05.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 189 / Tagesordnungspunkt 14

Benjamin StrasserFDP - Grundsätzegesetz Ablösung der Staatsleistungen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.

So lautet Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung, der direkt in Artikel 140 unseres Grundgesetzes übernommen wurde.

Über 100 Jahre nach diesem Auftrag der Nationalversammlung und 71 Jahre nach dem erneuten Auftrag durch den Parlamentarischen Rat legen heute die Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen diesem Hohen Haus einen Entwurf eines Grundsätzegesetzes vor. Wir machen das, weil wir unseren Verfassungsauftrag ernst nehmen, den uns die Mütter und Väter der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes ins Stammbuch geschrieben haben, und wir nehmen ihn genauso ernst, wie alle anderen Artikel unseres Grundgesetzes, auf die sich diese Fraktionen im Hohen Hause so gerne berufen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, ja, und er ist ein faires Angebot, das im Dialog mit den Kirchen über viele Monate und Jahre entstanden ist. Wir machen ein faires Angebot an die Kirchen. Sie haben die historische Chance, um auf Basis eines realistischen Kompromisses mit den Ländern individuelle und passgenaue Lösungen auszuhandeln. Wir machen ein faires Angebot an die Länder, um endlich rechtssichere Ablösegesetze mit den Kirchen abschließen zu können, und wir machen ein faires Angebot an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die noch immer Lasten aus längst vergangenen Zeiten tragen müssen. Denjenigen, die aus der Kirche ausgetreten sind, können wir auch nicht erklären, warum sie über Umwege die Kirche mitfinanzieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wesen eines Kompromisses ist, dass keine Seite so wirklich zufrieden sein kann. Was aber nicht geht, ist, zu unserem Gesetzentwurf Nein zu sagen und selbst keinen Vorschlag vorzulegen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das richtet sich vor allem an die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Union. Herr Castellucci, Sie haben vor einem Jahr zu unserem Vorschlag gesagt, dass – Zitat – die Bundesländer kein Interesse an der Ablösung angemeldet hätten. Mit Verlaub: Das ist kein Argument.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Doch!)

Diese Ablösung steht nicht im Ermessen der Bundesländer; das ist ein Verfassungsauftrag. Wir Parlamentarier haben ihn umzusetzen, Herr Castellucci.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Gröhe, Sie haben uns damals wissen lassen, dass die Ablösung keine vordringliche Aufgabe sei. Herr Gröhe, ich sage es einmal von Christ zu Christ mit dem Buch Kohelet: Alles hat seine Zeit. – Nach 100 Jahren ist es an der Zeit, Zahlungen von einer halben Milliarde Euro pro Jahr abzulösen. Wir wollen den Verfassungsauftrag ernst nehmen und keine weiteren 100 Jahre warten.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich mich nicht nur bei den Kolleginnen und Kollegen von Linken und Grünen bedanken, dass es uns gemeinsam gelungen ist, diesen Kompromiss vorzulegen, sondern ich möchte mich auch bei einem ehemaligen Kollegen dieses Hohen Hauses bedanken, Dr. Stefan Ruppert, der unsere Debatte jetzt im Fernsehen verfolgt. Lieber Stefan, vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz, deine zahlreichen Gespräche mit den Kirchen, aber auch mit den Sprecherinnen und Sprechern der anderen Fraktionen. Ohne dich wäre dieser Entwurf so nicht möglich gewesen: Dafür vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])

Heute liegt mit unserem Gesetzentwurf in diesem Haus zum ersten Mal ein fairer und vor allem realisierbarer Kompromiss vor. Nach hundert Jahren kann man zu Recht sagen: auch ein historischer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Strasser. – Für die Fraktion der CDU/CSU hat das Wort der Kollege Hermann Gröhe.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7481484
Wahlperiode 19
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Grundsätzegesetz Ablösung der Staatsleistungen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta