Falko MohrsSPD - Veranstaltungswirtschaft in der Corona-Krise
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will eigentlich gar nicht viel auf meinen Vorredner eingehen, aber, Herr Chrupalla, vielleicht nehmen Sie einfach mal zur Kenntnis: Wozu es führt, wenn Populisten an der Macht sind und die Verantwortung in der Coronakrise tragen, können Sie an den Riesenzahlen an Toten und an Kranken sowie an der Überlastung des Gesundheitssystems sowohl in den USA als auch in Brasilien erkennen. Ich bin froh, dass Menschen wie Sie hier keine Verantwortung haben, und ich sage: Wir werden alles tun, dass das auch so bleibt.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ja, es sind schwere Monate für das gesamte Land und, ich glaube, auch für uns alle ganz persönlich. Wir alle haben in den letzten Monaten Opfer bringen müssen,
(Tino Chrupalla [AfD]: Welches Opfer haben Sie persönlich erbracht, Herr Mohrs? Das ist doch Heuchelei!)
manche ganz persönlich durch sehr schlimme Erlebnisse – wir haben das auch vorgestern in einer anderen Debatte schon mal gehört – –
Sekunde, bitte! – Würden Sie bitte Ihre Maske aufsetzen, wenn Sie den Raum verlassen oder telefonieren? Sagen Sie bitte Ihrem Kollegen – wir haben eine Vereinbarung –, dass er das tut. – Alles klar! – Herr Mohrs, Sie sind wieder dran.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Chrupalla, ich erzähle Ihnen eine ganz kurze Geschichte:
(Tino Chrupalla [AfD]: Ja, erzählen Sie mal!)
Es gibt in meinem Wahlkreis in Wolfsburg das Hanns-Lilje-Heim, ein Pflegeheim, das leider das zweite Heim in Deutschland war, in dem Corona ausgebrochen ist – auf einer Demenzstation im März –, mit dem Ergebnis, dass über 40 alte Menschen gestorben sind, in völliger Isolation. Sie konnten nicht mit ihren Angehörigen zusammen sein und sich verabschieden. Die Pflegekräfte haben am Limit gearbeitet.
Ich war danach mehrfach dort und habe mich mit Pflegekräften im Hanns-Lilje-Heim unterhalten. Wissen Sie, welche Geschichte mich am meisten bewegt hat? Die Geschichte von zwei Menschen, die beide dort gearbeitet haben. Beide haben – vielleicht zu ihrem Leidwesen – einen Migrationshintergrund. Sie ist als Asthmatikerin in der Risikogruppe für Corona. Beide haben gesagt, dass sie ihre Kolleginnen und Kollegen und die alten Menschen in diesem Heim nicht alleine lassen wollen, und sie haben über Monate in einer gemeinsamen Wohnung getrennt voneinander ihren Alltag und ihr gesamtes Leben aufgebaut, weil beide gesagt haben, sie werden ihre Kolleginnen und Kollegen und die alten Menschen in diesem Pflegeheim nicht im Stich lassen. Er hat übrigens selber Corona bekommen und sagt trotzdem, er würde diese Entscheidung, dort weiterzuarbeiten, immer wieder treffen.
Herr Chrupalla, was Sie mit Ihren ekelhaften Zwischenrufen – das muss ich mal in aller Deutlichkeit sagen – hier abziehen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was soll denn der Quatsch? Was war da ekelhaft?)
ist einfach nur zynisch für diese Menschen, die wirklich ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um sich hier für kranke und alte Menschen einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Die übernehmen Verantwortung. Das, was Sie machen, ist zynisch und ekelhaft.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein! Was Sie reden, ist Stuss! – Gegenruf der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE]: Ruhig, Brauner!)
Wir alle haben in den letzten Monaten genau diese schweren Phasen durchlebt, und – jetzt komme ich aber wirklich zu dem Antrag und zu den Themen zurück –
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das hätten Sie vorher machen können! – Weiterer Zuruf von der AfD: Ah!)
auch die Veranstaltungsbranche und die Schauspielerinnen und Schauspieler erleben ganz besonders harte wirtschaftliche Zeiten. Sie waren die Ersten, die ihren Geschäftsmodellen und ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen konnten, und sie werden vermutlich mit die Letzten sein, die wieder zurück an die Arbeit gehen können, die sie lieben.
Besonders – ich finde, das muss gesagt werden, und das ist schon mehrfach gesagt worden – betrifft das eben die Soloselbstständigen. Wir haben in den letzten Monaten viele Hilfsprogramme in immenser Größenordnung aufgelegt, die gut für die Wirtschaft waren. Viele Soloselbstständige – zum Beispiel viele Schauspielerinnen und Schauspieler – haben aber keine großen Betriebskosten und konnten von den Hilfsprogrammen nicht in dem Maße profitieren, wie es notwendig ist. Herr Bareiß – Entschuldigung, jetzt ist er weg, aber wir sagen es ihm noch mal –, ich glaube, hier haben wir wirklich eine Lücke, die wir füllen müssen, indem wir gerade für die Menschen, die wegen ihrer geringen Betriebskosten hiervon nicht profitieren konnten, nachlegen. Wir können das über unterschiedliche Wege tun. Wir können das zum Beispiel über eine Betriebskostenpauschale machen, die gerade für Soloselbstständige die Situation verbessert, oder über andere Modelle. Wir müssen das aber in der Tat sehr schnell machen.
In einem schließe ich mich Carsten Müller ausdrücklich an: Neben der Novemberhilfe, die gestern beschlossen wurde, muss die Überbrückungshilfe III nach aller Möglichkeit zum 1. Dezember dieses Jahres wirklich auf dem Tisch liegen, um beantragt werden zu können.
(Beifall bei der SPD)
Es ist notwendig, dass hier alle das Tempo an den Tag legen, das wir brauchen.
Neben den notwendigen weiteren Schließungsmaßnahmen haben wir vorgestern auch beschlossen, dass wir für die besonders betroffenen Branchen – Gastronomie, Veranstaltungen, Messen, Theater, Kinos – ein Sonderprogramm für den November auflegen. Bei einer Unternehmensgröße von bis zu 50 Mitarbeitern können sie pauschaliert bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem letzten November zugrunde legen und ersetzt bekommen.
(Peter Heidt [FDP]: Wie geht es danach weiter? Und im Januar?)
Eben wurde dazwischengerufen: Na ja, was ist denn eigentlich, wenn der letzte November total schlecht war? – Deswegen wird es für die Soloselbstständigen die Wahlmöglichkeit geben – das wurde heute sehr deutlich klargestellt –, ob sie den November 2019 oder den Durchschnitt des gesamten Jahres 2019 zugrunde legen möchten. Ich glaube, das ist eine gute Maßnahme, mit der wir der besonderen Situation der Soloselbstständigen Rechnung tragen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Ganze muss dann längerfristig – ich habe das gesagt – durch die Überbrückungshilfe III ergänzt werden. Dabei wird es um die Berücksichtigung von Abschreibungen und steuerliche Vorteile gehen.
Ich glaube, das sind genau die Maßnahmen, die wir jetzt für alle die, die besonders lange betroffen sind, ganz branchenspezifisch – also nicht mehr in der ganzen Breite – auflegen müssen. Auch jetzt schon, bei den Novemberhilfen, müssen zum Beispiel die Schauspielerinnen und Schauspieler in ihrer ganz besonderen Situation als unständig Beschäftigte berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Monaten wirtschaftlich eine ganze Menge richtig gemacht; davon bin ich fest überzeugt. Wir werden aber auch nachbessern, weil wir sehen, dass das nicht überall so wirkt, wie wir es brauchen. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Falko Mohrs. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Reinhard Houben.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7480719 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Veranstaltungswirtschaft in der Corona-Krise |