06.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 31

Volker UllrichCDU/CSU - Gewerbemieten in der Corona-Krise

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Coronapandemie hat in der Tat sehr viele Gastronomen, Kleingewerbetreibende und Vertreter der Veranstaltungswirtschaft in eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation gebracht. Für nicht wenige ist das in der Tat existenzbedrohend. Deswegen – das will ich zunächst einmal festhalten – war es richtig, dass wir im März in einer unklaren Pandemielage vor dem Hintergrund der anlaufenden wirtschaftlichen Hilfen beschlossen haben, ein Mietmoratorium einzuführen. „ Mietmoratorium“ heißt übrigens nicht, dass die Zahlungspflicht aufgehoben ist. Vielmehr haben wir nur gesagt, dass demjenigen, der nicht bezahlen kann, nicht gekündigt werden darf. Ich denke, das war in dieser Situation richtig, um den Menschen Sicherheit zu geben.

Jetzt stehen wir aber vor einer anderen und etwas komplexeren Situation, und das Recht muss sich immer auch auf die Situation beziehen, die vorgefunden wird. Wir haben bei den Gewerbemieten völlig unterschiedliche Situationen: Wir haben Gewerbemietobjekte, gerade im Einzelhandel, die überhaupt nicht betroffen sind von den pandemiebedingten Einschränkungen. Wir haben Gastronomieobjekte, die in der Tat nicht öffnen können, oder solche Objekte, die einen eingeschränkten Geschäftsbetrieb haben, beispielsweise Hotels, die keine Touristen, aber sehr wohl noch Geschäftsreisende aufnehmen dürfen.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir eine differenzierte Antwort. Kein Gesetz der Welt, auch nicht im bürgerlichen Recht, kann jeden Einzelfall lösen. Vielmehr haben wird uns im bürgerlichen Recht darauf verständigt – übrigens seit 100 Jahren –, dass das Recht die grundlegenden Voraussetzungen bestimmt, aber der Einzelfall verhandelt wird oder gegebenenfalls vor Gericht entschieden wird. Aber das Gesetz kann und wird nicht alles lösen können, meine Damen und Herren.

Vor diesem Hintergrund bitte ich darum, dass wir uns den § 313 Bürgerliches Gesetzbuch sehr genau ansehen.

(Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In diesem Paragraf geht es um den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es war übrigens lange Zeit nur eine Formel der Rechtsprechung, die 2002 aber ins bürgerliche Recht aufgenommen worden ist. Haben sich wesentliche Umstände geändert, kann das dazu führen, dass die Parteien jeweils eine Änderung der Vertragsbeziehungen erzwingen können, auf dem Verhandlungsweg oder vor Gericht, und zwar so, wie es dem jeweiligen Vertrag entspricht. Deswegen können auch Vorschläge, bei denen gesagt wird: „Wir machen halbe-halbe oder 30 Prozent“, manchen Umständen nicht gerecht werden. Wir wollen aber, dass eine Regelung so ausgefüllt wird, dass sie jedem Einzelfall gerecht wird. Das geht am Ende des Tages rechtlich gesehen nur durch eine Generalklausel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Es ist in der Tat nicht vertretbar, dass die Risikoverteilung, gerade auch bei den coronabedingten Schließungen, einseitig zulasten der Mieter vorgenommen wird. Auch die Vermieter müssen ihren Beitrag dazu leisten, wenn sich gesamtgesellschaftlich ein Risiko verwirklicht hat.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Aber das muss eben in der Generalklausel bleiben, meine Damen und Herren.

Wichtig ist aber auch: Wir können diese Risikoverteilung nur dann fordern, wenn der Staat, der die Schließung anordnet, entsprechend für Kompensation sorgt. Deswegen ist unser wichtigster Punkt heute auch, dass wir unseren Blick auf die Hilfen richten, die jetzt ausgereicht werden. Da gibt es für uns zwei Dinge, die nicht verhandelbar sind und die wir durchsetzen werden.

Zum einen: Diese Hilfen müssen schnell und unkompliziert beantragt werden können, ohne viel Bürokratie, mit einfachen Internetplattformen, die dafür Sorge tragen, dass die davon Betroffenen schnell ihre Daten eingeben können.

Der zweite Punkt ist: Die Hilfen müssen auch schnell und unkompliziert ausbezahlt werden. Es kann nicht sein, dass die Auszahlung der Hilfen, die jetzt für November kommen, einen ähnlichen langen Zeitraum erfordert wie im März und im April, wo die Auszahlung der Hilfen viele Wochen gedauert hat. Hilfen müssen also schnell ausgezahlt werden, und sie müssen bald kommen. Dafür werden wir Sorge tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Letztlich müssen wir die Situation so lösen, dass wir auf der einen Seite die Risikoverteilung zwischen Vermietern und Mietern über § 313 BGB gesamtgesellschaftlich vornehmen, aber als Staat den Unternehmern dort, wo sie es nicht zu verantworten haben, auch zur Seite stehen durch ein großes, umfassendes Hilfspaket, das wir in den nächsten Tagen auf den Weg bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Nächster Redner ist der Kollege Jens Maier, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der SPD: Ist das eine Maske? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Morgen ist das ein Häkeltuch! Wir kennen das!)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7482026
Wahlperiode 19
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Gewerbemieten in der Corona-Krise
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