04.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 188 / Tagesordnungspunkt 7

Anke Domscheit-BergDIE LINKE - Verwaltungsverfahren zu Familienleistungen

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Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut – stimmt leider nicht immer. Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen wie Kindergeld-online begleitet mich beruflich schon seit Pi mal Daumen zwei Jahrzehnten, länger als BundOnline, mit dem man schon 2005 statt der Bürger/-innen ihre Daten von Amt zu Amt laufen lassen wollte. Zum Feiern, Ministerin Giffey, ist mir das einfach zu spät.

(Beifall bei der LINKEN)

Ende 2022 sollen nun alle 575 Verwaltungsdienstleistungen elektronisch zur Verfügung stehen; aber Ende 2020 sind mir nicht mal drei bekannt, die in ganz Deutschland elektronisch vollständig abgewickelt werden können. Dass wir heute einen Gesetzentwurf mit rund 40 Seiten debattieren, der um über 20 Seiten Änderungsantrag ergänzt werden musste,

(Heiterkeit des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

zeigt mir, dass die Bundesregierung beim E-Government nicht nur wie eine Schnecke arbeitet, sondern leider auch schlampig.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)

Außerdem enthält das Gesetz immer noch Regelungen, die im Widerspruch zu anderen Gesetzen stehen, die den gleichen Sachverhalt betreffen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach!)

Und beim elektronischen Postfach für Bürger/-innen bleibt völlig unklar, ob das nur ein elektronischer Briefkasten zum Abwerfen von PDF-Dokumenten ist oder ob man ihn auch für echte Interaktionen mit dem Staat nutzen kann. Kann ich damit fehlende Dokumente nachreichen, Widersprüche einlegen? Kann ich Fragen stellen und Antworten darauf erhalten? Das ist doch das, was Nutzer/-innen erwarten; aber der Gesetzentwurf vertritt zum Teil eher einseitig Verwaltungsinteressen.

So gibt es künftig die sogenannte Bekanntgabefiktion, also die Festlegung, dass ein im Postfach hinterlegtes Behördendokument drei Tage später als zugestellt gilt. Mit anderen Worten: Wer nicht ständig sein elektronisches Behördenpostfach kontrolliert, der hat halt Pech gehabt, wenn die Widerspruchsfrist zu einem fehlerhaften Bescheid abgelaufen ist. Hier muss doch die Lebenswirklichkeit ein bisschen stärker berücksichtigt werden. Frieda Musterfrau wird ein elektronisches Postfach für sporadische Behördenpost seltener kontrollieren als ihren eigenen Hausbriefkasten. Ein Kompromiss wäre daher das Recht, auf Wunsch zeitkritische Behördenpost per Brief zugestellt zu bekommen, wenn sie einige Tage unentdeckt im elektronischen Postfach herumschimmelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Recht erwarten Bürger/-innen auch mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit vom digitalen Staat; aber elektronische Signaturen scheint die Bundesregierung auch vergessen zu haben. Dabei wären sie doch eine Hürde für unautorisierte Zugriffe auf die Daten der Bürger/-innen, weil jeder Arbeitsschritt im Verwaltungsprozess mit Zugriff auf Bürgerdaten elektronisch unterschrieben wäre. Das würde dann auch unabhängige Überprüfungen ermöglichen. Aber nach jetzigem Konzept bleibt der digitale Staat eine Blackbox. Erkennbar sind nicht einmal eingebaute Garantien, die verhindern, dass eine Behörde nachträglich Dokumente verändert, die schon im Postfach zugestellt waren.

Last, but not least darf ich jetzt schon versprechen, dass wir von der Linksfraktion nicht zulassen werden, dass im Zuge der Verwaltungsdigitalisierung ein eindeutiges Personenkennzeichen wie die Steuer-ID fachübergreifend genutzt wird. Das wäre verfassungswidrig, und wir werden dagegen kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen haben Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren. § 219a StGB gehört abgeschafft – immer noch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Domscheit-Berg. – Ich erteile jetzt das Wort der Kollegin Tabea Rößner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7481349
Wahlperiode 19
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Verwaltungsverfahren zu Familienleistungen
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