Ulla JelpkeDIE LINKE - Terrorismusbekämpfung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition will Regelungen aus dem Terrorismusbekämpfungsgesetz entfristen lassen. Konkret geht es etwa um die Geheimdienstüberwachung von Telekommunikation, Bank- und Postverkehr. Wir sehen hier Grundrechte, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, verletzt. Außerdem wird das als Lehre aus dem Faschismus geltende Gebot der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten unterlaufen.
Das Massaker eines Faschisten in Hanau und jetzt die islamistischen Morde in Frankreich, Wien und Dresden haben die Gefahr des Terrorismus erneut verdeutlicht. Doch diese Anschläge, werte Kollegen Brand und Grötsch, können gerade nicht als Beleg für die Notwendigkeit der Antiterrorgesetze herhalten. Tatsächlich gibt es keinerlei Nachweis für die Wirksamkeit dieser Gesetze.
Als diese Gesetze nach dem Jahr 2001 verabschiedet wurden, hieß es von Regierungsseite, dass sie nur befristet gelten sollten. Jede Verlängerung war an eine Evaluationspflicht geknüpft. Doch bis heute hat die Bundesregierung keine umfassende, unabhängige, wissenschaftliche Auswertung veranlasst. Bisherige Evaluationen waren von der Logik der Geheimdienste geprägt und beinhalteten keine verfassungsrechtliche Bewertung.
(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Fachlich exzellent!)
Ich weiß nicht, auf welcher Anhörung der Kollege Grötsch am Montag war,
(Benjamin Strasser [FDP]: Das fragen wir uns auch!)
ich habe jedenfalls genau wie der Kollege Strasser festgestellt, dass die Sachverständigen und auch Ihr Sachverständiger, der Vizepräsident des BKA, keine Nachweise über den Nutzen der Gesetze bringen konnten, die hier vorliegen. Kritisiert wurde stattdessen von den Sachverständigen – von vielen, nicht von allen –, dass die Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste an zu geringe Bedingungen geknüpft und sogar verfassungswidrig sind.
Statt einer Ewigkeitsgarantie für die Grundrechtseingriffe brauchen wir einen Rückbau des Überwachungspotenzials.
(Beifall bei der LINKEN)
Die unkontrollierbaren Geheimdienste, die selbst mit ihren V-Leuten tief im faschistischen und dschihadistischen Sumpf stecken, sind ungeeignet zur Terrorismusbekämpfung.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen müssen wir viel stärker auf Präventionsarbeit setzen, auf Deradikalisierungsprojekte, auf Opferberatungsstellen und auf antifaschistische Rechercheprojekte.
(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Also lieber erst Opfer schaffen! Ganz toll!)
Noch eines möchte ich den Regierungsfraktionen mit auf den Weg geben. Erst kürzlich hat der Regierungsberater Guido Steinberg im „Tagesspiegel“ öffentlich erklärt, dass der türkische Präsident Erdogan die Dschihadisten in Europa zu entsprechenden Anschlägen antreibt. Das wäre beispielsweise ein Punkt, den man mit in die Evaluierung einbeziehen müsste. Man muss sich ernsthaft fragen: Warum bekommen solche Schergen wie Erdogan Waffen, die sie an Dschihadisten weitergeben? Das wäre ein wichtiger Punkt in der Terrorismusbekämpfung.
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Kollege Dr. Konstantin von Notz spricht erneut für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Willst du auch den Verfassungsschutz abschaffen?)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481903 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Terrorismusbekämpfung |