltungsbehörde.

Und so sehr, wie ich mit meiner Fraktion der Meinung bin, dass es eine falsche Entscheidung war, die beim zweiten Nachtragshaushalt getroffen wurde, billige ich der Mehrheit in der Demokratie den vom Verfassungsgericht festgestellten Beurteilungsspielraum ausdrücklich zu. Der Diskurs über die Frage, was das bessere Gesetz ist, was die bessere Lösung ist und wie wir darum streiten, findet hier in diesem Plenum statt und nicht im Forum in Karlsruhe.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere Position als Rechtsstaatspartei, und das wird auch immer unsere Position bleiben.

Meine Damen und Herren, zum Schluss habe ich eigentlich noch 15 Sekunden. Aber das sollte man am Abend selbst als Haushälter manchmal verschenken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank! Danke, Otto Fricke.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Großzügigkeit der FDP! 15 Sekunden immerhin!)

– Es waren elf.

(Heiterkeit – Florian Oßner [CDU/CSU]: Das gibt einen Eintrag ins Geschichtsbuch!)

Herzlichen Dank. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Gesine Lötzsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480558
Wahlperiode 19
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Abstrakte Normenkontrolle Nachtragshaushaltsgesetz
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