Achim KesslerDIE LINKE - Kranken- und Pflegeversicherung
Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Coronakrise zeigt uns erneut, wie wichtig es ist, Spitzenverdiener und Millionäre in die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn im nächsten Jahr fehlen in der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens 16,6 Milliarden Euro. Diese Kosten dürfen nicht auf die kleinen und mittleren Einkommen abgewälzt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, Ungleichheit beim Zugang zur Gesundheitsversorgung ist nicht akzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Alle Menschen, die in Deutschland leben, müssen die gleiche hochwertige Gesundheitsversorgung bekommen, unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Wohnort. Aber ein gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle und eine solidarische Finanzierung sind nur möglich ohne private Krankenversicherung.
(Beifall bei der LINKEN)
Die private Krankenversicherung ermöglicht es Besserverdienern, sich der solidarischen Finanzierung und dem Lastenausgleich zu entziehen. Für die gesetzliche Krankenversicherung bleiben dann nur noch die kleinen und mittleren Gehaltsgruppen.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Es lebe das Vorurteil!)
Diesen Zustand will Die Linke mit der Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung beenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber, meine Damen und Herren, die private Krankenversicherung schadet nicht nur der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern sie schadet auch den Privatversicherten selbst. Obwohl die private Krankenversicherung bislang an den Kosten der Pandemiebekämpfung so gut wie nicht beteiligt war, erhöhen sich die durchschnittlichen Beiträge im Januar um 8,1 Prozent. Bei der Debeka werden es sogar 17,6 Prozent sein. Meine Damen und Herren, das ist nicht im Interesse der Privatversicherten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Für viele Privatversicherte wird die eigene Versicherung im Alter zur unentrinnbaren Armutsfalle; denn sie können im Ruhestand bei sinkenden Einkommen die steigenden Beiträge nicht mehr zahlen. Sie rutschen dann, wie auch viele Selbstständige mit geringen Einkommen, in den Basis- und Notlagentarif. Meine Damen und Herren, wir sprechen hier über 100 000 Menschen, die dann nur noch eine stark eingeschränkte Gesundheitsversorgung haben.
Ich möchte gern an dieser Stelle eine 59-jährige Fotografin zu Wort kommen lassen, die mit großen Beitragsschulden im Basistarif versichert ist und jetzt Angst hat, in der Krise in den Notlagentarif abzurutschen. Ich zitiere:
Können Sie sich vorstellen, wie man sich fühlt damit, wie viele Ängste das auslöst? Noch bin ich vermutlich gesund, was passiert, wenn ich schwer, zum Beispiel an Krebs erkranke? Ich bekomme dann keine Behandlung, weil ich die unendlich hohen Beiträge der PKV nicht bezahlen kann. Weil Ärzte meine Behandlung aufgrund des Notlagen- bzw. Basistarifs in der PKV ablehnen können!
Diese Gesetzgebung ist unmenschlich, ungerecht und unsozial.
Sie treibt viele Menschen in tiefe Depression, die ihr Leben lang gearbeitet und Steuern bezahlt haben, um dann in ihrer Rente zu Menschen und Patienten zweiter Klasse zu werden.
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, gehört die private Krankenversicherung auch im Interesse der Privatversicherten abgeschafft!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir stellen deshalb heute vier Anträge zur Diskussion. Mit dem ersten fordern wir, dass alle in Deutschland lebenden Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sein sollen und dass die private Krankenversicherung abgeschafft wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe allerdings das Gerücht gehört, dass sich die übrigen Fraktionen diesem Antrag nicht anschließen wollen. Deshalb stellen wir heute auch vernünftige Zwischenschritte zur Abstimmung, die es insbesondere SPD und Grünen ermöglichen sollen, zuzustimmen:
Mit dem zweiten Antrag wollen wir Beamtinnen und Beamten des Bundes den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung ermöglichen, wie es viele Bundesländer ja schon tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist kein Zwang, sondern nur eine Streichung der Subventionierung der privaten Krankenversicherung. Das, meine Damen und Herren, kann man nur ablehnen, wenn man ideologisch verblendet ist oder den Wünschen der Lobbyisten der Versicherungswirtschaft nach staatlicher Unterstützung folgt.
(Beifall bei der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das sagt der Richtige!)
Denn ohne die staatlichen Beihilfen für Beamtinnen und Beamte wäre die private Krankenversicherung längst sang- und klanglos untergegangen. Und dafür ist es höchste Zeit!
(Beifall bei der LINKEN)
Im dritten Antrag fordern wir, die Beitragsbemessungsgrenze zuerst anzuheben und dann ganz abzuschaffen; denn dass ich als gut verdienender Abgeordneter in der gesetzlichen Krankenversicherung prozentual nur rund die Hälfte von dem bezahlen muss, was eine Lidl-Verkäuferin bezahlt, das ist wirklich eine bodenlose Ungerechtigkeit und muss beendet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit dem vierten Antrag möchten wir Privatversicherten den Wechsel in eine andere private oder gesetzliche Versicherung ermöglichen, indem sie ihre Altersrückstellungen mitnehmen können. Meine Damen und Herren, wenn Sie Wettbewerb möchten, dann müssen Sie den Privatversicherten auch erlauben, ihre private Krankenversicherung zu verlassen und in eine andere zu wechseln.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen dringend einen Ausweg für Privatversicherte, die nicht mehr weiterwissen – und zwar ohne, dass wir dadurch der gesetzlichen Krankenversicherung schaden. Meine Damen und Herren, die lebenslange Zwangsmitgliedschaft vieler Privatversicherter kann heute ein Ende haben, wenn Sie unserem Antrag zustimmen!
Mit unseren Anträgen insgesamt wollen wir das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung stärken und die gesetzliche Krankenversicherung zu einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung ausbauen. Das bedeutet konkret: Der durchschnittliche Krankenkassenbeitrag würde um fast ein Viertel sinken. 90 Prozent der Versicherten müssten weniger zahlen und hätten am Ende des Monats mehr im Geldbeutel. Wir könnten in der Krankenversicherung alle Zuzahlungen abschaffen. Die Kosten für Brillen und Zahnersatz könnten wieder komplett übernommen werden. Besonders belastete Gruppen, wie zum Beispiel Freiberufler mit schwankenden Einkommen – ein aktuelles Thema –, könnten endlich entlastet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja. – Wir hätten insgesamt eine hochwertige gesundheitliche und pflegerische Versorgung für alle Menschen. Ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie unseren Anträgen zu!
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Dr. Achim Kessler. – Bevor Sie sich wundern, möchte ich Ihnen sagen, dass Minister Spahn für diese Debatte entschuldigt ist. Er ist im Ausschuss.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Im Haushaltsausschuss!)
Nächste Rednerin: Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481435 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Kranken- und Pflegeversicherung |