Marco Bülowfraktionslos - Corona-Maßnahmen
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstens. Die Parlamente sind in einer Demokratie die Entscheidungsmitte. Nur, genau diese Entscheidungsmitte verlieren Sie immer mehr. Wir erleben insgesamt, auch schon vor Corona, dass die meisten Gesetzentwürfe, vor allen Dingen diejenigen, die dann beschlossen werden, von der Regierung geschrieben werden, häufig ausgehandelt mit Lobbyisten, immer weniger mit dem Parlament und noch weniger mit der Bevölkerung.
Jetzt fangen wir in Krisenzeiten an, diese Entscheidungsmitte noch weiter an den Rand zu drücken und Entscheidungen – wichtige Entscheidungen, einschneidende Entscheidungen – vor allen Dingen auf Ministerpräsidenten und die Kanzlerin zu verlagern. Genau diesen Weg dürfen wir nicht gehen! Die Entscheidungsmitte muss gewahrt bleiben, gerade in Krisenzeiten, zumal wir ja Entscheidungen treffen können; wir sitzen ja heute hier zusammen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie den Gesetzentwurf gelesen?)
Der zweite Punkt. Wenn wir die Spaltung eben nicht haben wollen, wenn wir nicht denen einen Dienst erweisen wollen, die gar nicht daran glauben, dass es ein Virus gibt, und wenn wir dieses Virus richtig ernst nehmen, dann sollten wir die Bevölkerung stärker miteinbeziehen. Denn dieses Virus und seine Auswirkungen werden wir auch im nächsten Jahr noch erleben. Es wird noch einiges auf uns zukommen. Alleine die Nachrichten aus Dänemark zum Beispiel über das mutierte Virus machen mich sehr sorgenvoll. Wir brauchen eine Versammlung der Bürgerinnen und Bürger, die einberufen wird und bei der die Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen und mit darüber beraten, wie mit den Auswirkungen dieser Pandemie umgegangen werden soll. Genau dafür sollten wir uns einsetzen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das Parlament!)
Wir brauchen drittens – deswegen brauchen wir die Parlamente und eben auch die Menschen vor Ort und insgesamt die Bürgerinnen und Bürger – endlich eine Diskussion darüber, wer denn die Lasten zu tragen hat, weil die Lasten im Augenblick sehr ungleich verteilt sind. Es ist ja schön – darüber werden wir später noch reden –, dass die Gastronomen jetzt eine Unterstützung bekommen. Aber, Herr Nüßlein, was ich nicht verstanden habe – vielleicht sind Sie genauso weit entfernt von den Menschen vor Ort –: Die gastronomischen Einrichtungen waren nicht leer, bevor der Lockdown kam. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist; bei uns war das nicht so.
(Zuruf des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])
Die Gastronomen werden entlastet; das ist gut. Aber viele andere – Kreative, Wirtschaft, Selbstständige usw. – kämpfen um ihre Existenz. Für die ist dieser zweite Lockdown existenzgefährdend.
Viele andere Menschen in diesem Land sind auch am Limit. Die Lasten sind sehr ungleich verteilt, vor allen Dingen, weil andere in diesem Land daraus Profit schlagen. Deswegen müssen wir doch mal sehen, wer diese Lasten zu tragen hat. Es kann nicht sein, dass wir am Ende, wie jetzt bei den Haushaltsberatungen, Haushaltsposten kürzen und die Menschen irgendwann den Gürtel noch enger schnallen müssen. Das funktioniert eben nicht.
Auf der anderen Seite haben wir in diesem Land die dritthöchste Zahl an Milliardären überhaupt auf dieser Welt. Es gibt genug Statistiken, die zeigen, dass diese Milliardäre in diesem Jahr auch noch weitere Profite gemacht haben, weitere Milliarden gescheffelt haben. Wann beteiligen wir endlich die Gesamtbevölkerung an den Lasten und nicht nur einen Teil? Dahin müssten wir kommen, und dazu brauchen wir Parlamente und die Bürgerinnen und Bürger.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Thorsten Frei, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481974 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Maßnahmen |