Uli GrötschSPD - Terrorismusbekämpfung
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wirth, zu dem in Rede stehenden Punkt haben Sie in Ihrer Rede nichts gesagt. Ich habe schon überlegt, ob ich etwas dazu sagen soll, dass Sie hier Rechtsterrorismus verharmlosen.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Erzählen Sie nicht solchen Unsinn!)
Ich dachte mir dann aber: In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der Tatsache, dass Sie es immer wieder versuchen, mache ich es vielleicht beim nächsten Mal. Ich bleibe beim Thema, um das es hier geht.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen hier heute beschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir wichtige Befugnisse, insbesondere Befugnisse für das Bundesamt für Verfassungsschutz, verstetigen, die wir nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA eingeführt haben, Regelungen also, die sich seit fast 20 Jahren in Deutschland bewährt haben, Regelungen, die für unsere Sicherheitsbehörden und die Nachrichtendienste unverzichtbar geworden sind, Regelungen, die heutzutage so etwas wie Standards sind, wenn es um die Arbeit im Bereich der Terrorismusbekämpfung geht.
Wichtig ist: Es geht heute nicht um neue Befugnisse in der Terrorbekämpfung, sondern nur um die Frage: Müssen wir die Regularien, über die wir heute reden, nach fast 20 Jahren weiterhin befristen und dann immer wieder aufs Neue beschließen, oder können wir davon ausgehen, dass wir diese Befugnisse für unsere Sicherheitsbehörden dauerhaft brauchen? Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Gerade nach den jüngsten Terroranschlägen von Dresden, von Nizza und jetzt in Wien fehlt mir schlichtweg der Glaube, dass wir auch nur eine Minute auf diese Regelungen, auf diese Befugnisse verzichten können.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der islamistische Terrorismus, aufgrund dessen wir damals diese Vorschriften eingeführt hatten, ist heute komplexer und unberechenbarer denn je. Damals galt die ganze Aufmerksamkeit al-Qaida mit Osama Bin Laden. Wir haben in Wien wieder schmerzhaft erfahren müssen, wie vielfältig – im schlechtesten Wortsinn – Terrorismus im Jahr 2020 geworden ist.
Am Montag bei der öffentlichen Anhörung haben uns die Sachverständigen bestätigt: Nicht nur alleine wegen, aber auch dank der Befugnisse für die Nachrichtendienste ist es uns in der Vergangenheit gelungen, zahlreiche Terroranschläge zu verhindern. Wenn es diese Befugnisse nicht mehr gäbe, hätten wir sie spätestens nach dem ersten Terroranschlag eingeführt. Eine Verstetigung sei daher – so haben es uns die Sachverständigen übereinstimmend gesagt – aus heutiger Sicht folgerichtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte kurz darauf eingehen, um welche Vorschriften es sich handelt. Es geht zum Beispiel darum, dass unsere Nachrichtendienste jederzeit Auskünfte über Personen bei Luftfahrtunternehmen, Banken, Telekommunikations- und Telemedienanbietern verlangen können, wenn es für die Aufklärung extremistischer und terroristischer Netzwerke von zentraler Bedeutung ist. Ich glaube, dass es uns allen, egal welcher Couleur wir hier angehören, in den letzten Jahren klar geworden ist, wie wichtig es ist, dass die Sicherheitsbehörden solche Befugnisse haben. Wenn man darüber hinaus bedenkt, über welche technischen Möglichkeiten wir heute diskutieren – Mitlesen von verschlüsselten Messenger-Chats, Stichwort „Quellen-TKÜ“, das heimliche Durchsuchen und Überwachen von Computern oder die aktive Abwehr von Cyberangriffen –, dann merkt man, dass wir im Gegensatz dazu bei dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung über nicht sehr grundrechtsintensive Eingriffe reden.
Bei der einen oder anderen Regelung – das haben wir am Montag in der Anhörung auch besprochen – gibt es womöglich aufgrund von gerichtlichen Urteilen noch Anpassungsbedarf. Dazu sage ich: Eine Entfristung der Vorschriften bedeutet nicht, dass wir die Gesetze nie wieder außer Kraft setzen können. Sollte es in Deutschland einmal eine Bundesregierung und eine Koalition geben, die tatsächlich der Meinung sind, dass man diese Vorschriften nicht mehr braucht, dann kann man sie jederzeit mit Mehrheit abschaffen. Auch das ist bestimmt kein Argument gegen die Entfristung dieser Vorschriften.
Allerdings ist es definitiv eine Mammutaufgabe, all die Antiterrorgesetze, die wir im Bundestag in den letzten Jahren gemacht haben, auf die Probe zu stellen. Realistischerweise können wir das in dem fortgeschrittenen Stadium, in dem sich unsere Koalition befindet, nicht mehr leisten. Ich glaube, wir sind uns einig, dass eine so große Aufgabe am Anfang einer neuen Wahlperiode in Angriff genommen werden muss.
Ich möchte noch sagen, dass es ein großes Kompliment an unsere Nachrichtendienste ist, wenn wir feststellen, dass die Befugnisse da, wo sie erforderlich und verhältnismäßig waren – das ist das Ergebnis, zu dem wir durch die unabhängigen Evaluierungen gekommen sind; sie waren unabhängig, auch wenn man noch zehnmal etwas anderes behauptet –, immer mit Augenmaß angewendet wurden. Bestimmte Befugnisse unterliegen ja auch der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium oder durch die G 10-Kommission. Diese hat bekanntlich auch schon einmal Anträge abgelehnt. Also unterliegt auch das einer eingehenden Prüfung.
Man kann deshalb sagen: Unsere Sicherheitsbehörden beweisen einen sehr sensiblen Umgang mit den ihnen eingeräumten Befugnissen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung bzw. Verstetigung der vor 20 Jahren in Kraft getretenen Befugnisse, über den wir heute in zweiter und dritter Lesung abschließend beraten, soll zeigen: Wir haben auch nach der Entfristung vollstes Vertrauen, dass der sensible Umgang, von dem ich eben gesprochen hatte, auch in Zukunft fortbestehen wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute Nachmittag in der Aktuellen Stunde über die gegenwärtige Bedrohung aus dem islamistischen Bereich in Europa gesprochen. Genauso wenig wie der Rechtsterrorismus lässt uns der islamistische Terrorismus zur Ruhe kommen. Wir sind mitten in den Haushaltsberatungen, und ich bin froh, dass diese terroristische Herausforderung im Haushaltsbereich „innere Sicherheit“ abgebildet ist. Ich zähle jetzt nicht mehr alles auf, was wir gemacht haben. 7,5 Milliarden Euro – das ist 1 Milliarde Euro mehr für den Bereich „innere Sicherheit“ – soll die einzige Zahl sein, die ich noch nenne.
Zum Ende. Hundertprozentige Sicherheit gibt es trotzdem nicht. Dessen müssen wir uns alle immer klar sein. Aber es gibt noch unsere Leute in den Sicherheitsbehörden. Das sind die bestmöglichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die man in Sicherheitsbehörden haben kann. Deshalb lassen wir uns auch nicht einschüchtern oder auseinanderdividieren, von welchen Terroristen auch immer. Das würde den Demokratiefeinden in die Hände spielen. Angst müssen in diesem Land vor allem Terroristen und Demokratiefeinde haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Der nächste Redner ist einmal mehr der Kollege Benjamin Strasser, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481901 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Terrorismusbekämpfung |