05.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 189 / Tagesordnungspunkt 9

Rudolf HenkeCDU/CSU - Parlamentsbeteiligung bei Corona-Maßnahmen

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Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mann, Mann, Mann.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag verlangt ja in seinem Titel, die Beschlüsse des Coronagipfels vom 28. Oktober rückgängig zu machen.

(Beifall bei der AfD)

Wer dann im Antragstext nach einer sachlichen Begründung sucht, der sucht vergeblich. Deshalb möchte ich zu Beginn betonen, warum diese bundeseinheitlichen Maßnahmen seit Montag richtig sind – trotz aller damit verbundenen Belastungen.

Der Kern ist die Frage, ob wir warten wollen auf die Überforderung des Gesundheitssystems, auf das Abweisen von behandlungsbedürftigen Patienten aus den Intensivstationen,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kein Wort dazu von der AfD! Peinlich!)

ob wir warten wollen auf eine Situation, in der Menschen, die beatmet werden müssen, die Beatmung verweigert werden muss, weil die Pflegenden, die in der Lage sind, die Gerätschaften zu bedienen, nicht zur Verfügung stehen.

(Jürgen Braun [AfD]: Panik! Panik!)

Deswegen sagen wir: Wir müssen präventiv handeln, um solchen Engpässen zuvorzukommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es darf nicht erst die Situation eintreten, dass es zu spät ist.

Die Bundeskanzlerin und der Gesundheitsminister haben das in den vergangenen Tagen – so wie auch viele von uns draußen in den Wahlkreisen – immer wieder erläutert. Das exponentielle Wachstum der Anzahl der Infektionsfälle ist besorgniserregend. Es droht, die Gesundheitsämter immer weiter zu überfordern. Gestern lagen dem RKI schon 41 Mitteilungen aus Gesundheitsämtern über Kapazitätsengpässe vor.

Die Kontaktverfolgung aber ist zentral, um Ketten und auch unbemerkte Ketten zu durchbrechen. Jeder jetzt im Alltag aufgeschobene Kontakt ist ein Akt der Solidarität mit dem Nächsten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Davon verstehen Sie von der AfD möglicherweise wenig. Offen gestanden ist mein Gefühl, dass es Ihnen nicht darum geht, die Schwachen zu schützen, sondern es geht Ihnen darum, eine Gesellschaft zu haben, in der jeder an sich selbst denkt, nach dem Motto: Dann ist auch an jeden gedacht. Die Schwachen haben den Nachteil.

(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Angesichts Ihrer Präferenz für die Starken frage ich mich, ob Sie zu den Darwinisten gehören; aber das ist vielleicht für die Darwinisten eine Zumutung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Schwachsinn!)

Nach einer internationalen Metastudie zur Infektionssterblichkeit scheint das Alter für die Covid-19-Sterblichkeit der entscheidende Faktor zu sein, übrigens unabhängig vom nationalen Kontext. In meiner Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen lag die Sterblichkeit in dieser internationalen Metastudie bei 2,2 Prozent; das ist dreißigmal so hoch wie bei der Grippe. In der Gruppe der über 85-Jährigen starb fast jeder Dritte an Covid-19, der diese Infektion erlitt. Insofern ist der November nicht nur der Monat der gemeinsamen Kraftanstrengung – das ist er auch –, er ist auch der Monat der Prüfung für unseren Wertekompass als Gesellschaft und der Prüfung, wie wichtig uns verletzliche Bevölkerungsgruppen sind. Da zeigt Ihr Antrag klar, dass das für Sie völlig unwichtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der vergangenen Woche gab es ja einige Aufregung um die Positionierung mancher ärztlicher Organisationen. Die jüngsten Erklärungen aus Wissenschaft und Ärzteschaft sind eindeutig: Die Maßnahmen der Ministerpräsidentenkonferenz sind richtig und jetzt notwendig.

Wir müssen die hohen Infektionszahlen unbedingt und konsequent senken,

erklärte am Montag Dr. Andreas Gassen, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Der Präsident der Bundesärztekammer, der Kollege Reinhardt:

Wir müssen jetzt die Notbremse ziehen, damit die Dynamik der Neuinfektionen nachlässt.

Und am 27. Oktober, am Tag vor den Entscheidungen in der Ministerpräsidentenkonferenz, hat es eine gemeinsame Erklärung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gegeben:

Um einen ähnlichen Verlauf der Pandemie in Deutschland noch verhindern zu können, müssen jetzt klare Entscheidungen getroffen und schnell umgesetzt werden.

... Je früher und konsequenter alle Kontakte, die ohne die aktuell geltenden Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen stattfinden, eingeschränkt werden, desto kürzer können diese Beschränkungen sein.

Wissenschaft und Ärzteschaft raten dazu, so vorzugehen, wie es jetzt geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben im Infektionsschutzgesetz – das bestreiten Sie ja – sehr wohl Standardmaßnahmen, die die Länder zum Schutz der Bevölkerung ergreifen dürfen. Wir als Deutscher Bundestag haben hier im März wie in den anderen 37 Gesetzen, die zu diesem Thema hier verabschiedet worden sind, präzisiert, welche Grundrechte in Ausnahmesituationen vorübergehend zurücktreten können. Wir werden hier im Bundestag einen Vorschlag unterbreiten, wie wir die Rechtssicherheit der Länder weiter verbessern können. Wir, Innenpolitiker, Rechtspolitiker, Gesundheitspolitiker, arbeiten mit den beteiligten Ministerien an einem Vorschlag, der dazu dient, die Zweifel, die beispielsweise vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof, aber auch von Gerichten in Rheinland-Pfalz vorgetragen worden sind, zu beseitigen.

Aus meiner Sicht bremsen wir mit den drastischen Kontaktverzichten die zweite Welle. Wir helfen – Sie haben von Narrativen gesprochen –, dass unsere Kinder und Enkel weiter täglich in den Bereich der Märchen und Fabeln eintauchen können. Aber diese Pandemie als eine Fabel zu bezeichnen, das kann wohl nur Ihnen in den Sinn kommen.

Am 16. November wird Zwischenbilanz gezogen. Dann wird entschieden, wie es weitergeht. Ich glaube, dass wir noch im November das Infektionsschutzgesetz erweitern und schärfen werden. Ich freue mich über die Diskussionen in den Ausschüssen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7481402
Wahlperiode 19
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Parlamentsbeteiligung bei Corona-Maßnahmen
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