20.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 27

Jürgen PohlAfD - Minijobs in Sozialversicherungspflicht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer an den TV-Geräten! Die wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Bundesregierung haben längst den Arbeitsmarkt erreicht und eine Beschäftigungskrise ausgelöst. In der Lockdown-Krise sind Hunderttausende Minijobs weggebrochen. Am härtesten hat es die Arbeitnehmer wohl im Gastgewerbe getroffen, doch auch in den anderen Branchen sind viele Minijobs weggefallen, wie die Arbeitsmarktstatistik zeigt. Die Zahlen sprechen hier eine klare Sprache.

„Minijobs“: Das ist eigentlich ein ziemlich misslungener und herabwürdigender Begriff für menschliche Arbeit. Diese Minijobs sind in jeder Hinsicht prekär, das heißt eine unsichere Beschäftigungsform. Diese Arbeitnehmer sind die Ersten, die in einer Krise fallengelassen werden. Darunter leiden jetzt Hunderttausende Arbeitnehmer, denen persönlich keine Schuld zuzurechnen ist.

(Beifall bei der AfD)

Die Auswirkungen sind fatal. Minijobber erwerben keinen Anspruch auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld. Diese Diskriminierung trifft gerade viele geringfügig Beschäftigte hart.

Menschen, die sich etwas durch Minijobs hinzuverdienen, sind zumeist auf dieses Geld angewiesen. Folglich müssen sie in der Krise doppelt um ihr Auskommen kämpfen: einerseits durch das geringere Einkommen aufgrund Kurzarbeit bei ihrem Hauptarbeitgeber, andererseits durch den Wegfall des Hinzuverdienstes in Höhe von 450 Euro. Herr Minister, ich rege dringend an: Zur Überwindung der Benachteiligung von geringfügig Beschäftigten sollte eine Anpassung der Sonderregelung im SGB III erfolgen, sodass auch den Minijobbern ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld gewährt wird.

(Beifall bei der AfD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ohne Beiträge?)

Die Prekarisierung menschlicher Arbeit ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Regierung Merkel, aber sie gehört zu einer ehrlichen Bilanz einer endlich endenden Kanzlerschaft.

(Beifall bei der AfD – Torbjörn Kartes [CDU/CSU]: Oh!)

Schauen wir zurück in die vorangegangenen Kanzlerschaften des Genossen Gerhard Schröder. Es war politisch total verkorkst, was dort in der Sozialpolitik organisiert und erlassen worden ist; denn dass wir heute bei den Minijobregeln herumdoktern, hat seine eigentliche Ursache in den unsäglichen Regelungen der Agenda 2010 von vor über 15 Jahren.

(Beifall bei der AfD)

Den unsozialen Sozialdemokraten unter Kanzler Schröder haben wir dieses Elend zu verdanken.

Die damals politisch gewollte brutale Deregulierung des Arbeitsmarktes plus Hartz IV führte zu einem dramatischen Anstieg der atypischen und der prekären Beschäftigung, zu einer massiven Ausweitung von Leiharbeit – meistens zu Hungerlöhnen – und zu einer Ausweitung von Teilzeit-, Mini- und befristeten Jobs. Das führte – und das ist das Entscheidende – zu einer Senkung des Realeinkommens. Da liegt der Kern des Problems.

(Beifall bei der AfD)

Mit ehrlicher Arbeit kann sich heute keiner mehr Wohlstand für sich und seine Kinder erarbeiten. Eine weltweit einmalige Abgabenlast frisst jeden Verdienst gnadenlos weg. Arbeit schützt nicht mehr vor Armut. Das ist das, was diese Regierungen verbrochen haben.

(Beifall bei der AfD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt gerade die AfD!)

Ich sage Ihnen: Die Bürger draußen im Land spüren das. Die Arbeitnehmer in unserem Land spüren das täglich, und sie verlieren immer mehr das Vertrauen in diese Regierung. Wenn ich die Reaktion hier im Hohen Haus sehe, dann kann es auch nicht mehr so weit her sein mit dem Vertrauen in die Vertreter dieser Parteien.

Fakt ist: Die soziale Sicherheit sank unter dem Kanzler Schröder und der Kanzlerin Merkel, und das belegen die Armuts- und Reichtumsberichte. Das können Sie einfach nachlesen. Die Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern verschärfte sich – und dies sogar europaweit. Das Wort „Lohndumping“ kann diese Misere und den sozialen Abstieg von Millionen Arbeitnehmern und ihren Familien kaum zum Ausdruck bringen.

Sehr geehrte Kollegen, kommen wir zu den Anträgen selbst. Sie sind alle plakativ und sämtlich aus der Abteilung „Propaganda der jeweiligen Partei“.

Es liest sich wie das Who’s Who der Forderungen im Sozialen betreffend die Arbeitszeit, betreffend die Minijobs. Wir haben wider die ökonomische Vernunft Vorschläge vorliegen, mit der vollen Sozialversicherungspflicht geringfügiger Beschäftigung ab dem ersten Euro zu beginnen. Viele Minijobs würden für den Arbeitgeber finanziell unattraktiv. Sie würden abgeschafft, und mit diesem Ergebnis wäre niemandem gedient. Das wissen Sie, und trotzdem stellen Sie den Antrag.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sieht der DGB völlig anders, nämlich so wie wir! Das ist die Vertretung der Beschäftigten! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Arbeit da ist, dann müssen auch Beschäftigte eingestellt werden!)

Die Festschreibung einer Mindestwochenarbeitszeit in Höhe von 22 Stunden ist viel zu unflexibel. Sie erzeugt höhere Lohnkosten, und die Umsetzung würde dazu führen, dass wir eine Entlassungs- und eine Pleitewelle haben.

Das Modell der FDP würde zu einer Ausweitung des Heeres der unsicher Beschäftigten führen. Sie wollen noch mehr Veränderungen in diesem Bereich. Das würde dazu führen, dass wir noch mehr prekär Beschäftigte haben.

Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns liegt, wie Sie wissen, aus guten Gründen im Verantwortungsbereich der Mindestlohnkommission und soll ganz bewusst nicht einem politischen Überbietungswettbewerb anheimfallen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immer noch nicht verstanden! Einmal und dann wieder Kommission!)

Werte Kollegen, in den Jahren, in denen die Sozialdemokraten, Christdemokraten, Grünen und Liberalen nun regieren, ging die soziale Schere immer weiter auseinander. Der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt. Darum sollten Politik und Staat die aktuelle Krise auch als Chance begreifen, eine Wiedergeburt der sozialen Marktwirtschaft einzuleiten.

(Beifall bei der AfD)

Die AfD als Partei der Arbeitnehmer und des kleinen Mittelstandes

(Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

fordert eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, in der das sozialversicherungspflichtige Normalarbeitsverhältnis mit anständigen Tariflöhnen, also Wohlstandslöhnen, wieder der Regelfall wird. – Lachen Sie jetzt immer noch? Warum lachen Sie, wenn wir diese Forderung erheben?

(Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Aber nur für Deutsche!)

Gemeint sind Löhne, mit denen man in seinem Arbeitsleben wieder ein Haus bauen, eine Familie gründen und eine Familie unterhalten kann.

Und jetzt lachen Sie bitte weiter, damit Ihre Wähler sehen, was Sie für ein soziales Gewissen haben!

Danke schön.

(Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was Sie da machen, ist eine Contradictio in adiecto!)

Danke schön. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Gabriele Hiller-Ohm.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7485342
Wahlperiode 19
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Minijobs in Sozialversicherungspflicht
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