18.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 1

Alexander GaulandAfD - Corona-Maßnahmen (epidemische Lage)

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vertrauen ist eine der wichtigsten Ressourcen der Gesellschaft. Man kann es bekanntlich verspielen. Wenn Menschen einander nicht mehr vertrauen, endet der Wille zur Kooperation, und es entsteht Unfrieden. Wenn Teile der Bevölkerung der Regierung nicht vertrauen, bilden sich Risse im gesellschaftlichen Gefüge. Wenn die Regierung und regierungsnahe Medien

(Saskia Esken [SPD]: Regierungsnah? Wie meinen Sie das?)

diese Teile der Bevölkerung stigmatisieren und beschimpfen oder gar mit dem Verfassungsschutz bedrohen, statt mit ihnen zu reden, werden diese Risse tiefer, und das Misstrauen wird größer.

(Beifall bei der AfD)

Und, meine Damen und Herren, wenn Abgeordnete von der Polizei zu Boden geworfen werden, dann darf man fragen: Wo sind wir eigentlich angekommen in diesem Land?

(Beifall bei der AfD)

In einem Rechtsstaat wird das Grundvertrauen institutionell gesichert durch die Grundrechte, meine Damen und Herren. Heribert Prantl – bei Gott kein Freund der AfD –, der Chefkommentator der „Süddeutschen Zeitung“, hat dazu bemerkenswerte Worte geschrieben bzw. gesprochen – ich zitiere mit Zustimmung des Präsidenten –: Grundrechte heißen Grundrechte, weil sie die Grundlagen unseres Lebens bilden. Grundrechte sind gerade für die Notzeiten da. Wenn sie in Krisen und Notzeiten weggeschoben werden,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Werden sie ja nicht!)

dann sind sie nichts wert, dann kann man sie vergessen. – Heribert Prantl, nicht Alexander Gauland.

(Beifall bei der AfD)

Das Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung ist die größte Grundrechtseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik.

(Beifall bei der AfD)

Wenn wir den Gedankengang von Herrn Prantl fortsetzen, heißt das: Wir können die Grundrechte vergessen. Das Misstrauen, meine Damen und Herren, wird explodieren.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sie säen es!)

Das sehen Sie auf den Straßen, das sehen Sie in der Aggression, die Sie überall spüren,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich habe Sie da draußen gerade alle gesehen! Was für eine Heuchelei!)

und Sie sehen es in vielen Städten und heute auch vor dem Bundestag. Diese Menschen treten für ihre Grundrechte ein und müssen nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden!

(Beifall bei der AfD)

Viele Bürger haben existenzielle Sorgen und Fragen.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie doch keine Antwort drauf!)

Sie wollen nicht nur wissen, wie es mit ihren Geschäften, Lokalen oder Kulturstätten weitergehen soll,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denen können Sie doch keine Antwort geben! – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Was verstehen Sie von Kultur!)

sondern sie fürchten angesichts ausgesetzter Grundrechte um ihre Freiheit. Corona-App, Kontaktverfolgung, digitale Gesundheitskontrolle, indirekte Impfpflicht: Das sind ja alles Symptome einer nahenden smarten Gesundheitsdiktatur.

(Beifall bei der AfD)

Die Menschen fragen sich beispielsweise, ob sie Nachteile haben werden, wenn sie sich nicht impfen oder sich nicht registrieren lassen wollen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll denn „indirekte Impfpflicht“ bedeuten?)

Kommt man dann eines Tages nicht mehr ins Restaurant oder zum Sport oder ins Ausland? Wer so etwas fragt, den nennt man bekanntlich Verschwörungstheoretiker. Doch in China ist diese Art Totalüberwachung bereits Fakt, und wir wollen auf diesem Wege kein Stück mitgehen.

(Beifall bei der AfD)

Die „FAZ“, der man nicht zu nahe treten wird, wenn man sie „regierungsnah“ nennt,

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Na ja!)

twittert:

Die hohen #Corona-Zahlen in vielen westlichen Ländern werfen die beunruhigende Frage auf, ob offene Gesellschaften weniger geeignet sind, auf globale Bedrohungen zu reagieren als autoritäre Systeme.

Will dort jemand schon mit dem Zaunpfahl winken?

In einer Sachverständigenstellungnahme hat die Vertreterin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Ruhr-Universität Bochum vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages ausgeführt – Zitat –:

Der geplante § 28a IfSG genügt den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lässt keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen, sondern will offenbar einseitig das bisherige Vorgehen während der Corona-Epidemie legitimieren.

So die Sachverständige im Gesundheitsausschuss.

(Beifall bei der AfD)

„Keinerlei Abwägung“, so verhält es sich. Denn was ist es anderes als maßlos und unausgewogen, wenn die Unverletzlichkeit der Wohnung zur Disposition gestellt wird, wenn die Kanzlerin allen Ernstes erklärt, Kinder sollten nur noch einen Freund treffen dürfen?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Unglaublich! – Weiterer Zuruf von der AfD: Pfui!)

Haben wir denn die Pest im Lande, Frau Bundeskanzlerin?

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, was ist eine Pandemie von nationaler Tragweite? Wer das definiert, verfügt heute über den Ausnahmezustand. Anscheinend ist Herr Drosten der aktuelle deutsche Souverän, und die Argumente anderer Virologen und Epidemiologen, die sich gegen den Lockdown aussprechen, werden beiseitegewischt,

(Beifall bei der AfD)

etwa das Papier von Herrn Streeck und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das auch zahlreiche Ärzteverbände unterzeichnet haben. Die Unterzeichner fordern ein bundesweit einheitliches Ampelsystem, anhand dessen sich sowohl auf Bundes- als auch auf Kreisebene die aktuelle Lage auf einen Blick erkennen lässt. Sie setzen auf Gebote anstelle von Verboten, auf Eigenverantwortung anstelle von Bevormundung. Sie plädieren für die Förderung von Hygienekonzepten anstelle von Schließungen sowie für den Schutz von Risikogruppen durch spezielle Maßnahmen. Wir unterstützen solche vernünftigen Ideen, so wie wir uns den wirtschaftlich und zwischenmenschlich ruinösen Notstandsmaßnahmen widersetzen.

(Beifall bei der AfD)

Wir werden noch viele Monate mit dem Virus leben müssen, und die Bürger wissen das. Die meisten gehen verantwortungsvoll mit der Situation um, so wie die Wirte, die Bühnenkünstler, die Konzertveranstalter verantwortungsvoll mit der Lage umgingen: Sie haben sämtliche Besucher registriert, sie haben ihre Kapazitäten beschränkt, sie haben Hygienekonzepte entwickelt und dafür bei sinkenden Einnahmen Geld ausgegeben. Dass man sie trotzdem zusperrt, ist unerträglich, und das läuft auf Diktatur hinaus.

(Beifall bei der AfD)

Ich habe an dieser Stelle schon gesagt – und ich werde nicht müde, es zu wiederholen –: Der Souverän dieses Landes ist das deutsche Volk, repräsentiert durch dieses Parlament. Nur dieses Parlament kann Grundrechtseinschränkungen beschließen, und zwar nach Abwägung aller Argumente auf eine exakt begrenzte Zeit. Nicht mal das haben Sie festgelegt: eine exakt begrenzte Zeit.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, dass die Regierung die vom Volk gewählten Abgeordneten vor vollendete Tatsachen stellt, widerspricht dem Geist der Demokratie und dem Grundgesetz.

(Beifall bei der AfD)

Allein deswegen lehnen wir dieses Gesetz ab – und nicht, Herr Buschmann, weil wir dieses Parlament nicht wollen, weil wir die Demokratie nicht wollen, sondern weil wir offensichtlich in diesem Lande die einzige demokratische Fraktion sind.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Ich bedanke mich. Hoffentlich haben auch die anderen mal was gelernt!

(Anhaltender Beifall bei der AfD – Die Abgeordneten der AfD erheben sich – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die AfD gewandt: Was machen Sie erst, wenn eine richtig gute Rede gehalten wird? – Gegenruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD]: Sie hatten ja noch keine gute!)

Bärbel Bas, SPD, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der SPD)

Personen

Dokumente
Beschlussempfehlung und Bericht
Drucksache 19/24334
a) zu dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD - Drucksache 19/23944 - Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite b) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/22547 - Eindimensionale Beratung vermeiden, multiprofessionalen Sachverstand sicherstellen - Einberufung einer parlamentarisch bestätigten Epidemiekommission zur Erarbeitung klarer wissenschaftlich fundierter Kriterien bezüglich der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und deren Aufhebung c) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/22551(neu) - Erneute Forderung der Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite und Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle d) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gottfried Curio, Martin Hess, Dr. Bernd Baumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/23949 - Umgehung des Parlaments bei Corona-Maßnahmen beenden - Beschlüsse des Corona-Gipfels vom 28. Oktober 2020 rückgängig machen e) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/23950 - COVID-19 - Eigenverantwortung statt Verbote und Zwänge - Gesundheitlichen und wirtschaftlichen Kollaps verhindern, Kollateralschäden vermeiden f) zu dem Antrag der Abgeordneten Konstantin Kuhle, Christine Aschenberg-Dugnus, Stephan Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/23689 - Infektionsschutzmaßnahmen auf eine klare gesetzliche Grundlage stellen - Demokratie und Parlamentarismus stärken g) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Achim Kessler, Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/23942 - Demokratische Kontrolle auch in der Pandemie h) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Manuela Rottmann, Britta Haßelmann, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 19/23980 - Rechtsstaat und Demokratie in der Corona-Pandemie
von: Ausschuss für Gesundheit

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7484234
Wahlperiode 19
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Corona-Maßnahmen (epidemische Lage)
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