30.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 187 / Tagesordnungspunkt 27

Wieland SchinnenburgFDP - Untersuchungsausschuss Infektionsschutz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brandner, Sie sind offenbar der Autor dieses Normenkontrollantrages. Ich wünsche Ihren Mandanten, dass Sie sie wesentlich sorgfältiger beraten, als Sie bei der Abfassung dieses Antrags vorgegangen sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Denn der Text dieses Antrages lässt sogar Zweifel, ob Sie die Grundfertigkeiten beherrschen.

Erstens. Sie können nicht zählen. In Ihrem Antrag steht, das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch hätte 339 Paragrafen. Ich habe einmal nachgezählt: Es sind rund 600 Paragrafen. Sie können nicht zählen.

Zweitens. Sie können offenbar auch nicht lesen. Wenn Sie in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch geguckt hätten, hätten Sie festgestellt, dass der letzte Paragraf der § 417 ist. Allein daran hätten Sie schon erkennen können, dass Ihre Aussage, dass es 339 Paragrafen gibt, einfach unsinnig ist. Auf 600 Paragrafen komme ich durch die vielen nachträglich eingefügten Paragrafen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Drittens. Sie können offenbar auch nicht zitieren. Sie ereifern sich darüber, dass ein Verstoß gegen Artikel 83 Grundgesetz vorliegen würde, da sich die Bundesregierung Befugnisse hinsichtlich des Erlasses von Anordnungen anmaßen würde, die eigentlich den Ländern zustehen. In § 5 Absatz 2 Infektionsschutzgesetz steht der Satz – so wäre das Zitat richtig gewesen –, das gelte „unbeschadet der Befugnisse der Länder“. Man kann über diesen Satz ja streiten, aber Sie haben ihn nicht erwähnt, wahrscheinlich nicht einmal gelesen. Kurz gesagt, Sie haben falsch zitiert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Heike Baehrens [SPD]: Das machen die regelmäßig!)

Viertens. Sie kennen offenbar auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. In einer ganz simplen Art und Weise definieren Sie, welche Anforderungen an Verordnungsbefugnisse gestellt werden, nämlich es müsse sehr bestimmt sein. Hätten Sie nur ab und zu einmal Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gelesen, dann hätten Sie festgestellt, dass das Bundesverfassungsgericht – ich erlaube mir die Bemerkung – intellektuell anspruchsvoller ist, als Sie das sind.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Das ist ja auch keine Kunst!)

Es differenziert durchaus bei den Anforderungen an solche Verordnungsbefugnisse. Wenn Sie zum Beispiel in der amtlichen Sammlung in Band 58 Seite 257 nachgelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass dort differenziert wird: Wenn es sich um vielgestaltige und sich schnell ändernde Sachverhalte handelt, dann sind die Anforderungen an Verordnungsbefugnisse deutlich geringer. Das haben Sie natürlich nicht erwähnt. Das haben Sie offenbar nicht gelesen. Auch das können Sie offenbar nicht. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sollte man erst einmal lesen, bevor man es anrufen will.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Fünftens. Der juristische Standardbegriff der Verhältnismäßigkeit taucht in Ihrem Antrag überhaupt nicht auf. Dabei ist er von ganz großer Bedeutung. Im März, als dieser Paragraf und dieser Absatz beschlossen wurden, hatten wir eine möglicherweise sehr große und undefinierbare Gefahrenlage. In solchen Fällen ist natürlich die Verhältnismäßigkeit eher gegeben als jetzt. Wegen der bestehenden Gefahren haben wir als FDP damals übrigens auch zugestimmt und die weiteren Gesetzentwürfe abgelehnt. Der Begriff der Verhältnismäßigkeit taucht bei Ihnen nicht auf. Das ist eigentlich bereits in der zweiten Woche des Jurastudiums ein Standardthema, bei Ihnen offenbar nicht.

(Beifall bei der FDP)

Ich fasse zusammen. Es gibt fünf kapitale Fehler. Was sagt man dazu in der Schule? Schulnote sechs. Setzen!

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Schinnenburg. – Der nächste Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7480638
Wahlperiode 19
Sitzung 187
Tagesordnungspunkt Untersuchungsausschuss Infektionsschutz
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