Johannes FechnerSPD - Corona-Maßnahmen (epidemische Lage)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Lage ist dramatisch. Die Infektionszahlen steigen deutlich. Und vor allem: Immer mehr Menschen erkranken schwer an Corona. In genau dieser dramatischen Lage müssen wir dafür sorgen, dass wir Corona effektiv bekämpfen. Dazu gehört, dass wir die Maßnahmen auf eine sichere Rechtsgrundlage stellen, dass wir die Bürgerrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen und dass wir starke Parlamente haben – nach wie vor, auch in der Coronakrise.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn jetzt ernsthaft behauptet wird, dass dieses Gesetz wie das Ermächtigungsgesetz der Nazis wirken würde, dann sage ich: Das ist vollkommen absurd.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Ermächtigungsgesetz der Nazis war der Auftakt für die Nazibarbarei, die Millionen Menschen in Deutschland und in Europa das Leben gekostet hat. Wir machen genau das Gegenteil: Wir schützen die Gesundheit, wir schützen das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD)
Insbesondere mit unseren Änderungen kann man das Gesetz guten Gewissens als Regierungsbegrenzungsgesetz bezeichnen; denn wir verringern die Befugnisse der Regierungen in Bund und Ländern.
Herr Kollege Fechner, ich habe zwei Wünsche für Zwischenfragen, einmal vom Kollegen Bystron und einmal vom Kollegen Dr. Schinnenburg. Gestatten Sie die Fragen?
Nein, die Debatte hat ein hohes Niveau; deswegen möchte ich jetzt keine Zwischenfragen von der AfD.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die Bundesregierung muss uns zukünftig über die aktuelle Lage berichten, und die Landesregierungen dürfen die Schutzmaßnahmen nur dann treffen, wenn wir als Parlament das Vorliegen einer epidemischen Lage beschlossen haben und wenn, wie wir das hier im Parlament vorgegeben haben, die Voraussetzungen, nämlich bestimmte Infektionszahlen, erfüllt sind. Wir haben als Parlament hier also klare Leitplanken für die Schutzmaßnahmen vorgegeben. Und wir haben eine doppelte Befristung für die Schutzmaßnahmen: Die Maßnahmen können von den Ländern nur so lange ergriffen werden, wie die epidemische Lage gilt, und die Länder müssen sie auf vier Wochen befristen – grundsätzlich – und müssen sie auch begründen. Auch das ist eine ganz wichtige Maßnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ganz entscheidend ist, dass wir auch in der Coronakrise die Grundrechte der Bürger wahren. Auch dem dient dieses Gesetz. Ja, zum Schutz der Bürger vor Corona sind Grundrechtseingriffe erforderlich, etwa durch Hygienekonzepte oder Abstandsmaßnahmen. Das fordern übrigens auch die Oppositionsanträge von Grünen und FDP. Aber genau deshalb befristen wir die Maßnahmen: weil das Legitimationsdruck schafft und so von den Landesregierungen immer wieder überprüft werden muss, ob eine Maßnahme noch notwendig ist, ob wir sie tatsächlich noch brauchen oder ob sie eben zu sehr in die Grundrechte der Bürger eingreift.
(Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Wir schaffen insbesondere für den grundrechtsrelevanten Bereich – für Versammlungen, für Gottesdienste, für Ausgangsbeschränkungen oder bei Besuchsverboten – deutlich höhere Hürden für die Eingriffe.
Herr Kollege Fechner, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie keine Zwischenfragen zulassen wollen?
Frau Rottmann hat so gut mitgearbeitet bei dem Gesetz. Sie darf was fragen.
Ach so, also jetzt doch. Gut, dann muss ich Sie in Zukunft wieder fragen, ob Sie Zwischenfragen zulassen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat von Qualität gesprochen!)
Frau Kollegin Rottmann, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, lieber Herr Fechner, dass Sie die Frage zulassen. – Ich habe gerade eine Nachricht erhalten von der Sachverständigen Andrea Kießling, die ja für die SPD viel gearbeitet hat, die wir benannt hatten als Sachverständige für die Anhörung des Gesundheitsausschusses. Frau Kießling hat mich gebeten, Herrn Gauland etwas auszurichten,
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
nämlich dass sie sich verbittet, von ihm hier irreführend zitiert zu werden,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
weil die Aussage, mit der sie hier zitiert worden ist, sich ausdrücklich auf den ursprünglichen Gesetzentwurf bezieht
(Uwe Witt [AfD]: Das ist keine Zwischenfrage!)
und nicht auf den Gesetzentwurf, der hier heute zur Debatte steht.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Hat der intellektuell nicht durchdrungen!)
Stimmen Sie mir zu, Herr Fechner, dass das ein ganz typischer Umgang der AfD mit Wahrheit und mit dem Verfassungsrecht ist?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Frau Kollegin Rottmann, ich stimme Ihnen voll und ganz zu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich will das als Gelegenheit nehmen, um noch mal ausdrücklich darauf zu verweisen, dass wir diesen Gesetzentwurf eng mit der Wissenschaft beraten haben, mit der von Ihnen genannten Sachverständigen, aber auch denjenigen, die in der Anhörung anwesend waren. Insbesondere zu den Änderungen hören wir durchaus auch Lob. Deswegen danke ich Ihnen für Ihre Zwischenfrage. Ich stimme Ihnen auch in der Beurteilung zu, dass es der AfD einmal mehr darauf ankommt, lieber die Menschen aufzuhetzen, anstatt hier Sacharbeit für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu machen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich komme zurück zu meiner Rede. – An vielen Stellen sichern wir die Grundrechte. Zum Beispiel haben wir ausdrücklich im Gesetz festgelegt, dass die Gesundheitsschutzmaßnahmen immer abgewogen werden müssen mit den sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Auch das ist eine ganz wichtige Maßnahme, um die Grundrechte bei uns auch in der Pandemie zu sichern.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen bei den hohen Infektionszahlen dringend Schutzmaßnahmen, aber es ist entscheidend, vor allem für die Akzeptanz und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Schutzmaßnahmen, dass dabei die Grundrechte auch in der Pandemie gesichert sind, dass wir starke Parlamente haben und dass wir rechtssichere Rechtsgrundlagen für diese Maßnahmen schaffen. Das machen wir mit diesem Gesetz. Stimmen wir ihm zu!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich erteile jetzt zu zwei Zwischenbemerkungen zunächst dem Kollegen Bystron, AfD, und dann dem Kollegen Dr. Schinnenburg, FDP, das Wort und bitte Sie, Herr Kollege Fechner, wenn Sie mögen, auf beide Zwischenbemerkungen zusammen zu antworten. Sie haben dafür gegebenenfalls die doppelte Redezeit. Es geht Ihnen also nichts verloren. – Herr Kollege Bystron, bitte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7484244 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Maßnahmen (epidemische Lage) |