Volkmar KleinCDU/CSU - Staateninsolvenzverfahren
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben wir in der Tat den Antrag schon beraten und festgestellt, dass seine Analyse eigentlich sehr korrekt ist.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und gut!)
Die Analyse! Wenn es um die Umsetzung und um Lösungen geht, dann gibt es in diesem Antrag allerdings massive Defizite.
(Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Die Analyse ist richtig. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie für die Menschen in ärmeren Ländern werden dramatisch sein; das kann man auch heute schon feststellen. Absatzmärkte brechen weg, Lieferketten kollabieren: Die Wirtschaft schrumpft. Ich befürchte, das wird sogar noch schlimmer. Es wird zu einer Desinvestition kommen, wie das auch nach der Finanzkrise 2008/2009 der Fall gewesen ist, wie man beispielsweise in den Monatsberichten der Bundesbank aus den Jahren 2010/2011 nachlesen kann. Denn Banken müssen Abschreibungen vornehmen, verlieren Eigenkapital, stehen unter Konsolidierungsdruck, werden risikoaverser und werden weniger grenzüberschreitende Kredite geben. Darunter werden die Schwellenländer und Entwicklungsländer leiden.
Die Analyse, dass die Staatshaushalte der Entwicklungsländer in Mitleidenschaft geraten, ist ebenso richtig. Viele Länder brauchen akut Hilfe. Sie brauchen aber vor allen Dingen dauerhafte finanzielle Stabilität. Das ist, glaube ich, wichtig für die gesamte Staatengemeinschaft. Das ist aber gerade für uns als Deutschland, als exportorientiertes Land besonders wichtig. Stabilität in aller Welt ist am Ende gut für alle.
Das ist der Staatengemeinschaft auch bewusst. Deswegen wurde auch schon eine ganze Menge unternommen. Der Internationale Währungsfonds hat 81 Länder mit Krediten unterstützt. Die Weltbank hat als Initiative ein Schuldenmoratorium gestartet; sie hat 77 der ärmsten Länder identifiziert, die berechtigt gewesen wären, an dieser Stundung von Schuldendienstleistungen teilzunehmen. Die Idee ist, Zeit zu kaufen, um Lösungen zu finden. In der Zwischenzeit wurde dieses Moratorium bis Mitte 2021 verlängert. Allerdings haben von diesen 77 Ländern nur 46 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Aus guten Gründen: Denn wie vor 20 Jahren bei der HIPC-Initiative – einer Entschuldungsinitiative, die auch sehr kontrovers diskutiert wurde – wird um die Bonität gefürchtet.
Ich will drei Probleme nennen:
Erstens: die Bonität. Die Länder machen sich Sorgen, dass sie, wenn sie bei dem Moratorium mitmachen, anschließend keine Kredite mehr auf dem internationalen Markt bekommen werden, die sie aber unbedingt brauchen, um Investitionen zu finanzieren. Das Argument, das oft zu hören ist, dass ein Schuldenerlass am Ende die Bonität größer mache, ist eigentlich ein Scheinargument.
(Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil?)
Denn hier geht es um die Zukunft und nicht um eine Momentaufnahme. Und wenn in der Vergangenheit das Versprechen auf Rückzahlung gebrochen wurde, wie ist es dann in Zukunft? Wer ist denn in Zukunft noch bereit, diesen Ländern Kredit zu geben? Das ist schwierig.
Das zweite Problem: private Gläubiger. Sie sind in diesem Moratorium der Weltbank noch nicht einmal vorgesehen. Trotzdem sind die Länder sehr zurückhaltend, daran teilzunehmen, weil sie um die Bonität fürchten. Ich glaube, dass wir für eine komplette Lösung eigentlich die privaten Gläubiger miteinbeziehen müssten; denn es ist kaum zu vermitteln, dass die öffentlichen Kreditgeber und Steuerzahler Ausfälle haben, private Gläubiger aber nicht. Nur, diesen Wunsch einfach zu beschreiben, reicht nicht. Leider ist es schwierig, eine entsprechende Lösung zu finden.
Das dritte Problem – auch an dieser Stelle sage ich es noch mal deutlich – ist die Einbeziehung Chinas. Die Kooperationsbereitschaft ist fraglich. Das sieht man schon am Moratorium. Es verpflichtet diejenigen, die teilnehmen, ihre Zahlen offenzulegen, und es schafft somit zumindest einmal Transparenz darüber, wie hoch die chinesischen Kredite an die jeweiligen Länder überhaupt sind. Das ist entscheidend, um eine Lösung zu finden.
Aber China zeigt sich nicht besonders kooperativ. Das zeigt sich zum einen daran, dass Staatspräsident Xi beim jüngsten Gipfel mit den europäischen Partnern das Angebot ausgeschlagen hat, an einem gemeinsamen Umgang mit den verschuldeten Staaten zu arbeiten. Und jetzt beim Moratorium sind die Chinesen beispielsweise der Meinung, dass sämtliche chinesischen Kredite der China Development Bank private Kredite seien und deshalb nicht unter das Moratorium fallen; das können wir eigentlich nicht akzeptieren.
Wir beobachten gleichzeitig, dass die Chinesen gegenwärtig dabei sind, das Problem noch viel größer zu machen; denn die Seidenstraßen-Initiative sorgt ja dafür, dass immer mehr Geld in Länder fließt, die anschließend nicht in der Lage sein werden, alles zurückzuzahlen.
Die Probleme sind groß. Entscheidend ist aber, glaube ich, dass ein Schuldenerlass ohnehin ja nur ein Kurieren an Symptomen wäre; dadurch wird das eigentliche Problem längst nicht gelöst. Die verschuldeten Länder brauchen funktionierende Wirtschaftssysteme und Wertschöpfung. Die Menschen brauchen Jobs, Chancen und Perspektiven, damit sie dann als Steuerzahler in der Lage sind, ihre Länder zu finanzieren; darüber müssen wir reden. Das heißt, wenn Gespräche über Schulden geführt werden, dann müssen gleichzeitig auch Reformgespräche stattfinden, damit es eben nicht beim Herumkurieren an Symptomen bleibt, sondern die eigentlichen Probleme wirklich gelöst werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Nächster Redner ist der Kollege Markus Frohnmaier, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481914 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Staateninsolvenzverfahren |