19.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 192 / Tagesordnungspunkt 15

Johannes VogelFDP - Digitale Rentenübersicht, Sozialversicherungswahlen

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das könnte hier auf den ersten Blick wie eine dröge Fachdebatte wirken, aber es könnte in Wahrheit auch das Wasser in der Wüste der Rentenpolitik dieser Koalition sein.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

Während Sie in der Rentenpolitik sonst immer, fast immer auf dem grundsätzlich falschen Weg sind, lieber Herr Arbeitsminister, gilt das für die digitale Renteninformation – so nenne ich sie; säulenübergreifende Renteninformation, so bezeichnen Sie sie – ausdrücklich nicht. Altersvorsorge ist mehr als gesetzliche Rente, und moderne Lebensläufe sind vielfältig. Menschen wechseln, nicht nur zwischen Arbeitgebern. Sie wechseln auch mal zwischen Anstellung und Selbstständigkeit, vielleicht ins Beamtentum, vielleicht auch wieder zurück.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Rein in den Bundestag, raus aus dem Bundestag!)

Hier Portabilität zu schaffen, wäre die ganz große politische Aufgabe. Aber Transparenz zu schaffen, ist zumindest ein großer Schritt in die richtige Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb finden wir es gut, dass Sie das angehen. Ehrlich gesagt, sind uns andere Länder hier einige Jahre voraus. Also, es wird Zeit, dass wir in Deutschland vorankommen.

Über die Hälfte der Deutschen können, nach repräsentativen Umfragen immer wieder bestätigt, nicht sagen, wie viel Geld sie im Alter einmal bekommen werden. Im Gegensatz zu Dänemark: Das Land hat seit vielen Jahren ein tolles digitales Vorsorgekonto, ganz einfach nutzbar mit einer App. Fünf Jahre nach Einführung hat über die Hälfte der Dänen dieses Angebot schon regelmäßig genutzt. Also, es lohnt, hier voranzukommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern Lob für dieses Vorhaben.

Aber man muss fairerweise auch sagen: In der Anhörung hat einer der Experten für dieses Thema das Ganze mit einem Puzzlespiel verglichen. Er hat gesagt: Einige Teile des Puzzles liegen auf dem Tisch, andere liegen unter dem Tisch. Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger einfach keinen Überblick. – Ich finde, das Bild ist sehr treffend. Um im Bild zu bleiben, muss man ehrlicherweise sagen: Das, was Sie machen, ist: Sie setzen die Puzzleteile auf dem Tisch zusammen, aber die Puzzleteile unter dem Tisch bleiben immer noch außerhalb Ihrer Sicht.

Um es mal konkret zu machen: keine Regelungen zu Versorgungswerken, zu Beamten, zu betrieblichen Pensionszusagen, gar keine zu Banken-, Aktien- und Fondssparplänen. Ausgerechnet die Aktienwelt lassen Sie komplett außen vor.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Macht Dänemark auch nicht!)

Ja, selbst die VBL, die Zusatzversorgung der Angestellten des Bundes und der Länder, ist nicht komplett Teil dieses Gesetzgebungsvorhabens. Sie stellen eben nicht sicher, dass alle Bürgerinnen und Bürger – so haben es uns die Dänen erfolgreich vorgemacht – in einer solchen Übersicht auch wirklich einen Überblick über ihre gesamte Altersvorsorge bekommen. Das wäre eine digitale Rentenübersicht, die den Namen auch verdient. Das brauchen wir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Also, Sie sind auf dem richtigen Weg. Aber Sie springen ein wenig zu kurz, und das gilt leider auch für den zweiten Teil dieses Gesetzgebungsvorhabens, die Sozialwahlen, zu denen ich zum Abschluss auch ganz kurz noch etwas sagen will. Die Sozialwahlen – das sage ich für die Bürgerinnen und Bürger, die möglicherweise gerade zuschauen oder sich das nachher anschauen – sind die Wahlen zur Selbstverwaltung der gesetzlichen Rentenversicherung, der Krankenversicherung, also ihrer sozialen Sicherungssysteme. Die sind seit vielen Jahren reformbedürftig. Gut, dass Sie das angehen.

Nur: Das krasseste Reformbedürfnis bei diesen Sozialwahlen ist doch ganz eindeutig das Thema der sogenannten Friedenswahlen. Was heißt denn Friedenswahlen? Das ist eigentlich ein Oxymoron. Das heißt nämlich, dass gar keine Wahl stattfindet, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ist auch heute bei Sozialwahlen noch möglich. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wahl ohne Auswahl. Das ist ungefähr wie Weihnachten ohne Weihnachtsmann.

Das ist wie Rede ohne Redezeit.

(Heiterkeit)

Das funktioniert nicht. Es wäre notwendig, dieses Thema anzugehen, wenn Sie die Sozialwahlen reformieren. Hier springen Sie leider auch zu kurz. – In diesem Sinne: Für dieses Gesetz gibt es von uns eine Enthaltung.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, lieber Johannes Vogel. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Matthias W. Birkwald.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7484811
Wahlperiode 19
Sitzung 192
Tagesordnungspunkt Digitale Rentenübersicht, Sozialversicherungswahlen
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