25.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 194 / Zusatzpunkt 1

Daniela KolbeSPD - Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wirklich Frustrierende an Tagesordnungspunkten der Linken ist, dass man dabei als Sozialdemokratin nach solchen Beiträgen der AfD sprechen muss.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür können wir aber nichts, Daniela! – Uwe Witt [AfD]: Das sind die entscheidenden Argumente hier!)

Also schnell zurück zum wirklich spannenden Thema. Denn auch wenn wir im Vergleich bisher recht gut durch diese Krise gekommen sind, stimmt es: Natürlich hat Corona massive verteilungspolitische Auswirkungen; denn die Krise trifft die Menschen extrem unterschiedlich. Gerade Menschen mit wenig Einkommen sind durch Zusatzkosten und zum Teil auch durch im ersten Lockdown gestiegene Preise besonders betroffen, während Menschen mit höheren Einkommen

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die Senkung der Mehrwertsteuer!)

– die Senkung der Mehrwertsteuer kam ja danach – zum Teil eine erhöhte Sparquote haben, weil sie schlicht weniger Gelegenheit haben, ihr Geld so auszugeben, wie sie es gerne wollen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist doch coronaunabhängig!)

Gerade erwerbstätige Menschen mit niedrigen Einkommen sind von dieser Krise betroffen. Prekär Beschäftigte, Geringqualifizierte machen sich gerade am meisten Sorgen um ihren Job. Auch viele Migrantinnen und Migranten sind schon von Arbeitslosigkeit betroffen.

(Martin Reichardt [AfD]: Das ist wohl Ihr Hauptproblem!)

Die Zahl der arbeitslosen Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft ist um 30 Prozent gestiegen.

Die Geringverdienenden können auch häufig nicht einfach ins Homeoffice gehen wie viele Akademikerinnen und Akademiker. Die Topverdiener sind nicht diejenigen, die in der Pflege, im ÖPNV, im Einzelhandel und in der Nahrungsmittelindustrie, Stichwort „Fleisch“, einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt sind, damit wir alle halbwegs gut leben können. Da ärgert es mich als Sozialdemokratin schon, dass gerade in den Boombranchen, wo jetzt richtig Geld verdient wird, im Einzelhandel und in der Paketzustellung, die Löhne nicht steigen, wie wir heute aus der Presse erfahren.

(Beifall bei der SPD – Uwe Witt [AfD]: Gehen Sie mal in die Innenstädte und sehen Sie, wie viele Geschäfte da geschlossen haben!)

– Bezogen ist diese Presseberichterstattung, wenn Sie nachlesen wollen, auf den Einzelhandel im Lebensmittelbereich.

(Zuruf von der LINKEN: Und die Albrechts und Schwarzens werden immer reicher!)

Auch da sind die Löhne im Vergleich zum letzten Jahr gesunken und nicht gestiegen, wie es diese Menschen verdient hätten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch Minijobber sind besonders betroffen; denn für sie gibt es kein Kurzarbeitergeld. Gerade Studierende sitzen gerade zu Hause und haben Sorgen, also richtig existenzielle Sorgen.

(Martin Reichardt [AfD]: Das ist nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich traurig!)

Und auch wenn wir natürlich ein sehr gutes Kurzarbeitergeld haben, nehmen wir zur Kenntnis, dass gerade für Menschen mit niedrigen Löhnen der Verdienstausfall besonders gravierend ist, auch weil er seltener ausgeglichen wird, weil es eben seltener Tarifverträge gibt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Könntet ihr ändern!)

Menschen mit geringen Einkommen sind natürlich auch besonders darauf angewiesen, dass unser Sozialstaat funktioniert, etwa das Gesundheitswesen, aber auch die Kinderbetreuung, auch die Beratung in den Behörden. Es ist wichtig für diese Menschen, dass die Sozialleistungen beantragt werden können und auch verlässlich fließen, dass der Sprachkurs stattfindet.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gibt es deswegen gerade drei dicke Punkte auf der To-do-Liste: Erstens. Wir wollen die Menschen jetzt unterstützen. Zweitens. Wir wollen den Sozialstaat am Laufen halten und ihn dafür fitmachen, in der Krise zu wirken; das heißt, wir bauen ihn gerade aus. Drittens. Wir wollen die Kosten dieser Krise vernünftig verteilen.

Alles das tun wir,

(Beifall bei der SPD)

auch wenn wir es in einem Spannungsfeld tun; denn viele Menschen in diesem Land vertrauen der Politik gar nicht mehr.

(Zuruf von der AfD: Ja, warum wohl?)

Das ist insofern interessant, als wir wirklich recht gut durch diese Krise kommen. Gleichzeitig – oft sind es die gleichen Personen – gibt es quasi eine Heilserwartung an die Politik, so als könnten wir mit dem Finger schnippen, und dann ist die Krise vorbei, so als könnten wir einen Zauberspruch aufsagen, und dann kommen wir durch die Krise, ohne dass es irgendjemand merken würde. Nein, das können wir nicht. Aber das, was wir tun können, tun wir: mit den Novemberhilfen und wahrscheinlich den Dezemberhilfen, mit dem Familienbonus, mit einem Konjunkturpaket, das darauf abgestellt ist, gerade Menschen mit kleineren Einkommen zu unterstützen, mit einem verbesserten Kurzarbeitergeld, für das wir einen zweistelligen Milliardenbetrag einsetzen, mit einem sehr einfachen Zugang in die Grundsicherung. Das alles tun wir. Wir tun alles, was wir können, und wir tun alles, worauf wir uns mit der Union einigen können, um den Menschen wirklich ganz konkret zu helfen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])

Wir kämpfen für eine stärkere Tarifbindung und einen höheren Mindestlohn. Mit dem SodEG, mit einer Stärkung der Pflegeversicherung, mit einem geschärften Blick auf die Krankenversicherung und mit einer sehr guten Lösung für die Bundesagentur für Arbeit stützen wir den Sozialstaat.

Und wir setzen die Frage der Finanzierung auf die Tagesordnung. Klar ist es richtig, dass wir diese Ausgaben jetzt über Schulden finanzieren; das sagen sogar die konservativsten Ökonomen. Bei den Zinsen ist das logisch. Aber wir sagen auch: Langfristig darf das nicht auf Kosten der niedrigen und mittleren Einkommen gehen, indem der Sozialstaat abgebaut würde oder indem beispielsweise die Beiträge sinken. Nein, die starken Schultern müssen die Kosten dieser Krise massiv mittragen.

(Beifall bei der SPD)

Das alles gelingt nicht mit einem Fingerschnippen, aber mit harter Arbeit und manchmal auch mit einem Um-den-Finger-Wickeln des Koalitionspartners.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7485972
Wahlperiode 19
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit
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