Norbert MüllerDIE LINKE - Ganztagesbetreuungsfinanzierung für Kinder
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Kind von der Kita in die Grundschule wechselt, dann gibt es zumindest bei mir in Brandenburg ein großes Einschulungsfest. Dann ist für viele Kinder auch gegeben, dass das Kind in der Grundschule in der ersten, zweiten, dritten oder auch vierten Klasse eine Nachmittagsbetreuung im Hort hat. Aber das ist nicht überall in Deutschland Realität. Deswegen tragen wir den Grundsatz, einen Rechtsanspruch für eine Ganztagsbetreuung im Grundschulalter gesetzlich zu regeln, mit. Das finden wir als Linke gut, und das haben wir politisch immer gefordert, weil wir es auch für eine Frage der Bildungsgerechtigkeit halten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fanden es auch richtig, dass die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag geregelt hat, dass die Einführung des Rechtsanspruchs bis 2025 im Sozialgesetzbuch VIII, also im Kinder- und Jugendhilferecht, verankert sein soll. Aber Sie legen bis heute gar keinen Gesetzentwurf für einen Rechtsanspruch vor. Statt wieder schöne Reden vom Kollegen Beermann und der Kollegin Völlers zu hören, was der Ganztag alles können müsste, hätten wir erwartet, dass Sie erstens vorlegen: Wie ist Ihr Vorschlag? Wie soll der Rechtsanspruch konkret gesetzlich verankert werden?
Zweitens müssten Sie einen Vorschlag unterbreiten: Wie kommen wir zu ausreichenden Fachkräften? Wir wissen, dass im Moment allein im Kitabereich – da arbeiten genau dieselben Fachkräfte, die wir im Ganztag bräuchten – über 300 000 Plätze fehlen. Kitaplätze fehlen nicht nur, weil die Gebäude fehlen. Sie fehlen zum großen Teil, weil bereits im Kitabereich die Fachkräfte fehlen.
Drittens. Ich hätte erwartet, dass Sie vorlegen, wie wir Qualität gesetzlich verankern. Wir haben doch die Erfahrungen aus dem Kitaausbau, wo wir über Jahre gesehen haben, dass der Ausbau zwar quantitativ mehr oder weniger eine Erfolgsgeschichte ist, aber dass in der Kita nicht überall gute Qualität gegeben ist, weil man dies nicht bereits beim Rechtsanspruch mit geregelt hat. Das hätten wir jetzt tun müssen. Ich erwarte eigentlich, dass Sie dafür endlich Konzepte vorlegen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viertens. Sie müssen eine auskömmliche und ausreichende Finanzierung vorlegen. Das müsste eigentlich selbstverständlich sein, auch nach den Erfahrungen mit dem Kitaausbau. Statt der 7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro Investitionskosten, die auf Länder und Kommunen für den Ausbau im Ganztag zukommen, bringen Sie 3,5 Milliarden Euro auf. Das ist besser als die 2 Milliarden Euro im Koalitionsvertrag, aber es ist nur die Hälfte.
Sie treffen gar keine Aussage zu den Betriebskosten, die sich auf ungefähr 4 Milliarden Euro im Jahr belaufen. Das müssen am Ende Länder und Kommunen schultern. Da sagen die: Das ist Ihre originäre Aufgabe. – Wissen Sie, was passiert, wenn die Kommunen und Länder das tun sollen? Die streichen dafür in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe, und zwar bei den sogenannten freiwilligen Leistungen. Was dann stirbt, sind die Kinder- und Jugendbibliothek vor Ort und der Jugendklub. Sie werden geschlossen, um den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz zu erfüllen. Richtig wäre gewesen, Sie würden sich auskömmlich an der Finanzierung der Betriebskosten beteiligen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Den Gesetzentwurf für das Sondervermögen haben Sie im Februar auf den Weg gebracht. Das ist jetzt neun Monate her. In Wahrheit ist das Jahr 2025 – darauf hat Kollege Seestern-Pauly hingewiesen – gar nicht mehr zu schaffen. In Wahrheit haben Sie selber in Ihrer Bund-Länder-AG, die Sie eingerichtet haben, bereits festgehalten, dass der Rechtsanspruch ab 2025 – wenn er überhaupt noch in dieser Wahlperiode kommt – nicht im Grundschulbereich für alle Kinder gilt, sondern maximal noch für die ersten Klassen. Das passiert hier.
Ich hätte in dieser Debatte erwartet, dass Sie so ehrlich sind und sagen: Wir schaffen es nicht; wir kommen mit den Ländern nicht hin. Die Finanzierung ist nicht auskömmlich geklärt. Deswegen werden wir das Jahr 2025 nicht halten, aber wir bemühen uns. – Das wäre ein ehrlicher Schritt gewesen, anstatt hier so eine Feierstunde abzuhalten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen sagen wir als Linke: Schaffen Sie guten Ganztag! Das ist Ihr Job. Legen Sie Vorschläge für die Fachkräfteoffensive, Qualitätssicherung und auskömmliche Finanzierung vor! Dann sind wir an Ihrer Seite. So können wir uns nur enthalten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Abgeordnete Ekin Deligöz hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7485206 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Ganztagesbetreuungsfinanzierung für Kinder |