06.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 31

Carsten MüllerCDU/CSU - Gewerbemieten in der Corona-Krise

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Sehr geehrter Herr Präsident, Sie haben jedenfalls bei der Wahl Ihres Geburtsortes alles richtig gemacht und sich Braunschweig ausgesucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherlich schränkt uns die pandemische Lage im Moment alle ein, die Gewerbetreibenden in Sonderheit. Die Große Koalition und die Bundesregierung haben darauf mit umfangreichen Hilfsprogrammen reagiert, die bei Bedarf angepasst werden. Solche Bedarfe erleben wird gerade, und deswegen wird angepasst.

Die verschiedenen Anträge, die hier zur Beratung stehen, befassen sich vor allem mit dem Thema Gewerbemietrecht. Eine kleine Ausnahme bildet allerdings der Antrag der FDP. Da ist noch allerhand anderes reingerührt. Ich weiß gar nicht, ob Sie sich das selber durchgelesen haben. In Ihrem Forderungskatalog finden wir weite Passagen, die wir auch schon beim vorvorletzten Tagesordnungspunkt, als es um die Automobilwirtschaft ging, auf dem Tisch hatten. Das ist ein mehr oder weniger angeblich liberaler Kolonialwarenladen, den Sie hier ins Gespräch bringen.

(Widerspruch bei der FDP)

Aber wir wollen zurück zum Thema kommen.

(Zuruf von der FDP: Wir wollen nach Hause!)

Die Grünen und die Linksfraktion schlagen Eingriffe in Gewerbemietverträge vor. Meine Damen und Herren, es gibt, wie gesagt, einerseits umfangreiche Hilfen der Bundesregierung, es gibt aber andererseits bereits heute rechtliche Regelungen, die eine ganze Palette von Anpassungsmöglichkeiten bieten, zum Beispiel § 536 BGB zum Thema Mietminderung

(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

oder auch im Grundsatz die Störung der Geschäftsgrundlage, die in § 313 BGB geregelt ist. Damit sind ganz individuelle Lösungen zwischen den Vertragsparteien möglich, zielgenau und, wie gesagt, abgestellt auf die jeweilige konkrete Situation. Und was über all dem schwebt, ist das hohe Gut der Vertragsfreiheit. Deswegen tun wir uns sehr schwer, uns Ihren Vorschlägen zu öffnen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist: Die hier vorgeschlagenen Regelungen unterscheiden sich wesentlich von dem zeitlich befristeten und klar definierten Mietmoratorium im Zuge der Coronagesetzgebung im Frühjahr. Wir haben explizit geregelt, dass eine Kündigung aufgrund von coronabedingten Zahlungsverzögerungen nicht in Betracht kommt und damit den Mieterschutz angehoben.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Und wie ist das jetzt?)

In Urteilen einiger Landgerichte ist tatsächlich die Frage aufgeworfen worden, ob mit dieser seinerzeitigen Regelung die Anwendung des § 313 BGB ausgeschlossen sein soll. Dazu kann von dieser Stelle ganz klar Nein gesagt werden. Das war zu keinem Zeitpunkt intendiert, und das ist auch überhaupt nicht intendiert; das findet sich im Übrigen in allen zur Beratung herbeigezogenen Unterlagen und Ausführungen wieder.

Sie befürworten die Ergänzung des Wortes „Pandemie“ in § 313 BGB, aber übersehen, dass das zu gar keiner rechtlichen Klarstellung führt, weil Sie bestenfalls die rechtliche Erörterung von der Frage des Ob auf die Frage des Wie verlagern. Deswegen sind Ihre Vorschläge leider untauglich. Wir wollen weiterhin die Einzelfallentscheidung vor Gericht haben.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt viele Insolvenzen bei Einzelfallentscheidungen vor Gericht!)

Meine Damen und Herren, bei den Diskussionen ist verschiedentlich der Hinweis auf den Artikel 1104 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches der Republik Österreich angeführt worden. Das ist eine Regelung, die seit knapp 105 Jahren dort gilt. Verschiedentlich wird gesagt, man möge etwas Ähnliches auch hier einführen. Das ist aus unserer Sicht im Moment jedoch ungeeignet, weil unsere Kodifikation anders aufgebaut ist und anders funktioniert und die bestehenden Gewerbemietverträge vor dem Hintergrund unserer jetzigen Kodifikation geschlossen sind. Das kann man vielleicht später einmal erörtern, aber erst dann, wenn Zeit dazu ist und wenn es geboten ist.

Ich will noch einmal auf das Thema „Kriterium der Einzelfallbetrachtung“ abstellen. In Ihren Ausführungen und auch eben in Ihrem Redebeitrag, Frau Kollegin Müller, haben Sie das Bild gezeichnet, dass den großen Immobilienkonzernen, die auf der einen Seite stehen, die kleinen Mieter, die auf der anderen Seite stehen, schutzlos ausgeliefert sind. Das mag in einigen Bereichen der Republik so sein. Wenn ich allerdings meinen Blick nach Schöningen in den Landkreis Helmstedt oder in die schöne Bergstadt Altenau in den Oberharz werfe, stelle ich fest: Da ist das Kräfteverhältnis zwischen Vermietern und Mietern genau umgekehrt. Da gibt es keine Übernachfrage von Mietern; da ist der Mieter in der stärkeren Situation. Darauf geben Ihre Vorschläge überhaupt keine Antwort.

(Zurufe der Abg. Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mithin: Die geltende Rechtslage ist geeignet, die anstehenden großen Probleme zu lösen. Noch geeigneter sind die Hilfen der Bundesregierung, die die Große Koalition fortlaufend weiterentwickelt. Deswegen wird Ihren Anträgen die Zustimmung der Unionsfraktion verweigert werden müssen.

(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hoffe, die ganzen kleinen Gewerbetreibenden haben das gehört! – Gegenruf des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Und die ganzen kleinen Vermieter auch!)

Herzlichen Dank, Herr Müller. – Nächster Redner ist der Kollege Udo Hemmelgarn, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7482021
Wahlperiode 19
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Gewerbemieten in der Corona-Krise
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