Bernhard LoosCDU/CSU - Automobilindustrie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP spricht in ihrem Antrag von einem „Job-Kahlschlag“ und suggeriert, dass die Bundesregierung der aktive Verursacher der Probleme der Branche sei. Woanders sagt man dazu: Das sind Fake News. – Lieber Kollege Theurer, schlimmer noch: Sie reden bewusst die deutsche Schlüsselindustrie schlecht, die mit mehr als 900 000 Beschäftigten 10 Prozent zur Bruttowertschöpfung unseres Landes beiträgt.
(Michael Theurer [FDP]: Wir?)
Sie schädigen damit das Image der ganzen deutschen Industrie weltweit. Ich habe an anderer Stelle schon mal gesagt, dass es Zeiten gegeben hat, in denen ich von der FDP etwas anderes erwartet hätte.
Sie sprechen in Ihrem Antrag von einseitiger Förderung der Elektromobilität und von politischen Wunschvorstellungen, die den globalen Märkten nicht entsprechen. Ich sage Ihnen: Wir stehen für Technologieoffenheit, aber auch für Unterstützung, und zwar da, wo die deutsche Industrie einen offenkundigen Nachholbedarf hat; Stichwort: E-Mobilität. Der VW-Chef, Herr Diess, setzt voll auf E‑Mobilität. BMW will bald jeden dritten Mini in China verkaufen, natürlich als E-Mobil. Tesla baut ein Megawerk für E-Autos in Berlin. Sind das also nur Wunschvorstellungen der Bundesregierung? – Nein, das ist die Realität des Marktes, und das sollte gerade die FDP zumindest zur Kenntnis nehmen.
(Michael Theurer [FDP]: Es gibt da keinen Markt!)
Die Zahl der Förderanträge für E-Automobile steigt gerade an. Im Oktober hatten wir 33 000 Anträge, seit Juli waren es rund 100 000 Anträge.
(Oliver Luksic [FDP]: Wirklich toll!)
Das ist eine echte Förderung der Automobilindustrie und eben kein Kahlschlag.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Mit Steuergeldern!)
Dieser FDP-Antrag ist eine hastige Zusammenstellung aller möglichen Überlegungen, vom Abschluss von Freihandelsabkommen über die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge und einen fairen internationalen Steuerwettbewerb bis hin zum Fachkräftemangel. Als Unionsmann kann ich vieles davon unterschreiben. Aber mal ganz ehrlich: Sind das wirklich die Punkte, die jetzt konkret und schnell den Beschäftigten der Automobilindustrie helfen und ihre Arbeitsplätze sichern? Ihre Forderung nach Abschaffung der CO
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die haben auch keine Autoindustrie! – Michael Theurer [FDP]: In der EU kenne ich mich wesentlich besser aus als Sie! Haben Sie schon mal im EU-Parlament gekämpft?)
Lassen Sie uns lieber über die wichtigen Punkte für die Automobilindustrie reden: Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren, Digitalisierung, Förderung von Autobau und Eigenkapital für Zulieferer. Genau das macht die Bundesregierung schon; dafür braucht es keinen verspäteten Antrag der FDP.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ja, ich kenne die Zahlen der Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“ mit rund 410 000 gefährdeten Arbeitsplätzen in den kommenden zehn Jahren. Aber schon vor der Coronakrise sprach der Verband der Automobilindustrie von rund 70 000 gefährdeten Arbeitsplätzen in der Fertigung von Verbrennerantriebssträngen.
Wir von der Union wollen die Automobilwirtschaft dabei unterstützen, fit zu sein für die Zukunftsherausforderungen einer sich weltweit wandelnden Mobilität. Wir brauchen einen Neustart für die Zukunftsidee des Automobils.
Im Konjunkturprogramm ist unter Ziffer 35 c bereits ein Förderprogramm für Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und der Zulieferindustrie mit einem Gesamtvolumen von 2 Milliarden Euro aufgelegt. Wir haben den Transformationsdialog Automobilindustrie bereits ins Laufen gebracht, um Zukunftstechnologien auf marktwirtschaftlicher Basis in den regionalen Räumen zu verankern, um dort neue Perspektiven und neue Arbeitsplätze zu schaffen. IG-Metall-Chef Jörg Hoffmann hat es doch im Wirtschaftsausschuss auf den Punkt gebracht: Arbeitsplatzverluste müssen in der jeweiligen Region kompensiert werden.
Vor allem die Zulieferindustrie müssen wir aktiv unterstützen. Für die rund 1 000 Zulieferer in Deutschland ist ein Strukturfonds aus meiner Sicht der richtige Weg. Ich danke Gewerkschaft, Industrie und dem Bundeswirtschaftsminister Altmaier, dass über einen solchen Transformationsfonds in Milliardenvolumen nachgedacht wird. Es ist besser, wir gestalten den Wandel jetzt mit, und zwar positiv, als einer Entwicklung hinterherzulaufen.
Der Export ist für die deutsche Automobilwirtschaft eminent wichtig. Globale Heraus- und Anforderungen des Weltmarktes sind entscheidend. Ein Blick nach China, wo ich als Unternehmer öfter selber bin, aber auch nach Kalifornien zeigt es doch: Wir reden von einem globalen Trend.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Ach was!)
Allein in China gab es 2019 rund 500 Hersteller von E-Fahrzeugen,
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: 1 Prozent Marktanteil!)
und Tesla aus den USA ist ja mittlerweile auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Daher müssen wir, die Politik, die Industrie beim Technologiewandel unterstützen. Das ist doch der Grund, warum der Bund die Batteriezellenforschung massiv voranbringen will.
Ich gebe der VDA-Präsidentin Hildegard Müller recht, dass wir auch beim Bau der öffentlichen Ladeinfrastruktur vieles besser machen müssen. Ohne ausreichende Ladestationen auch im ländlichen Raum gibt es keine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit;
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Nicht mal damit!)
3 300 Schnellladepunkte im öffentlichen Raum und 28 000 in den Kommunen sind zu wenig. Dazu gehört natürlich auch ein einheitliches Ladeabrechnungssystem.
Wir müssen natürlich technologieneutral sein. Dazu zählen für mich synthetische Kraftstoffe, verbesserte Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen und Wasserstoff. Japan und China setzen voll auf Wasserstoff, und auch deutsche Automobilbauer sind am Entwickeln. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, VDMA, geht allein im Bereich Wasserstoff von bis zu 470 000 neuen Arbeitsplätzen in Deutschland bis 2050 aus.
Natürlich hat Markus Söder völlig recht, wenn er im „Handelsblatt“ am 12. Oktober sagt:
Ab 2035 sollte es keine Neuzulassungen von fossilen Verbrennern mehr geben, dafür aber Elektro-, Wasserstoff- oder Biospritantriebe.
Das sei technologisch und ökonomisch gut machbar.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Solche Anreizmodelle mit verlässlicher Perspektive für die Produktion von E-Autos helfen der Automobilwirtschaft und der Umwelt. Veränderungen sind Chancen, keine Bedrohungen. Optimismus statt Pessimismus, das unterscheidet uns von Ihnen.
Herr Kollege!
Wir bringen Deutschland voran.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Bernhard Loos. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Dirk Spaniel.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481986 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Automobilindustrie |