Thomas HackerFDP - Bundesarchivgesetz/SED-Opferbeauftragter
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gerade einmal 20 Tagen haben wir hier im Deutschen Bundestag in erster Lesung über unseren interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesarchivgesetzes, des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und zur Einrichtung einer oder eines SED-Opferbeauftragten beraten. Die zurückliegenden Wochen haben uns gezeigt, dass aus einem gemeinsamen, ambitionierten Ziel nach langen Diskussionen und nach langer Vorbereitung ein gemeinsamer Entwurf entstanden ist, der überzeugt und der die richtigen Akzente für die Zukunft setzt.
Die Experten in der öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses bestätigten, dass die Überführung der Stasiunterlagen mehr als 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution keinen Schlussstrich zieht. Die Sichtbarkeit dieser einzigartigen Unterlagen bleibt erhalten. Sie werden dauerhaft gesichert und stehen für die Opfer und ihre Angehörigen, für die Aufarbeitung und Forschung zur Verfügung. Der Zugang zu den Unterlagen und die Möglichkeit der Einsichtnahme an den Außenstellen bleiben erhalten. Zusätzliche Zugänge zu den Unterlagen werden an allen Standorten des Bundesarchivs ermöglicht. Opfer der Staatssicherheit leben im 30. Jahr der deutschen Einheit in ganz Deutschland. Auch Menschen in Koblenz, Freiburg oder meiner Heimatstadt Bayreuth können dort jetzt Einsicht in die Akten nehmen. Durch die lange Diskussion des Gesetzentwurfs konnten viele Bedenken und Sorgen ausgeräumt werden.
Uns Freien Demokraten war und ist wichtig: Die Aufarbeitung von vier Jahrzehnten deutsch-deutscher Trennung, von vier Jahrzehnten kommunistischer Diktatur, von Verfolgung, Bespitzelung und staatlicher Repression ist nicht Vergangenheit und ist nicht erledigt. Um das eigene Erleben zu verarbeiten, brauchen die Opfer Wissen. Sie brauchen – oft schmerzhafte – Gewissheit, die sie in den Akten finden können. Und: Eine Gesellschaft, die stark sein will gegen populistische Verführer, braucht Forschung über totalitäre Systeme, sie braucht Bildungsarbeit, um die Geschichte, den Terror und die Schrecken auch der kommunistischen Diktatur auf deutschem Boden für die junge Generation zu erschließen.
Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen leistet seit ihrer Gründung einen hervorragenden Job. Lieber Herr Jahn, es ist gut, dass Sie heute hier im Hohen Hause anwesend sind. Ihnen, Ihren Vorgängern und Ihren Mitarbeitern unseren allerherzlichsten Dank für die geleistete Arbeit!
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Götz Frömming [AfD] und Simone Barrientos [DIE LINKE])
Auch beim Bundesarchiv, lieber Herr Hollmann, wird es große Herausforderungen im Umgang mit den Stasiunterlagen geben: ob bei der Lagerung, der Einsichtnahme, der Bearbeitungszeit, der Forschung, der Außendarstellung oder bei der offenen Frage, wie lange die Säcke voller Schnipsel noch warten müssen, bis sie voll erschlossen sind.
Nach den vergangenen 23 Tagen bin ich mir umso mehr sicher, dass die Überführung der Stasiunterlagen unter das Dach des Bundesarchivs der richtige Schritt für diese besonderen historischen Vermächtnisse ist, gerade auch bei der unverzichtbaren Überführung ins digitale Zeitalter.
Die Digitalisierung und die elektronische Akte können die Standorte entlasten, Einsichtnahmen vereinfachen und Bearbeitungszeiten verkürzen. Wir müssen aber sehr sensibel mit den Daten der Opfer umgehen. Opfer dürfen nicht ein zweites Mal zu Opfern werden, wenn ihr persönlicher Schmerz und ihr persönliches Leid zu vorschnell preisgegeben werden. Die Digitalisierung demokratisiert nicht nur unseren Zugang zur Vergangenheit, sie ermöglicht auch, das lokale Papierarchiv zu einem globalen Informationsspeicher zu machen. Aufarbeitung, Wissen, Forschung und Archivwesen werden von diesem Know-how-Transfer wesentlich profitieren. Profitieren werden auch die im Gesetzentwurf konkret benannten Standorte.
Nutzen wir die hier erreichte Klarheit, um die Weichen für die Neuausrichtung und Zukunftsfähigkeit der Standorte zu stellen. Suchen wir den frühzeitigen Dialog mit der Zivilgesellschaft vor Ort, um historische Orte als solche zu begreifen und diese für die Bildungsarbeit der Zukunft weiterzuentwickeln. Der neue Campus für Demokratie in Berlin und die Pläne für Leipzig, die Hauptstadt der Friedlichen Revolution, zeigen den richtigen Weg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns heute die dauerhafte Sicherung der Stasiunterlagen angehen, stellen wir den Opfern einen Opferbeauftragten an die Seite, und lassen Sie uns nie vergessen, welche Kraft die DDR letztendlich überwunden hat: die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Thomas Hacker. – Einen schönen – für „guten Morgen“ ist es schon zu spät – guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir! Einen guten Tag nach dem gestrigen Tag.
Ich möchte das, was Herr Hacker schon getan hat, ein bisschen erweitern; ich möchte nämlich die Gäste hier recht herzlich begrüßen:
Ich begrüße im Namen des Parlaments ganz herzlich Roland Jahn, den Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Ich begrüße recht herzlich Dr. Michael Hollmann, den Präsidenten des Bundesarchivs. Ich begrüße die Vizepräsidentin des Bundesarchivs, Dr. Andrea Hänger, sowie Frau Alexandra Titze, die Direktorin beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Ich begrüße Wolfram Sello, den Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und ich begrüße Herrn Niels Schwiderski, Leiter des Leitungsbüros. Ich begrüße Sie von Herzen! Sie sind uns sehr willkommene Gäste!
(Beifall)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Simone Barrientos.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7484730 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Bundesarchivgesetz/SED-Opferbeauftragter |