Alexander MüllerFDP - Bundeswehr
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 32 Jahren wollte ich nach dem Abitur Informatik studieren. Die jungen Damen aus meinem Abiturjahrgang durften sofort an die Uni, und ich wurde für 15 Monate einkaserniert.
(Zuruf von der SPD: Och!)
Die antragstellende AfD will diese Ungerechtigkeit wieder einführen. Sie geriert sich immer als Beschützerin der Grundrechte, als die Bewahrerin der Freiheit. Heute zeigt sie ihr wahres Gesicht. Sie wollen den jungen Leuten ein Jahr Zwangsdienst aufbrummen.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: So ist es!)
Sie wollen den jungen Leuten wieder ein Jahr ihres Lebens rauben. Das ist Ihre Vision von Freiheit? – Na, vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Jan Ralf Nolte [AfD]: Für Sie ist es Zeitverschwendung, was die Soldaten machen!)
Die Bundeswehr hat heute hochtechnisierte Waffensysteme, deren Handhabung man nicht mal eben im Schnelldurchgang erlernen kann. Unsere Parlamentsarmee ist eine Armee von Profis. Das sind Experten auf ihrem Gebiet, die anständig bezahlt werden und die auch entsprechend motiviert ihre Arbeit machen.
Was für eine Verschwendung ist es, Leute wie mich ein Jahr einzusperren! Als IT-Experte zahle ich Unmengen an Steuern und Sozialabgaben, als Rekrut muss mich der Staat durchfüttern, hat von mir aber überhaupt keinen militärischen Mehrwert. Die Wehrpflicht macht volkswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn. Lassen wir doch den jungen Menschen in Deutschland die Freiheit, sich ihren Beruf selbst auszusuchen, ihren Traumberuf zu erlernen und auszuüben. Das ist gesamtwirtschaftlich viel besser als die Wehrpflicht.
(Beifall bei der FDP)
Als 1956 die Wehrpflicht kam, war Frauen noch jeglicher Dienst an der Waffe verboten. Deswegen war die Wehrpflicht nur für Männer damals noch widerspruchsfrei. Heute dürfen Frauen jeden Job bei der Bundeswehr machen, und das ist auch richtig so, weil Frauen alles können, was Männer auch können.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Aber das hat natürlich auch Konsequenzen. Es wäre Rosinenpickerei, wenn man, so wie Sie das wollen, eine Wehrpflicht nur für Männer einführt. Das heißt, Frauen dürfen alles, und Männer werden gezwungen. Wie wollen Sie das in Karlsruhe durchkriegen? Das Verfassungsgericht wird Ihnen das rechts und links um die Ohren hauen. Wenn Sie einen Zwangsdienst einführen wollen, dann muss er geschlechtergerecht sein, dann muss er für alle gelten.
(Beifall bei der FDP)
Wir sind bei einer Stärke von 800 000 Jugendlichen im Jahr, die die Schulen in Deutschland verlassen. Bei ungefähr 180 000 Bundeswehrsoldaten insgesamt, die sich dann um die Ausbildung kümmern müssten, wünsche ich fröhliche Verrichtung. Wir haben auch noch nicht über die fehlenden Unterkünfte, über fehlende Uniformen und über persönliche Ausrüstung gesprochen. Das alles muss noch geklärt werden. Das weiß die AfD. Deswegen hat die AfD einen Plan und will nur 30 000 im Jahr zum Wehrdienst heranziehen. Na, da bin ich ja mal gespannt, wie das verfassungsgemäß funktionieren soll. Das heißt, Sie wollen jeden 27. zwingen, Wehrdienst zu machen, aus jeder Klasse einen rausnehmen. Wie wollen Sie das denn gerecht hinbekommen?
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])
Vor allen Dingen: Was wollen Sie denn mit den anderen 26 aus dieser Klasse machen? Wollen Sie die als Pflegekräfte, als Billigarbeiter in die Krankenhäuser schicken – 770 000 Jugendliche im Jahr? So viele Krankenhäuser haben wir in Deutschland gar nicht. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
(Beifall bei der FDP)
Die Befürworter der Wehrpflicht argumentieren immer, dass der Wehrdienst eine erzieherische Komponente hätte, also den jungen Männern Disziplin und Ordnung beibringen soll.
Kollege Müller, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Lucassen?
Ja.
Danke schön, Herr Kollege Müller. – Erstens. Sie sprachen eben das Problem an, das in Karlsruhe durchzubekommen, wenn unser Antrag umgesetzt werden würde. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass gemäß Artikel 12a Absatz 1 Grundgesetz und Artikel 116 Grundgesetz alle Männer wehrpflichtig sind und dass diese Pflicht nur durch die Aussetzung der §§ 3 bis 53 Wehrpflichtgesetz ausgesetzt worden ist; sie müssten also nur aktiviert werden. Karlsruhe ist hier gar nicht gefragt.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Natürlich! Da kann doch jeder klagen! So ein Quatsch!)
Zweitens. Wenn Sie schon so ein monströses Zahlenspiel bezüglich der 30 000 Wehrpflichtigen anstellen, dann lesen Sie bitte unseren Antrag. In dem steht: mindestens 30 000 Wehrpflichtige. Damit wollen wir der demografischen Entwicklung entsprechend reagieren können.
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wo ist denn Ihre Frage?)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Lieber Kollege Lucassen, es geht um Artikel 12a Grundgesetz;
(Rüdiger Lucassen [AfD]: Das ist korrekt!)
ich habe es eben erklärt.
Herr Abgeordneter Lucassen, Sie müssten bitte stehen bleiben.
Die Wehrpflicht ist im Jahr 1956 eingeführt worden. Ich habe es erklärt: Damals war Frauen der Dienst an der Waffe verboten. Das ist heute anders. Jede Frau kann jeden Job in der Bundeswehr machen,
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Gut so!)
wenn sie die Qualifikation erbringt und die Tests besteht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Jeder Frau steht das offen. Der erste Mann, den Sie zwingen wollen, wieder Wehrdienst zu machen, wird in Karlsruhe klagen, und er wird das durchbekommen; denn es kann nicht sein, dass Frauen dürfen und Männer gezwungen werden. Insofern bin ich sehr optimistisch: Das wird nicht kommen. Wenn man heute eine Wehrpflicht will, dann muss die für beide Geschlechter gelten.
(Beifall bei der FDP)
Wir wollen, dass sich junge Menschen ihren Job selbst aussuchen dürfen und alle Freiheiten haben, ihr Berufsleben selbst zu gestalten – ohne Zwangsjahr. Wir wollen eine professionelle Bundeswehr mit Spezialisten, die ihre Technik aus dem Effeff beherrschen und die wie Profis bezahlt werden.
Wer hier im Saal Verteidiger der Freiheit ist und wer es nicht ist, wird sich gleich bei der Abstimmung zeigen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Karl-Heinz Brunner hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7485311 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehr |