19.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 192 / Zusatzpunkt 7

Volker Wissing - Gentechnikstandort Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade dunkle Zeiten brauchen Licht. In diesen dunklen Zeiten der Coronapandemie ist der vom Mainzer Biotechnologieunternehmen BioNTech entwickelte Impfstoff Licht, Hoffnung und Zuversicht. Seine Entwicklung zeigt eindrucksvoll die stetig wachsenden Möglichkeiten der Biotechnologie und hier ganz besonders auch der Gentechnik.

Für mich steht außer Frage, wir müssen in Deutschland die mannigfaltigen Möglichkeiten der Biotechnologie stärker in den Blick nehmen, und das gilt für Grüne, Rote und Weiße Gentechnik.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen dazu eine breite gesellschaftliche Diskussion, die nicht auf die Risiken verengt ist, sondern ganz klar auch die Chancen benennt. Jetzt, wo ganz aktuell sichtbar ist, welches Potenzial in der Gentechnik steckt, ist genau der richtige Zeitpunkt für eine breite öffentliche Debatte.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, neue Technologien sind eine Herausforderung, sie schüren Ängste, sie wecken aber auch Hoffnungen. Umso wichtiger ist es, dass wir zu guten Abwägungen kommen. Ein vorauseilendes Verbot ist genauso fahrlässig wie blinde Fortschrittsgläubigkeit. Besonders fatal ist es aber, wenn Forschung und Wissenschaft dem politischen Zeitgeist unterworfen werden. Politisch veranlasste Forschungsverbote sind fahrlässig. Wissenschaft und Forschung brauchen Kreativität, und Kreativität braucht Freiheit.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt auch für die Gentechnik. Spätestens der Erfolg von BioNTech sollte jedem gezeigt haben, welches Potenzial diese Technologie mit sich bringt. Corona ist weiß Gott leider nicht die einzige Herausforderung, vor der die Menschheit steht und noch stehen wird. Der Klimawandel, die demografischen Entwicklungen in vielen Ländern der Erde, der globale Artenschwund, das sind nur einige der großen Aufgaben, denen wir nicht nur als Land, sondern als Menschheit insgesamt gegenüberstehen.

Ob die Biotechnologie Beiträge zur Lösung leisten kann, vermag heute keiner sicher zu sagen. Weil wir das nicht wissen, wäre und ist es grob fahrlässig, weitere Forschung in diesem Bereich einzuschränken oder gar darauf zu verzichten.

(Beifall bei der FDP)

Ohne Frage: Auch diejenigen, die direkt an der Forschung und der Veränderung von Erbgut von Organismen arbeiten, tragen große Verantwortung. Aber gleichermaßen groß ist auch die Verantwortung derjenigen, die in Deutschland Gentechnikforschung erschweren wollen oder sie gar aus dem Land vertreiben wollen. Sie tragen nämlich Verantwortung für den Fall, dass wir vor neuen Problemen stehen und nicht rechtzeitig eine Lösung finden. In einer Welt mit zunehmenden Umweltproblemen, die sich auf immer neue Herausforderungen einstellen muss, wäre es grob fahrlässig, vorschnell Technologien abzutun. Das Verbot der Gentechnik – in Deutschland in Teilen schon vollzogen – mag dazu geführt haben, dass bei uns in diesem Bereich kaum noch geforscht wird. Den Rest an Forschung sollten wir allerdings nicht aus dem Land vertreiben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wer beim Klimaschutz eine wissenschaftsbasierte Debatte einfordert, der muss die wissenschaftsbasierte Debatte auch bei der Gentechnik akzeptieren.

(Beifall bei der FDP)

In diesem Hohen Haus wurden einmal ernsthaft ein Verbot der Digitalisierung des Fernsprechnetzes, ein Verbot der Glasfaserverkabelung und ein Verbot der Dienste- und Netzintegration im Fernsprechnetz, bekannt als ISDN, gefordert. Meine Damen und Herren, ich mache mich nicht lustig über die Skepsis derjenigen, die das damals beantragt haben. Gute Entscheidungen entstehen nur dort, wo abgewogen hinterfragt und auch diskutiert wird. Bei der Digitalisierung gibt es durchaus auch Gründe, Entwicklungen kritisch abzuwägen. Aber, meine Damen und Herren, die Haltung von Technologieverweigerern einzubeziehen, gehört zwar zu einem umfassenden Abwägungsprozess, sie ist auch nicht wirklich schädlich, solange sie nicht die Debatte dominiert. Wir haben heute moderne digitale Kommunikationsmöglichkeiten, weil die falsche Position damals nicht mehrheitlich durchgesetzt wurde. Wir haben heute einen Impfstoff gegen Covid-19 in Sicht, weil die Mehrheit für Gentechnik offen war, als BioNTech in Mainz gegründet wurde.

(Beifall bei der FDP)

Heute müssen wir dafür sorgen, dass Wissenschaft und Forschung in der Gentechnik ihre Freiheit behalten, sonst werden wir nicht das Land der Innovation und der Lösungen globaler Probleme bleiben. Deutschland ist eine Exportnation. Die gut bezahlten Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft sind das Fundament eines leistungsfähigen Sozialstaates. Das eigentliche Exportgut unseres Landes sind Innovationen. Mit Produkten und Technologien von gestern werden wir die Menschen weltweit nicht beeindrucken können. Deshalb sind für Deutschland eine freie Wissenschaft, eine freie Forschung noch wichtiger als für andere Länder. Weil wir nicht wissen, mit welchen Herausforderungen wir künftig konfrontiert sein werden, sollten wir uns nicht fahrlässig irgendwelcher Optionen berauben. Heute wissen wir: Das gilt insbesondere für die Gentechnik.

(Beifall bei der FDP)

Dass mit BioNTech ein deutsches Unternehmen als erstes einen Impfstoff in Aussicht stellt, darf uns freuen. Aber es darf uns nicht selbstzufrieden machen. Es darf uns stolz machen, weil hier in Deutschland hervorragende Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet wird. Für Selbstzufriedenheit gibt es aber keinen Grund. Denn BioNTech ist ein Ausnahmeunternehmen. Wir bräuchten mehr von diesen Ausnahmeunternehmen; denn die erfolgreichen Gründungen von heute sind der starke Mittelstand von morgen. Der starke Mittelstand von morgen ist wiederum die Grundlage für den Erhalt unseres Wohlstands.

Damit mehr Gründungen den Sprung von der guten Idee zum erfolgreichen Unternehmen schaffen, brauchen wir in Deutschland bessere Bedingungen für Wagniskapital. BioNTech wurde in seiner Gründungsphase durch das Land Rheinland-Pfalz gefördert, und die Umsetzung der Idee wäre nicht möglich gewesen, hätten wir nicht ein hervorragendes Netz an wissenschaftlichen Einrichtungen, mit denen eng kooperiert wurde und heute noch kooperiert wird.

Die Phase der Gründung ist in Deutschland relativ gut begleitet. Problematisch ist aber die Finanzierung der sich anschließenden Wachstumsphase. Hier gibt es in Deutschland erhebliche Defizite. Wir schaffen es zwar, aus guten Ideen Unternehmen entstehen zu lassen, aber es fällt uns schwer, diese Unternehmen groß werden zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

In Deutschland will immer noch kaum jemand Einzelinvestitionen von 50 Millionen Euro oder mehr wagen. Die Folge ist: Junge Unternehmen in der Gründungsphase werden zwar mit Steuergeldern unterstützt, kommen dann aber oft in ausländischen Besitz. Die Wertschöpfung beim Erfolg findet zu selten in Deutschland statt.

Deswegen darf man bei aller Begeisterung – auch über die Beteiligung des Staates – beim Erfolg von BioNTech nicht übersehen: Ohne privates Kapital würde es dieses Unternehmen heute in dieser Form wahrscheinlich nicht geben.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ohne staatliche Unterstützung auch nicht!)

Bei aller Begeisterung für den Erfolg dieses Unternehmens: Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass sich privates Kapital auch in anderen Bereichen so stark mobilisiert, wie es bei BioNTech der Fall war. Da haben wir große Aufgaben vor uns, insbesondere auch noch im deutschen Steuerrecht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Michael von Abercron das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7484710
Wahlperiode 19
Sitzung 192
Tagesordnungspunkt Gentechnikstandort Deutschland
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