30.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 187 / Tagesordnungspunkt 27

Edgar FrankeSPD - Untersuchungsausschuss Infektionsschutz

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Coronapandemie ist eine echte Belastungsprobe für die Menschen in Deutschland und weltweit, aber vor allem auch eine Herausforderung für unsere Demokratie. Wir haben das im Frühjahr beim ersten Lockdown gesehen und sehen es gerade wieder. Vor drei Wochen waren noch 300 Intensivbetten belegt. Heute sind es über 1 500. Wir müssen jetzt handeln. Wenn die Intensivstationen erst voll sind, ist es zu spät. Insofern hat unser Gesundheitsminister Spahn in dieser Sache vollkommen recht.

Die Anträge der AfD lehnen wir ab. Es sind Schaufensteranträge. Sie sollen vermeintliches Regierungsversagen dokumentieren. Auf dem Höhepunkt der Pandemie, wo wir alle Kräfte brauchen, so eine Rede wie Herr Brandner zu halten, das finde ich unglaublich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt mit anzupacken, geht es der AfD nur um den Streit, nicht um die Sache, sondern nur um eigene kleine politische Vorteile. Das ist ärmlich, das ist armselig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Sören Pellmann [DIE LINKE])

Natürlich gibt es auch Kritik an den Coronamaßnahmen.

(Beifall des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Ein Grund besteht sicherlich auch darin, wie die Maßnahmen beschlossen werden. Wenn gefühlt nur die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder zusammen entscheiden, fühlen sich viele Menschen nicht mitgenommen. Das muss man schon sagen. Statt in Hinterzimmern Beschlüsse zu fassen, müssen wir die Beweggründe für die Maßnahmen in den Parlamenten öffentlich beraten.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben wir 70 Mal gemacht in den letzten Wochen!)

Nur das schafft Vertrauen. Mein Kollege Thomas Oppermann hat kurz vor seinem Tod zu Recht angemahnt, dass auch der Bundestag stärker politisch beteiligt werden soll, und zwar aus politischen Gründen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Frühjahr war schnelles Handeln notwendig. Wir haben die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Deswegen haben wir, die Regierungen in den Ländern und der Bund, auch schnell auf die beginnende Pandemie reagieren können. Das war richtig. Wir wissen aber jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, viel mehr über die Pandemie. Wir wussten auch, dass die zweite Welle kommt, und das nicht erst seit letztem Dienstag. Auch hier hätten die Parlamente früher eingebunden werden müssen. Ich sage auch ausdrücklich: Ermächtigungen und Verordnungen können eben die Diskussion hier im Bundestag nicht ersetzen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tun sie auch nicht!)

Wir müssen alle wichtigen Entscheidungen hier in diesem Parlament treffen. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir alle einer Meinung sein.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 70 Debatten!)

Wir müssen aus meiner Sicht, lieber Kollege Grosse-Brömer, auch beim Infektionsschutzgesetz und bei der Verordnungsermächtigung weitere rechtliche Leitplanken für das Regierungshandeln einziehen, gerade weil wir Grundrechte einschränken. Das muss bestimmt sein; sonst werden die Grundrechte weitgehend leerlaufen. Die Grundrechte in unserem Grundgesetz sind die höchsten Rechte der Menschen in unserem Staat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die nächsten Monate werden uns viel abverlangen. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Spätestens im Frühjahr sehr wahrscheinlich – so hoffen wir – kommt der Impfstoff, und die Lage wird sich langsam normalisieren. Bis dahin müssen wir alle durchhalten und vor allen Dingen auch als Gesellschaft zusammenhalten. Wir Abgeordnete haben die Aufgabe, die Grundrechte zu schützen, gerade in der Pandemie. Der Fußballfan darf nicht ins Stadion, die Musiker dürfen nicht auftreten, und wir müssen unsere privaten Kontakte massiv zurückfahren. Diese harten Einschnitte, die nur so lange bestehen dürfen, wie es unbedingt notwendig ist – auch das muss man sagen –, haben allerdings einen guten Grund: Wir schützen die Risikogruppen und damit deren Grundrecht auf Leben. Das dürfen wir auch nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die einzelnen Grundrechte müssen wir immer gegeneinander abwägen, und zwar, wie ich finde, in einem transparenten politischen Prozess, um die Leute mitzunehmen, um die Diskussion öffentlich zu führen. Der Schutz der Grundrechte muss stets unser staatliches Handeln bestimmen, weil wir damit nicht nur unsere Demokratie schützen, sondern auch stärken.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Kollege Dr. Wieland Schinnenburg.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480637
Wahlperiode 19
Sitzung 187
Tagesordnungspunkt Untersuchungsausschuss Infektionsschutz
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