06.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 31

Klaus MindrupSPD - Gewerbemieten in der Corona-Krise

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist ja schon angesprochen worden: Im Sommer dieses Jahres hätte die SPD-Fraktion und die gesamte SPD, auch die Mitglieder des Bundeskabinetts, das Mietenmoratorium gerne verlängert. Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich aus dem „Tagesspiegel“ vom 30. Juni dieses Jahres zitieren:

„Eine Verlängerung der coronabedingten Sonderregelungen wäre ein völlig verfehltes Signal“, sagte Jan-Marco Luczak, der rechts- und verbraucherpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel. „ Wir setzen gerade alles daran, zur Normalität zurückzukehren und das Wirtschaftsleben ans Laufen zu bringen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte es mir gerne gewünscht, dass wir wieder Normalität haben. Ich hätte es mir gerne gewünscht, dass das Virus überwunden ist. Aber es war schon damals klar, dass das nicht der Fall sein wird. Die Prämisse der Entscheidung der Bundesregierung damals war falsch; also ist die Entscheidung auch falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Die Pandemie ist nicht überwunden, und ich bin wirklich verwundert über das, was die AfD hier in den Reden gesagt hat: dass wir überzogene Maßnahmen hätten. Wir haben in Deutschland immer noch einen Lockdown light. Schauen Sie sich die Infektionszahlen in unseren Nachbarstaaten an. Schauen Sie sich vor allem die Infektionszahlen in den Ländern an, die auf Mund-Nase-Schutz verzichtet haben; da explodieren die Zahlen bis hin zum Zusammenbruch des Gesundheitswesens. Ich möchte in Deutschland keine Triage erleben; ich möchte sie nie erleben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Tragen von Mund-Nase-Schutz ist also eine einfache Maßnahme, die Menschenleben retten kann. Schauen Sie sich Japan an, um zu verstehen, wie weit man in dieser Frage mit Disziplin kommen kann. Es liegt an uns allen, und jeder, der sich nicht so verhält, gefährdet das Leben anderer Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Kollege Daldrup hat aber auch – an dieser Stelle komme ich wieder zurück zum Hauptthema – angesprochen, dass die Fördermittel nicht richtig abfließen; das ist eine Schlüsselfrage in dieser Pandemie. Die Pandemie wird sich nicht unserer Bürokratie anpassen. Wir müssen in vielen Punkten – das Bundeswirtschaftsministerium war ja adressiert worden – schneller und besser werden, damit die Hilfen bei den Betroffenen auch ankommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Die Zahlen, die ich von der DEHOGA zu Mahnungen und Kündigungen im Bereich Gastronomie und Hotellerie habe, sind wirklich dramatisch. Es ist gut – das ist ja auch schon positiv angesprochen worden –, dass wir in der Novemberhilfe einen anderen Weg gehen. Da möchte ich mich ausdrücklich bei Olaf Scholz bedanken. Es ist richtig, dass wir dort umsatzbezogen handeln. Aber bei den anderen Hilfen ist das eben noch nicht passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht darum, dass wir weiter lebenswerte Innenstädte und Dörfer haben.

Jetzt kommen wir zu der Frage des § 313 BGB. Ich bin kein Jurist; aber ich habe Lebenspraxis. Ich bin Aufsichtsrat in einer Wohnungsbaugenossenschaft. Wir konnten entscheiden, dass unsere Mieterinnen und Mieter entsprechend ihrer Situation Mieten nicht zahlen mussten, dass Mieten gestundet, dass sie abgesenkt worden sind. Es gibt auch viele mittelständische Unternehmer, die das machen.

Wo wir ein Problem haben, ist bei den Fonds – das ist hier auch angesprochen worden –, weil die Fondsmanager keine Rechtsgrundlage haben und befürchten, dass sie selber in die Haftung gehen; sie sind in einer Treuhandfunktion. Deswegen ist es richtig, dass man den § 313 noch mal diskutiert und den Fondsmanagern sagt: Ihr müsst euch anders verhalten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist sogar im Interesse ihrer eigenen Geldanleger, dass zukünftig die vielen Betriebe, die sich bei ihnen einmieten, eben nicht insolvent gehen.

Das betrifft auch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Es wird jetzt so getan, als gebe es für diese Gruppe und auch für die Vermieterinnen und Vermieter keine Hilfen. Es gibt die Tilgungsaussetzung; die können sie bei den Banken beantragen. Ich habe viele Unternehmen bei mir im Wahlkreis, die das machen. Das ist auch sinnvoll; denn wir sparen damit öffentliches Geld. Wir haben nicht unendlich viel öffentliches Geld. Aber Tilgungsaussetzung ist etwas Vernünftiges; das kann man in Anspruch nehmen. Man muss es natürlich so hinkriegen, dass das Rating bei den Banken wieder angepasst wird. Aber es ist möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dieses einseitige Abladen beim Mittelstand, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, bei den Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihrem gesamten Vermögen haften, das ist einfach falsch,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

und das bringt unsere Innenstädte und unsere Dörfer in ganz schwierige Situationen.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagen Reinhold, FDP-Fraktion?

Ja, bitte.

Herr Präsident, danke, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. – Kollege Mindrup, ich verlängere jetzt mal ein bisschen Ihre Redezeit.

Danke.

Ich gebe Ihnen noch mal die Möglichkeit – Sie haben gerade Herrn Scholz und die Neuausrichtung der Förderungen gelobt –, mir vielleicht ein Problem zu erläutern, das ich bis jetzt als ungeklärt ansehe.

Wir reden jetzt viel über die Gewerbemieten, und das ist auch richtig und wichtig. Wir reden auch viel über die, die, sagen wir mal, schnell verderbliche Waren einkaufen und vielleicht auch einen schnellen Umsatz haben. Mich treibt aber eigentlich schon seit Anfang März um, dass es viele Einzelhändler und Gewerbetreibende gibt, die ihre Waren Anfang des Jahres ordern, die Saisonwaren für einen Zeitraum bis zum Ende des Jahres ordern, auf Millionen Euro Warenbestand sitzen bleiben und jetzt wieder betroffen sind.

Bei mir im Wahlkreis – ich komme aus einer touristisch geprägten Region – sind die Hotels geschlossen. Es sind natürlich auch gar keine Gäste da, die in irgendeinem Einzelhandelsgeschäft etwas kaufen können. Denen nützt der Umsatzausgleich herzlich wenig, und die stehen zurzeit ratlos da. Da sind auch nicht die Mieten das alles Entscheidende, sondern die vollen Lager mit Waren, die sie nicht loswerden. Dies ist eine völlig ungeklärte Frage, die bis jetzt mehrfach angesprochen wurde.

Sie haben gerade gelobt, dass sich da bei Olaf Scholz was ändert. Welche Antwort gebe ich denn den Unternehmen, die mich hilfesuchend anrufen und sagen: „Da muss was passieren!“? Was sage ich denen eigentlich?

(Beifall bei der FDP)

Werter Kollege, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Pandemie den Einzelhandel ganz stark trifft. Ich glaube, es ist wirklich notwendig, dass wir im Sinne des Zukunftsgipfels, der vom Kollegen Daldrup angesprochen worden ist, uns auch mit dem Handel zusammensetzen. Ich tue das in meinem Wahlkreis. Ich stehe in engem Austausch mit dem Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, um dort zu helfen. Wir kommen auch nicht daran vorbei, dort Zuschüsse zu zahlen; denn der Handel ist aus meiner Sicht vor allen Dingen dort, wo er sozusagen innenstadtprägend ist, auch systemrelevant. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben ein richtiges Thema adressiert. Wir sollten das vertiefen. Dafür haben wir ja auch die Ausschussdebatte.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt habe ich noch elf Sekunden. In diesen elf Sekunden möchte ich einfach damit enden, dass ich uns allen in dieser Pandemiezeit Gesundheit wünsche und gute Entscheidungen im Interesse der Menschen in diesem Lande.

Danke schön, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mindrup. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Emmi Zeulner, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7482032
Wahlperiode 19
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Gewerbemieten in der Corona-Krise
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