Volker UllrichCDU/CSU - Grundsätzegesetz Ablösung der Staatsleistungen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die in Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung benannten Staatsleistungen sind eine Entschädigungspflicht des Staates für die Abgabe von kirchlicher, staatsrechtlich begründeter Herrschaft im Jahr 1803. Die Ursache liegt also nicht in der Religion an sich, sondern in der Aufgabe staatlichen Besitzes und staatlicher Herrschaft.
Gerade weil von 1803 bis 1919 nichts passiert ist, hat die Weimarer Reichsverfassung diesen Anspruch in die Verfassung aufgenommen. Man möchte heute fast meinen, dass sich diese Ablöseverpflichtung der Staatsleistungen zu einer Art Institutionsgarantie gewandelt hat, weil beinahe 200 Jahre lang nichts passiert ist. Deswegen müssen wir sehr sorgfältig mit dieser Frage umgehen. Aber in der Tat: Es besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf die Staatsleistungen, und für uns als Gesetzgeber besteht eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, sie abzulösen. Daran halten wir auch fest.
Der entscheidende Punkt ist, wie hoch zunächst einmal diese Ablösungen zu bemessen sind. Die Konstruktion, dass das Reich oder der Bund die Grundsätze aufstellt und die Länder davon betroffen sind, ist deswegen gewählt worden, weil man verhindern wollte, dass die Länder aufgrund einer möglicherweise angespannten Haushaltslage im Jahr 1919 – möglicherweise auch heute – eine Entschädigungsregelung wählen, die unter dem Wert bleibt, den die Kirchen damals verloren haben. Deswegen ist es richtig – auch wegen der Einheitlichkeit der verfassungsrechtlichen Ordnung –, hier zu einer ordnungsgemäßen Bewertung zu kommen, die mir mit dem Faktor von 18,6 nach dem Bewertungsgesetz angemessen, fair und gerecht erscheint.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dennoch sollten wir uns mit den Ländern ins Benehmen setzen, inwieweit diese einen Zeitplan aufstellen können, um diese Staatsleistungen abzulösen. Der Punkt ist: Wenn wir 500 Millionen Euro jährlich an Staatsleistungen an die Kirchen bezahlen, dann wäre es bei dem Faktor 18,6 im Prinzip nur zehn Jahre lang das Doppelte. Es ist insofern auch wichtig, dass wir eine zeitliche Abfolge für diese Ablösung hinbekommen. Deswegen meine Bitte, mit den Ländern zu sprechen.
Was bleibt, ist Folgendes: Wir halten fest an dem Konzept der weltanschaulichen, religiösen Neutralität und auch an der Staatsferne der Kirchen; der Staat hat sich da nicht einzumischen. Aber wir haben auch das Konzept einer wohlwollenden Begleitung von Kirche und Staat. Uns ist nicht gleichgültig, wie sich die Menschen organisieren; deswegen wird diese Gesellschaft auch nach wie vor auf diese Prägungen setzen. Die Ablösung der Staatsleistungen bedeutet nicht, dass diese gewachsene Verbindung zwischen Staat und Kirche in Deutschland aufhört, sondern sie wird weiter vorhanden sein und noch wachsen. Deswegen: Lassen Sie uns über diese Fragen konstruktiv diskutieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481496 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Grundsätzegesetz Ablösung der Staatsleistungen |