05.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 189 / Tagesordnungspunkt 11

Martina Stamm-FibichSPD - Kranken- und Pflegeversicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die gesundheitspolitische Linie der SPD in den letzten Jahren verfolgt hat, dem sollte nicht verborgen geblieben sein, dass es zwischen unserer Linie und den heutigen Oppositionsanträgen inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Leider kann man das über unseren Koalitionspartner nicht sagen. Wie Sie gleich hören werden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Es gibt Lichtblicke. Wir geben die Hoffnung jedenfalls nicht auf.

Nun aber zum Inhaltlichen. In meinem Wahlkreis habe ich einen jungen Mann, der Beamter im gehobenen Dienst in Bayern ist und – wie dort üblich – privat versichert ist. Das Problem: Aufgrund einer Vorerkrankung zahlt er direkt mal 30 Prozent mehr Krankenversicherungsbeiträge als seine Kolleginnen und Kollegen im gleichen Alter, obwohl die Krankheit laut Attest vom Arzt kein Thema mehr ist. Um überhaupt versichert zu werden, musste der junge Mann einen dreimonatigen Papierkrieg mit dem Krankenversicherer führen. Zwischendurch sagte er mir: Ich weiß nicht, ob die mich überhaupt nehmen. – Die Alternative wäre gewesen, sich freiwillig gesetzlich zu versichern und den Arbeitgeberanteil selbst zu tragen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist das Problem!)

Das, meine Damen und Herren, ist für einen Beamten in der Besoldungsgruppe A 9 keine Option. Dies ist finanziell in keiner Weise sinnvoll und auch nicht machbar.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und so etwas darf auch nicht passieren; denn das ist nicht solidarisch, und das ist auch nicht gerecht. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir das in Zukunft lösen und über die wir diskutieren können. Die eine ist: Die PKV nimmt jeden Beamten, unabhängig von seinen Vorerkrankungen, zu den gleichen Konditionen auf. Die Gesichter bei der PKV würde ich jetzt gern sehen.

(Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Ja!)

Oder aber wir kommen der PKV dadurch entgegen, dass wir netterweise den Arbeitgeberanteil für die GKV übernehmen und dadurch eine echte Wahlfreiheit schaffen. Es wird Ihnen nicht entgangen sein: Glücklicherweise gibt es die zweite Lösung an manchen Orten in dieser Republik ja schon. In Hamburg hat es Olaf Scholz vorgemacht. Immer mehr Bundesländer ziehen nach. Ja, das Hamburger Modell ist ein Erfolg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mittlerweile gehen mehr als die Hälfte der Beamten in die GKV.

(Karin Maag [CDU/CSU]: In die GKV nur 3 Prozent!)

Und jetzt zum angekündigten Lichtblick. Als diese Gerechtigkeitslücke in Brandenburg geschlossen wurde, hat selbst der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Björn Lakenmacher, zugegeben, dass die Stärkung der Wahlfreiheit durch die Beihilfe zu mehr Gerechtigkeit führt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Also: Lassen Sie sich hiervon inspirieren, und lassen Sie uns eine echte Wahlfreiheit im Wettbewerb schaffen!

Zum Schluss noch ein paar Worte zum System im Allgemeinen. Es vergeht kein Monat, in dem wir in diesem Haus nicht über irgendwelche Probleme diskutieren, die durch das duale Krankenversicherungssystem getriggert werden.

Durch meine Arbeit im Petitionsausschuss sehe ich obendrein auch die ganzen Einzelfälle, die in diesem System durch den Spalt zwischen GKV und PKV fallen. Nein, es geht hier nicht um eine Neiddebatte. Es geht auch nicht darum, das System infrage zu stellen. Aber es geht darum, dass sich immer mehr PKV-Versicherte die Beiträge nicht mehr leisten können. An die Auswirkungen der Pandemie habe ich hier noch gar nicht gedacht.

Es geht darum, dass eine große Anzahl von Menschen überhaupt keinen oder nur einen sehr geringen Versicherungsstatus aufweist und Gesundheitsleistungen immer häufiger – darüber diskutieren wir wenig – von Kommunen, von Wohlfahrtsverbänden und von vielen, vielen Freiwilligen erbracht und finanziert werden. Wir haben keine Lust mehr darauf, ständig diese Ausnahmen und Regelungsflicken zu verabschieden, die doch am Ende nur die Symptome dieses ökonomisch unsinnigen Systems abschwächen. Deshalb muss das Problem an der Wurzel gepackt werden. Wir brauchen eine Krankversicherung für alle.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun Dr. Wieland Schinnenburg das Wort.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7481444
Wahlperiode 19
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Kranken- und Pflegeversicherung
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