Sabine DittmarSPD - Kranken- und Pflegeversicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist allgemein bekannt, dass die SPD die gesetzliche Krankenversicherung für weitere Beschäftigtengruppen öffnen möchte und damit Schritt für Schritt auf die Einführung einer Bürgerversicherung hinarbeitet.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
In eine Bürgerversicherung würden – wie der Name schon sagt – alle Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden, also auch Freiberufler, Selbstständige und Beamte. Damit würden alle Berufsgruppen Beiträge in die solidarische Krankenversicherung einzahlen, und die Lasten würden auf mehr Schultern verteilt.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig, dass es auch in der gesetzlichen Krankenversicherung Reformbedarf gab und gibt. So haben wir zum Beispiel die Mindestbeiträge für Soloselbstständige um mehr als die Hälfte gesenkt und Zeitsoldaten den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht. Damit haben wir die GKV für weitere Personengruppen attraktiver gemacht.
Es ist aber auch kein Geheimnis, dass sich die PKV mittlerweile selbst entzaubert hat. Mit jeder neuen Welle von Prämiensteigerungen zum Jahresende erreichen uns Briefe von verzweifelten Privatversicherten, die angesichts der davongaloppierenden Versicherungsbeiträge nicht mehr wissen, wie sie diese in Zukunft bezahlen sollen. Und da hilft auch nur bedingt ein Notlagen- oder Basistarif.
(Beifall des Abg. Dr. Achim Kessler [DIE LINKE])
Verschärft wird dieser Trend durch die fortdauernde Niedrigzinsphase, die die wirtschaftlichen Verhältnisse der PKV durcheinanderwirbelt. Prämiensteigerungen von mehr als 15 Prozent sind keine Seltenheit.
Bei einer echten Wahlfreiheit begeben sich viele Bürgerinnen und Bürger schon heute lieber in den sicheren Hafen der GKV.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!)
Hier kann man sich als Versicherter nicht nur auf planbare Beiträge verlassen, sondern hat auch die Sicherheit, nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin behandelt zu werden.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die PKV in der heutigen Form über kurz oder lang ein Auslaufmodell sein wird.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Neukundengeschäft für Vollversicherungen ist – außer bei Beamten – nahezu zum Erliegen gekommen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, es macht einen erheblichen Unterschied, ob man die private Krankenversicherung in einen echten Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen schickt oder ob man die Beitragsbemessungsgrenze und die PKV von jetzt auf gleich zum Stichtag X abschaffen möchte. Denn da gibt es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken und auch sehr konträre Rechtsauffassungen; das haben uns die vielen Anhörungen gezeigt, die wir zu dieser Thematik ja schon durchgeführt haben. Wir Sozialdemokraten setzen daher lieber auf einen Versicherungsmarkt mit gleichen Regeln für alle und echte Wahlfreiheit für die Versicherten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Hamburg hat es vorgemacht und bietet für neue Beamte eine echte Wahlfreiheit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung an. Auch in der GKV bekommt man nun die pauschale Beihilfe. Mittlerweile machen auch Berlin, Brandenburg, Thüringen und Bremen ihren Neubeamten dieses Angebot. Auch die Beamten, die sich bislang schon in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert haben, weil sie beispielsweise aufgrund einer Vorerkrankung überhaupt keine private Krankenversicherung gefunden haben, erhalten nun endlich den Arbeitgeberzuschuss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es wäre nur konsequent, auch auf Bundesebene für die Beamtinnen und Beamten aktiv zu werden. Leider hat die Union bislang weder ein Interesse daran, die Situation der gesetzlich versicherten Bundesbeamten zu verbessern, noch daran, den Beamten eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen.
Diese Haltung der Union könnte man ja noch mit einer – ja – ideologischen Nibelungentreue zur PKV erklären. Aber richtig fragwürdig für mich ist die ablehnende Haltung des Beamtenbundes, der glaubt, seine Mitglieder vor einer freien Entscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung schützen zu müssen. Er nimmt dabei als Kollateralschaden in Kauf, dass gesetzlich versicherte Beamte den kompletten Beitrag alleine zahlen müssen, während ihr Beihilfeanspruch komplett ins Leere läuft. Das ist für mich, Kolleginnen und Kollegen, wirklich sehr bemerkenswert.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Hennrich [CDU/CSU])
Über die Bundesländer könnte hier auch wieder ein bisschen Dynamik in das Geschehen kommen, wenn man sich beispielsweise in Baden-Württemberg mit dem grünen Gesundheitsminister dafür einsetzen würde, dass der Arbeitgeberzuschuss auch für die Beamtinnen und Beamten in der GKV geleistet wird.
Kolleginnen und Kollegen, es wird zweifelsohne noch ein langer Weg sein, bis wir ein einheitliches und solidarisches Versicherungssystem haben: für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig vom Status, ob Beamter, Angestellter, Freiberufler oder Selbstständiger. Aber – davon bin ich überzeugt –: Die Bürgerversicherung – oder wie immer man sie dann auch nennen mag – wird kommen. Davon bin ich überzeugt, und dafür werden wir als SPD weiterkämpfen.
Die Anträge der Linken lehnen wir allerdings ab. Denn wir setzen weniger auf verfassungsmäßig fragwürdige Verbote, als vielmehr auf die Überlegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP – Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Jetzt gibt es Klassenkampf!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481438 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Kranken- und Pflegeversicherung |