Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer an den TV-Geräten und im Livestream!
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Machen Sie jetzt mal den Kinomodus aus!)
Herr Minister Heil, warum ist Ihr Ministerium nicht in der Lage, einmal einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der handwerklich und inhaltlich ausgereift ist?
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sie sind doch noch nicht mal in der Lage, ein Konzept vorzulegen, Herr Witt!)
Wieder einmal wurde uns hier eine grobe Kladde vorgelegt, von der Sie selbst wussten, dass massiver Änderungsbedarf besteht. Der Aufschrei der Sachverständigen in der Anhörung ist jetzt noch zu hören.
Dennoch hat der hier vorliegende Änderungsantrag keine wesentlichen Verbesserungen gebracht, nur kleine Detailveränderungen. Dafür öffnen Sie mit dem Omnibus von den bisherigen Leistungsausschlüssen für EU-Ausländer zu SGB‑Il-Leistungen bzw. SGB‑XII-Leistungen die Büchse der Pandora.
(Beifall bei der AfD – Daniela Kolbe [SPD]: Ist ein EuGH-Urteil!)
Der Gesetzentwurf leitet das Aufenthaltsrecht der Eltern als Voraussetzung für den Sozialleistungsbezug aus dem Schulbesuch der Kinder ab. Im Ergebnis haben arbeitslos gewordene EU-Bürger mit Kindern, die in Deutschland zur Schule gehen, in der Regel ein Aufenthaltsrecht und Recht auf deutsche Sozialleistungen wie deutsche Staatsbürger. Damit haben Sie einen weiteren Pull-Faktor für die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem geschaffen.
(Daniela Kolbe [SPD]: So ein Quatsch!)
Bereits jetzt ist das größte Problem in unseren Sozialsystemen
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
das nicht mehr vorhandene Lohnabstandsgebot. Nehmen wir zum Beispiel einen ausgelernten Gesellen, verheiratet, fünf Kinder: Bei einem Bruttolohn von 2 500 Euro, was durchaus einem Durchschnittslohn entspricht, bleiben dem Gesellen 1 932 Euro netto.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viele haben denn fünf Kinder? Wo leben Sie denn? 1,4 Kinder pro Haushalt! Nicht fünf!)
Hinzu kommen noch 1 088 Euro Kindergeld. Diese Familie lebt also von insgesamt 3 020 Euro. Eine gleich große Familie im SGB‑II-Bezug, zum Beispiel nach Beendigung eines Asylverfahrens, erhält durch die Regelbedarfe aktuell 2 222 Euro für Kosten der Lebenshaltung. Hinzu kommen Kosten der Unterkunft in Höhe von 1 240 Euro. Diese Familie wird mit sage und schreibe 3 462 Euro in die deutsche Sozialhängematte eingeladen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist widerlich, was Sie sagen! – Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten von diesem niedrigen Satz mal leben! – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Bereits jetzt wird Nichtstun gegenüber harter Arbeit mit über 400 Euro mehr belohnt, Herr Heil.
(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sie haben bei der ersten Familie den Kinderzuschlag und das Wohngeld vergessen! Das ist doch alles Blödsinn, was Sie da erzählen!)
Dieser Effekt wird sich noch weiter ausdehnen, wenn die Änderungen der Regelbedarfe in Kraft treten.
In Anbetracht der 5 Millionen zusätzlichen Arbeitslosen, die dank Ihrem verheerenden Versagen in der Coronakrise ihren Job verlieren werden,
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sie verlieren ihn bei der nächsten Wahl!)
können wir Deutsche uns keine weiteren Anreize erlauben, sämtliche Wirtschaftsflüchtlinge und Sozialtouristen aus Europa und der ganzen Welt anzulocken.
(Beifall bei der AfD)
Ich möchte noch einmal für unseren Antrag „Taschengeld für die in Heimen lebenden Bürger“ werben. Hier fordern wir nichts weiter als die Gleichstellung einer kleinen Gruppe von sozial schwachen Menschen
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Finanziell schwach! Sozial schwach sind Sie! – Weitere Zurufe der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– ich weiß, das interessiert Sie nicht, aber ich sage es trotzdem –, die ihr Leben in Alten- und Pflegeheimen sowie in Heimen für Menschen mit Behinderung fristen und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Und zwar fordern wir eine Gleichstellung mit Flüchtlingen und Asylbewerbern,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer die gleiche Masche! Gegeneinander ausspielen!)
die in Deutschland üppig mit dem Taschengeld, das Sie hier verabschieden, belohnt werden.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt kein Taschengeld! Es gibt ein soziales Grundrecht!)
Dass sich wenigstens wir Oppositionsfraktionen Gedanken um unsere Mitbürger mit Behinderung machen, zeigt der Gesetzentwurf der FDP,
(Zuruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
der eine Anpassung der Regelbedarfsstufe für Behinderte „in besonderen Wohnformen“ vorsieht. Es ist ein sinnvoller Gesetzentwurf zugunsten dieser behinderten Menschen; denn sie bilden in der Regel keine Bedarfsgemeinschaften und haben daher auch keine Haushaltsersparnis. Die FDP fordert, genau wie wir, die Gleichstellung von behinderten Menschen.
Zu den Anträgen der Linken und Grünen kann ich wieder einmal nur eines sagen: Ihr sozialer Gedanke ist leider Sozialismus pur
(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können es doch nur ablehnen! Sie können doch gar nichts planen!)
und schießt deutlich über das Ziel hinaus.
(Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon verstehen Sie so viel wie die Fische vom Fahrradfahren!)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Tobias Zech.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481692 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Ermittlung von Regelbedarfen |