Thomas HackerFDP - Deutsch-polnische Gedenkstätte
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war der frühe Morgen des 1. September 1939: Die deutsche Wehrmacht begann den Überfall auf Polen mit dem Beschuss der Westerplatte und dem Angriff auf Wielun. Mit diesen Angriffen begann der Vernichtungskrieg der Nazis, begann der Zweite Weltkrieg.
Dem Angriff lag nach Erkenntnissen der Geschichtswissenschaftler ein – Zitat – rassistisch fundiertes negatives Slawenbild zugrunde.
Ziel ist
– so drückte es Hitler am 22. August 1939 selber aus –
die Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie … Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen.
Er wollte die Lebenskraft, die Zukunft Polens zerstören. Sechs Jahre hielt Deutschland sein Nachbarland besetzt, so lange wie kein anderes Land.
Auf polnischem Grund wurde die Tötungsmaschinerie der Nazis zur perfiden Perfektion getrieben. Menschen aus ganz Europa wurden nach Polen deportiert, dort von Deutschen misshandelt, gequält, getötet, vergast, verbrannt, vernichtet, ausgelöscht.
Der Aufstand im Ghetto von Warschau 1943 wurde blutig niedergeschlagen. Nach dem Warschauer Aufstand 1944 wurde fast die ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht. 5,7 Millionen Polinnen und Polen wurden in dieser Zeit ermordet oder wurden Opfer des Krieges, darunter 3 Millionen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Jeder fünfte Bürger Polens starb.
All das Leid kann nicht wiedergutgemacht werden, und es verpflichtet uns, auch heute und in der Zukunft an das Geschehene zu erinnern und aus dem Erinnern heraus die gemeinsame Zukunft in einem gemeinsamen Europa zu gestalten.
Die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen waren über die Jahrhunderte nicht immer leicht, und doch haben sich beide Länder gegenseitig befruchtet und vorangebracht. Wäre die Mauer in Berlin gefallen, wenn nicht Jahre zuvor die Solidarnosc in Danzig gegründet worden wäre? Ja, das besondere Verhältnis von Polen und Deutschland rechtfertigt einen besonderen Erinnerungsort. Was Polen angetan wurde, braucht ein eigenes Gedenken, eine eigene Wahrnehmung im Herzen Berlins.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)
Dieser Erinnerungsort bedeutet keine Hierarchisierung der NS-Opfer. Das Leid unterschiedlicher Länder, Regionen und Opfergruppen kann nicht gewichtet oder gewertet werden; jedes einzelne durch die Nazis gequälte und ausgelöschte Menschenleben muss erinnert werden.
Deshalb darf der Ort des Erinnerns auch nicht nur ein Erinnern an die deutsche Aggression vergangener Tage sein, sondern muss ein emotionaler Ort werden, der die Menschen aus Polen und Deutschland zusammenführt und offen ist für alle – ein Ort, der uns an unsere Verpflichtung zum Einstehen für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit mahnt; ein lebendiger Ort, der die Werte eines modernen, geeinten Europas nicht nur postuliert, sondern auch zu einer aktiven Teilnahme und Gestaltung einlädt.
Manche mögen vielleicht fragen, warum in der aktuellen politischen Lage in Polen ein solches Zentrum zur Erinnerung und Begegnung geschaffen werden soll. Gerade in dieser besonderen Zeit ist es die richtige Antwort und das richtige Zeichen, um uns zu versichern, dass nach zwei totalitären Regimen in Europa der gemeinsame Weg von Polen und Deutschen in einem vereinten Europa der richtige Weg ist – in einem Europa des Rechtsstaats, der Bürgerrechte, der Demokratie und der Freiheit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kollege Thomas Hacker. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Brigitte Freihold.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480652 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch-polnische Gedenkstätte |