25.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 194 / Zusatzpunkt 1

Pascal KoberFDP - Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie bestimmt unseren Alltag; es war die Rede von Einkommensverlusten. Das ist bitter für sehr, sehr viele Menschen, und deshalb ist die allererste Frage, die wir uns stellen müssen – bei aller Vorsicht, bei aller Umsicht und bei aller Behutsamkeit im Umgang mit der Coronapandemie –, ob die beschlossenen Maßnahmen, die Restriktionen, wirklich in allen Bereichen zielführend und verhältnismäßig sind.

Wir glauben, dass Bereiche der Kultur, der Gastronomie, der Hotellerie, der Freizeiteinrichtungen und Fitnessstudios bei Vorliegen von behördlich genehmigten Hygienekonzepten vielleicht doch offen bleiben könnten. Es wäre wichtig, diesen differenzierteren Ansatz zu wählen. Das würde auch vielen Menschen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir spannen Rettungsschirme in gigantischen Größenordnungen mit Milliardenbeträgen, die vor kurzer Zeit noch völlig undenkbar gewesen wären. Wir alle wissen, dass Kurzarbeit und Finanztransfers, die im Moment richtig sind, zwar jetzt dabei helfen, die Pandemiekrise zu überstehen; aber wir wissen auch, dass das keine Lösung für die Zukunft und insofern keine langfristige Lösung sein kann.

Deshalb müssen wir schon jetzt den Blick in die Zukunft werfen. Die Zukunft kann nur derjenige gestalten, der die Vergangenheit versteht. In der Vergangenheit haben wir Versäumnisse angehäuft, die sich jetzt bitter rächen. Wenn wir über gute Löhne und über mehr Netto in den Taschen der Menschen reden, gehört dazu zum Beispiel, dass wir uns endlich mal das Steuersystem vornehmen.

Es kann nicht sein, dass über den Mittelstandsbauch beispielsweise Lohnerhöhungen, die die Tarifpartner aushandeln, vom Staat am Ende wieder weggenommen werden und gar nicht in den Taschen der Menschen landen. Deshalb müssen wir den sogenannten zweiten Tarifeckwert nach rechts verschieben, damit wir die mittleren und die kleinen Einkommen künftig stärker entlasten.

(Beifall bei der FDP – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Was haben die mittleren und kleinen Einkommen denn davon?)

Wir müssen dafür sorgen, dass der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird. Wir müssen aufpassen, dass wir die Sozialversicherungsbeiträge nicht durch falsche rentenpolitische Entscheidungen in die Höhe schnellen lassen. Wir brauchen maßvolle Sozialversicherungsbeiträge; wir sagen, sie müssen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei unter 40 Prozent bleiben. Das ist ganz entscheidend, damit unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig in die Zukunft blicken kann und die Arbeitsplätze hier in Deutschland erhalten werden können.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir über die geringsten Einkommen reden, dann werden wir auch über die Aufstocker reden müssen. Dann muss auch endlich klar sein, dass wir bei den sogenannten Zuverdienstgrenzen nachbessern müssen. Es kann nicht sein, dass wir den Menschen nach wie vor 80 Cent von jedem verdienten Euro wegnehmen. Hier müssen wir eine Anpassung vornehmen; das würde den Menschen auch mehr Netto in der Tasche belassen. Das ist eine längst überfällige Entscheidung.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen alle, dass unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem vor vier großen Herausforderungen stehen. Das ist zunächst die Coronapandemie; es geht aber auch um die Globalisierung und die Digitalisierung, und es geht darum, unsere Wirtschaft in die Klimaneutralität zu führen. Deshalb brauchen wir schon jetzt die richtigen Impulse für die Arbeitsplätze in der Zukunft.

Dafür müssen in Deutschland die Unternehmensgründungen erleichtert werden. Seit dem Jahr 2001 ist die Gründungsquote um 63 Prozent gesunken. Das darf nicht sein. Gründen ist in Deutschland zu schwierig, und das müssen wir ändern. Die Beantragung eines eigenen Unternehmens muss innerhalb von 24 Stunden möglich sein. Wir brauchen ein bürokratiefreies erstes Jahr für Gründer, und wir brauchen neue Finanzierungsmöglichkeiten für Gründerinnen und Gründer, damit Kapital zur Verfügung steht, um neue Ideen zu entwickeln und auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zukunft gewinnt, wer das beste Bildungssystem der Welt aufgestellt hat. Deshalb müssen wir auch einen Blick auf unser Bildungssystem werfen. Da fangen wir auch mal wieder bei den Schwächsten an. Es ist für mich nach wie vor ein Skandal, dass Sie sich als Regierungskoalition verweigern, die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets auf ein erforderliches Maß anzuheben. Wir müssen den Menschen im Hartz-IV-Bezug für ihre Kinder mehr Geld für Bildung und Teilhabe geben. Und da verweigern Sie sich, da knausern Sie um jeden Euro. Das ist ein Skandal; das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Bei der Digitalisierung der Schulen hinkt Deutschland hinterher. Sie haben es nicht geschafft, dass vom Bund zur Verfügung gestellte Mittel auch tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern, sozusagen an der Basis unseres Bildungssystems, ankommen. Sie haben es nicht geschafft, dass die Mittel abgerufen werden können, und das kann in der Zukunft nicht so bleiben. Wir brauchen schnellere Entscheidungen, aber wir brauchen vor allen Dingen schnellere Umsetzungen, wenn wir die Zukunft erreichen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist viel zu tun. Packen wir es an! Aber richten wir den Blick in die Zukunft, und suchen wir nach besseren Lösungen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kober. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7485968
Wahlperiode 19
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit
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