06.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 27

Bärbel BasSPD - Corona-Maßnahmen

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, die aktuelle Zahl der Infektionen – mehr als 21 000 – ist ein absolut entscheidender Wert

(Martin Reichardt [AfD]: Ich dachte, das machen Sie nicht mehr!)

und zeigt, dass Handlungsbedarf gegeben war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass er dringend gegeben war und wir jetzt handeln mussten, sagt diese Zahl, glaube ich, auch. Wir können froh sein, dass viele Erkrankungen einen milden Verlauf nehmen. Aber dass es eben auch schwere Verläufe gibt, das kann selbst eine AfD-Fraktion nicht ignorieren. Wenn sie darauf pocht, dass das Gesundheitswesen eben nicht kollabieren darf, dann muss man jetzt auch Maßnahmen ergreifen, damit die Zahlen wieder nachzuverfolgen sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Anders geht es nicht, und das kann man nicht ignorieren.

Man kann sich über die Maßnahmen streiten – das tun alle – und sich durchaus mit einzelnen Maßnahmen auseinandersetzen. Auf der einen Seite gibt es die, die sagen: „Es ist noch viel zu wenig, was wir jetzt machen“, weil sie Angst davor haben, dass die Zahlen weiter steigen. Auf der anderen Seite gibt es viele, die sagen: Das ist alles unnütz; das brauchen wir nicht. Es reicht, wenn wir ein paar Präventionskonzepte haben. – Dabei beziehen Sie sich auf ein Gutachten, liebe Kollegen der AfD, und instrumentalisieren dieses. Einige Verbände distanzieren sich mittlerweile schon vom Gutachten dieser Ärzte. Dass darin keine Lösung steht, sieht man, wenn man einmal mit klugen Augen auf dieses Konzept schaut.

(Martin Reichardt [AfD]: Das kann jetzt bei Ihnen nicht der Fall gewesen sein!)

– Bei Ihnen ist das nicht der Fall.

(Martin Reichardt [AfD]: Bei Ihnen nicht!)

Es wird keine Lösung zur aktuellen Situation angeboten, und selbst der Kollege der KBV, Gassen, muss zugeben, dass er im Moment kein Konzept hat, die Zahlen zu senken.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja!)

Sein Konzept – das gilt auch für die Konzepte von Streeck und anderen – wirkt erst, wenn wir die Zahlen wieder im Griff haben. Erst dann können wir mit präventiven Maßnahmen weiter vorgehen. Ich sehe es übrigens auch so, dass das zwingend erforderlich ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie zitieren einerseits ein Gutachten von angesehenen Medizinern und verklagen andererseits den Bundestag, weil Sie die Maske nicht tragen wollen.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist Dialektik!)

Übrigens steht in diesen Konzepten auch, dass Masken zu tragen sind; die AHA-Regeln werden da propagiert. Sie aber stellen sich hierhin und sagen, Sie wollen Schutzkonzepte für den Pflegedienst, und tragen zum Schutz von uns allen hier selber nicht mal eine Maske.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Hier ist ja auch keine Krankenstation!)

Das ist Instrumentalisieren, und wenn ich Wissenschaftler wäre, würde ich mich schämen, dass Sie diese Konzepte als Kronzeugen für Ihre kruden Thesen benutzen. Dann gibt es auch noch Leute bei Ihnen, die die Pandemie komplett leugnen. Da sind Sie ein bisschen gespalten und auch schizophren. Ich frage mich: Was wollen Sie denn jetzt? Wollen Sie Schutzkonzepte, oder gibt es die Pandemie gar nicht? Sie müssen sich mal einigen, was Sie wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Lage ist ernst; das steht auf jeden Fall fest. Deshalb bin ich froh, dass sich so viele, insbesondere auch in den Ländern, dafür entschieden haben, bundesweit einheitlich zu handeln. Das ist ein wichtiger Schritt, und wir haben auch als Parlamentarierinnen und Parlamentarier lange angemahnt, diesen zu gehen.

Ich finde es wichtig, dass wir Kitas und Schulen geöffnet lassen. Ich sage aber auch – das habe ich hier an diesem Pult schon in einem anderen Zusammenhang gesagt –, dass das natürlich nicht geht: Schulen wie zum Beispiel in Solingen entwickeln weitere Konzepte, und die werden dann von der Landesregierung und leider einer FDP-Kultusministerin verboten.

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU] – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist unfassbar!)

Wenn es um Schutzkonzepte geht, wenn man Teilunterricht möglich machen will, wenn man digital arbeiten will und das am Ende aufgrund einer komischen Begründung nicht umgesetzt werden kann, das finde ich schon skandalös.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])

Wir sollten uns alle stärker dafür einsetzen, präventive Konzepte durchzusetzen.

Dass man um einzelne Maßnahmen streiten kann, sehe ich auch so. Die Bereiche Gastronomie, Kultur und Veranstaltungen sind schon seit Beginn dieser Pandemie in Schwierigkeiten.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Die werden gerade ruiniert, Frau Kollegin!)

Entscheidend ist aber, dass wir die Zahl der Kontakte insgesamt reduzieren. Selbst wenn wir uns darauf einigen, weitere Bereiche offen zu lassen, muss uns bewusst sein, dass wir damit weitere Kontakte ermöglichen und dadurch weitere Infektionen möglich sind; das können wir nicht ausschließen. Deshalb ist dies eine politische Abwägung. Ich bin Olaf Scholz und dem Rest der Bundesregierung dankbar, dass wir mit 10 Milliarden Euro genau diese Branchen zielgerichtet und schnell unterstützen. Das ist wichtig, und das brauchen die auch. Das muss jetzt schnell umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ein paar Worte noch zur Beteiligung der Parlamente und zur Rechtssicherheit; mein Kollege Dirk Wiese wird gleich noch genauer darauf eingehen. Nachdem wir in den Debatten der letzten Tage darauf gedrängt haben und nachdem die Gerichte ihre ersten Urteile dazu verfasst haben, bin ich sehr froh, dass unser Koalitionspartner auch zu dem Schluss gekommen ist, dass die Abwägung zwischen dem Eingriff in Freiheitsrechte und dem Gesundheitsschutz besser erklärt werden muss. Es ist für uns alle gut, wenn wir auch mit den Bürgerinnen und Bürgern draußen in die Diskussion gehen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben wir aber 70-mal debattiert!)

– Dass wir hier im Bundestag schon sehr oft über das Thema gesprochen haben, stimmt.

Auf der einen Seite ist es wichtig, dass die Länder die Sicherheit von uns hier bekommen und wir die Rahmenbedingungen so setzen, dass sie trotz Infektionsgeschehen, das unterschiedlich sein kann, noch einen Spielraum haben; das sage ich als Gesundheitspolitikerin. Aber auf der anderen Seite müssen wir es so rechtssicher gestalten, dass uns die Maßnahmen, die wir – hoffentlich in überwiegender Zahl – für dringend notwendig halten, nicht am Ende um die Ohren fliegen.

Ich bin dankbar, dass jetzt Bewegung in die Sache gekommen ist und wir einen § 28a in das Gesetz einfügen. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, noch weiterzudenken, und zwar in Richtung einer Novelle des Infektionsschutzgesetzes insgesamt. Es muss auch darum gehen – den Rest wird sicherlich mein Kollege noch ausführen –, wie wir bestimmte Dinge mit einer Parlamentsbeteiligung regeln, ob in einem Ausschuss oder in einem Pandemierat. Ich denke, da muss Gesprächsbereitschaft da sein.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das sollten wir im Rahmen der weiteren Debatte und im Verlauf des Verfahrens angehen; heute ist ja die erste Lesung. Wir haben durchaus noch Möglichkeiten, uns auszutauschen.

Es ist für uns alle gut, glaube ich, dass die Parlamentsbeteiligung – wir hier im Bundestag haben viel über die Pandemie diskutiert; aber viele Länderparlamente haben das nicht getan – insgesamt ein bisschen gestärkt wird. Das schadet uns allen nicht. Insofern lautet mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir das neben den Maßnahmen, die wir bisher ergriffen haben, noch ein Stück besser machen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Lindner.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7481964
Wahlperiode 19
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Corona-Maßnahmen
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