Emmi ZeulnerCDU/CSU - Parlamentsbeteiligung bei Corona-Maßnahmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegen von der AfD, es ist wie häufig bei Ihren Anträgen: Die Anträge sind schlicht nicht redlich. Es ist nicht redlich, dass Sie immer nur die eine Seite der Medaille beleuchten, also die teilweise massiven Einschränkungen, welche die Menschen in unserem Land zurzeit tragen müssen, und dabei völlig außen vor lassen, warum diese Maßnahmen getroffen wurden. Es ist nicht redlich, dass Sie so tun, als würde unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel morgens aufstehen und sich überlegen, welche Beschränkungen sie unserem Land auferlegen kann. Es ist nicht redlich, dass Sie einfach völlig unerwähnt lassen, warum wir diese Einschränkungen beschlossen haben. Wir haben sie beschlossen, weil wir uns aktuell in einer handfesten Pandemie befinden und weil wir die berechtigte und belegbare Sorge haben, dass unser Gesundheitssystem überlastet wird.
(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Deshalb ist es geradezu ironisch, dass Sie uns das vorwerfen, was Sie ständig tun. Sie wägen nicht ab, Sie betrachten die Situation einseitig, und Sie lassen keine Verhältnismäßigkeit – ganz konkret in Ihren Anträgen – walten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sebastian Hartmann [SPD] und Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Selbstverständlich führen wir als Unionsfraktion in unseren Gremien die Debatte über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Und morgen werden wir als Regierungsparteien den Entwurf eines Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes einbringen. Darin enthalten ist der neu gefasste § 28a Infektionsschutzgesetz, in dem wir die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen besonders betonen.
Das Schlimmste für mich aber ist, dass Sie anscheinend glauben, dass die Menschen in unserem Land keine Zahlen verstehen. Ja, es ist selbstverständlich zulässig, Maßnahmen zu kritisieren. Ich denke, alle in diesem Haus verstehen die Sorgen und manchmal auch die Wut der Menschen, die von den Einschränkungen durch die Coronamaßnahmen betroffen sind. Aber auch diese Menschen sehen die Zahlen. Sie sehen, dass es am 18. Oktober 769 Covid-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung gab; das waren 39 Fälle mehr im Vergleich zum Vortag. Sie sehen, dass es am 28. Oktober, also zehn Tage später, schon doppelt so viele Fälle, nämlich 1 569, mit einer Steigerung zum Vortag von 99 Fällen, gegeben hat. Und gestern waren wir bei 2 546 gemeldeten Fällen mit einer Steigerung zum Vortag von 158 Fällen. Daher scheint es sehr realistisch, was unter anderem mein geschätzter Kollege Henke in der letzten Debatte gesagt hat. Er hat prognostiziert, dass wir am 7. November 3 000 Fälle in intensivmedizinischer Behandlung haben werden, also eine weitere Verdoppelung in den letzten zehn Tagen. Das nennt man Mathematik, das ist Logik. Ich fände es einfach nur überheblich und weltfremd, wenn wir davon ausgehen würden, dass uns all das, was in anderen europäischen Ländern gerade passiert, nicht passieren könnte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Von den regulär benötigten freien Kapazitäten in der Intensivmedizin für Notfälle will ich hier gar nicht sprechen.
In meiner schönen fränkischen Heimat sagt man landläufig: There is no glory in prevention. – Also, wenn ein Schaden verhindert wird, erntet man dafür keinen Ruhm, weil der Schaden faktisch nicht eingetreten ist und damit nicht spürbar war. Aber gerade das macht gute Politik in Zeiten eines Pandemiegeschehens aus: vorausschauend handeln. Und dabei muss selbstverständlich die Verhältnismäßigkeit ein zentraler Punkt sein. Deshalb ist es auch nur angemessen, dass wir als Gesellschaft den entstandenen Schaden der von den Einschränkungen betroffenen Branchen ausgleichen. Die betroffenen Branchen übernehmen ja ihrerseits stellvertretend für unsere gesamte Gesellschaft aktuell den größten Teil der Last in dieser Pandemie.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber selbst unsere Gastronomen – ich spreche mit vielen Betroffenen in meinem Wahlkreis –, Reisebürobetreiber, Kunstschaffende usw. wissen, dass die Regierung und auch die Parlamente handeln müssen.
Noch zwei weitere Punkte, die mich wirklich an Ihren Anträgen ärgern, weshalb wir diese ablehnen: Zum einen ignorieren Sie einfach unsere föderalen Strukturen und verkennen, dass manche Ihrer Forderungen in die Zuständigkeit der Länder fallen. Zum anderen ist es bei über 70 Debatten zu Anträgen und Hilfspaketen und Diskussionen in den Haushaltsausschüssen langsam lächerlich, dass Sie weiterhin behaupten, das Parlament werde nicht gehört und habe an den Entscheidungen nicht teil.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Zum Schluss ist es mir wichtig, schlicht zu betonen: Es ist, zum Glück, ein Thema auf Zeit, und auch die Maßnahmen sind zeitlich befristet. Aber wir sind nach Japan die zweitälteste Gesellschaft dieser Welt, und auch deshalb haben wir eine besondere Verantwortung. Bei allen Schwierigkeiten, die wir haben, macht es mich stolz und bin ich dankbar, wenn ich erlebe, wie ganz viele der jungen Generation Verantwortung gegenüber der älteren Generation übernehmen, indem sie achtsam sind. Das lässt mich zuversichtlich auf unsere Gesellschaft blicken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Emmi Zeulner. Danke auch dafür, dass Sie einen Beweis geliefert haben, wie mehrsprachig die Franken und Fränkinnen sind.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481411 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentsbeteiligung bei Corona-Maßnahmen |