Uli GrötschSPD - Ächtung von Gewalt, Extremismus und Terror
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau von Storch, Ihr letzter Satz war eine üble Drohung; so hat es sich zumindest angehört. Trotzdem wollen wir beim Thema bleiben.
Wir stimmen hier heute über einen gemeinsamen Antrag zum Einfluss türkischstämmiger Rechtsextremisten in Deutschland ab, besser bekannt – wir haben es eben schon gehört – als die Grauen Wölfe. Ich freue mich auch darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der FDP, dass Sie unseren Antrag mit unterstützen. Ich sage an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Wäre es nach uns gegangen, würden Sie auch mit auf diesem Antrag stehen.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Da müssen Sie sich mal aus der Gefangenschaft da befreien!)
Denn uns Demokraten eint alle der Kampf gegen Rechtsextremismus,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
egal aus welcher Ecke unserer Welt er kommt.
Deshalb wollen wir, dass der Bundesinnenminister prüft, ob die Ülkücü-Bewegung derart gegen das Prinzip der Völkerverständigung verstößt, derart unser friedliches Zusammenleben stört, derart antidemokratisch ist, dass ihr Einhalt geboten werden sollte. Darum geht es in diesem Antrag, um nicht mehr und nicht weniger.
(Beifall bei der SPD)
Allen Rechtsextremisten, egal woher sie kommen, ist eine völkische, nationalistische und rassistische Ideologie gemeinsam. Darin unterscheiden sich die türkischstämmigen Rechtsextremisten nicht von den deutschstämmigen Rechtsextremisten. Sie haben mit deutschen Rechtsextremisten außerdem gemeinsam, dass sie gern den Scheinwerfer von sich wegdrehen und Sündenböcke finden und bekämpfen. Das dürfte rechts außen, auch hier, bekannt sein.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die rege Agitation in sozialen Netzwerken. Auch türkische Rechtsextremisten sind im Netz aktiv und üben eine gewisse Anziehungskraft speziell auf junge türkischstämmige Menschen aus. Sie haben ein klares Freund-Feind-Schema und bieten vermeintlich einfache Antworten in einer zunehmend komplizierten Welt. Auch das kommt vielen von uns bekannt vor, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das machen deutsche Rechtsextremisten nämlich genauso: Sie mobilisieren, organisieren und verbreiten Fake News bzw. verfassungsfeindliche Inhalte. – Ich bin sehr erleichtert, dass auch Twitter inzwischen seiner Verantwortung gerecht wird und Fake News als solche markiert. Wir werden mit unserem Gesetz zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz – das sei an dieser Stelle gesagt – strafrechtlich gegen diese Hetzer vorgehen.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Kollege Dehm?
Ja, bitte.
Herr Kollege, ich stimme Ihrer Aufzählung von dem, was Faschisten auszeichnet, ausdrücklich zu. Ich will Sie nur fragen: Können Sie mir auch zustimmen, dass zu der Aufzählung „rassistisch, nationalistisch, völkisch“ auch „extrem antikommunistisch“ und „Feind der Gewerkschaften“ dazugehören? Wir waren kurz nach dem 1. Mai in der Türkei. Es waren die Grauen Wölfe und ihre Helfershelfer, die die Gewerkschaftsbüros am Tag der Arbeit völlig zerstört haben. Wir haben überall Blutflecken gesehen. Ich glaube, dass die tödliche Feindschaft des Faschismus gegenüber der organisierten Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung zu der Aufzählung dazugehört. Können Sie mir da zustimmen?
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Dehm. – Herr Grötsch.
Ich würde Ihnen, Herr Kollege Dehm, dahin gehend zustimmen, dass alles, was sich gegen die organisierte Arbeiterbewegung, egal wo auf der Welt, richtet, zutiefst verabscheuungswürdig ist. Dem stimme ich zu. Heute geht es aber nicht um extremen Antikommunismus, sondern um eine mögliche stärkere Beobachtung oder ein Verbot der Grauen Wölfe. Ich würde gern beim Thema bleiben und noch vertieft darauf eingehen.
Es ist nämlich trotz allem, was ich hier eben an verbindenden Elementen zwischen deutschen Rechten und türkischen Rechten aufgezählt habe, falsch, die Grauen Wölfe und deutsche Rechtsextremisten wie das NSU-Trio auf eine Stufe zu stellen; denn von den deutschen Rechtsextremisten geht eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Jüdinnen und Juden, von Migrantinnen und Migranten, von Politikerinnen und Politikern, de facto für alle Menschen in Deutschland aus. Deutsche Rechtsextremisten sind laut Verfassungsschutzbericht massivst gewalttätig und – ich habe das hier schon oft gesagt, und ich werde nicht müde werden, es immer wieder zu sagen – bis auf die Zähne bewaffnet. Auf das Todeskonto von deutschen Rechtsterroristen gehen mehr als 200 Morde seit der Wiedervereinigung. Nein, die Grauen Wölfe auf eine Stufe mit deutschen Rechtsextremisten zu stellen, bedeutet die Verharmlosung des rechten Terrors in Deutschland. Und das lassen wir nicht mit uns machen, und das ist nicht unsere Sicht der Dinge.
(Beifall bei der SPD)
Übrigens – auch das haben wir heute hier gesehen –: Auch wenn sich deutsche Rechtsextremisten unter besorgte Bürger auf den Querdenker-Demos mischen, auch wenn sie das Bevölkerungsschutzgesetz mit Hitlers Ermächtigungsgesetz vergleichen und damit relativieren, auch wenn sie scheinbar unverfängliche Reichsflaggen anstelle von Hakenkreuzfahnen hissen, auch wenn sie in Parlamenten sitzen, als wären sie einer demokratischen Partei angehörig: Sie bleiben Wölfe im Schafspelz, und die SPD bekämpft diese Wölfe wie doch wir alle, die wir an Freiheit und Demokratie glauben, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz egal, ob es braune oder graue Wölfe sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von den türkischen Rechtsextremisten wissen wir, dass sie in Deutschland nicht gewalttätig auffallen, im Gegenteil: Sie verhalten sich bewusst verfassungskonform
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Na ja!)
und suchen den Kontakt zu Politikerinnen und Politikern. Aber ihre Ideologie bleibt trotzdem menschenverachtend. Sie verstößt trotzdem gegen das Demokratieprinzip und das Prinzip der Völkerverständigung. Deshalb werden sie auch schon zu Recht vom Bundesamt für Verfassungsschutz genau überprüft.
(Beatrix von Storch [AfD]: Seit wann denn das?)
Gerade wir Deutschen mit unserem Geschichtsverständnis und unserer Staatsräson dürfen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus keinen Raum bieten, noch nicht einmal einen Millimeter.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dieser Verantwortung ist sich die SPD-Bundestagsfraktion mehr und länger als alle anderen Parteien in Deutschland bewusst. Wir wollen daher die Grauen Wölfe auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand stellen.
Aber was im Antrag noch wichtiger ist: Wir wollen eine Informationsreihe, eine Aufklärungskampagne starten, um die Ülkücü-Ideologie offenzulegen. Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich die türkischstämmigen Jugendlichen als Teil unseres Wertekanons in Deutschland und Europa sehen, als europäische Bürgerinnen und Bürger, und nicht einem ethnisch homogenen großtürkischen Reich nachträumen. Ja wo sind wir denn, liebe Kolleginnen und Kollegen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Deshalb appelliere ich an alle jungen türkeistämmigen Menschen, die dieser Debatte hier vielleicht folgen: Graue Wölfe sind nicht cool. Es ist nichts Patriotisches an ihnen. Sie sind nationalistische Spalter, die einen Keil zwischen uns treiben wollen. Ihr, die ihr diese Debatte vielleicht verfolgt, die zweite, dritte oder schon vierte Generation der damaligen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, ihr seid Teil dieser Gesellschaft, und wir sind stolz auf eure Leistungen und auf den Beitrag eurer Eltern und Großeltern zum deutschen Wohlstand.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und zum Ende noch: Mindestens jedes vierte Start-up in Deutschland wird von Migrantinnen und Migranten gegründet, Tendenz deutlich steigend. Wir sind stolz, dass diese Nachkommen einen deutschen Coronaimpfstoff auf den Markt bringen und die Mund-Nase-Bedeckungen bald obsolet werden lassen. Euer Platz ist genau hier, in der Mitte der Gesellschaft, und nicht bei der Ülkücü-Bewegung.
(Beatrix von Storch [AfD]: Jetzt sind die bestimmt überzeugt!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Vielen Dank, Kollege Grötsch. – Der nächste Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Benjamin Strasser.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7484305 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Ächtung von Gewalt, Extremismus und Terror |