Dagmar SchmidtSPD - Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Linkspartei
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Linke! Die Linkspartei gibt es seit 2007 nicht mehr!)
für die Gelegenheit, über die Gerechtigkeitsfragen in der Pandemie zu reden. Ich möchte einige besonders herausheben.
Eine stellt sich gerade – es wurde angesprochen – für verschiedene Branchen, die besonders betroffen sind und die sich oft fragen: Warum wir und nicht die anderen, wo wir uns doch so bemüht haben? – Es führt kein Weg daran vorbei, Kontakte zu verringern; aber genauso muss klar sein, dass wir solidarisch Hilfe für diejenigen leisten, die besonders hart betroffen sind. Deswegen ist unser erstes Ziel, Brücken zu bauen – Brücken für die Wirtschaft und damit vor allem für den Erhalt von Arbeitsplätzen.
(Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Dazu gehören die direkten Zuschüsse für Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen genauso wie der erleichterte Zugang zu Krediten
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])
und – als Erfolgsinstrument – die Verlängerung und der Ausbau des Kurzarbeitergeldes. Wir werden nicht jeden Arbeitsplatz retten; aber wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Wir haben gezeigt, dass das bisher auch schon sehr erfolgreich war.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])
Wer Kurzarbeitergeld bekommt, erhält deswegen kein niedrigeres Arbeitslosengeld, falls er doch arbeitslos wird, und kein niedrigeres Elterngeld, wenn er oder sie Vater oder Mutter wird. Das haben wir genauso geregelt wie einen längeren Bezug von Arbeitslosengeld und einen erleichterten Zugang zur Grundsicherung. All das soll helfen, Brücken über die Pandemie zu bauen, bis alles wieder öffnen kann und die Wirtschaft wieder volle Fahrt aufnimmt.
Damit das passiert, stellen wir auch die Weichen neu. Die Pandemie hat die Transformation unserer Wirtschaft beschleunigt, und wir müssen als starker und handlungsfähiger Staat Sicherheit und Perspektive in diesem Wandel geben. Der Markt allein wird es nicht regeln, und deswegen ist es richtig, dass wir in Elektromobilität, in Wasserstofftechnologie investieren und die Kerne unserer Industrie – Automobil, Maschinenbau, Stahl und vieles andere mehr – im Wandel unterstützen:
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
mit Investitionen und mit Qualifikation. Ich erwarte jetzt aber auch von den Unternehmen, dass sie sich selber auf den Weg machen, investieren, qualifizieren und Perspektiven entwickeln. Ohne das eigene Engagement wird es nicht gehen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
Eine nächste Gerechtigkeitsfrage stellt sich besonders für junge Menschen. Wir haben nach der Erfahrung im Frühjahr den Schwerpunkt auf Kitas und Schulen gelegt. Wir haben gesehen, dass vor allem Kinder aus armen Familien, aus Familien mit Migrationsgeschichte es besonders schwer hatten, und das darf so nicht noch einmal passieren.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen mussten und müssen wir in einer Situation der Pandemie, in der wir sind, Bühnen und Gaststätten schließen. Aber wir helfen mit November- und jetzt auch Dezemberhilfen, damit wir die Schulen und Kitas offen lassen können. Das ist aktuell der wichtigste Beitrag gegen zunehmende Ungleichheit.
Wirklich entscheidend für die Frage zu- oder abnehmender Ungleichheit wird aber sein, was wir nach der Pandemie für Kinder und Jugendliche machen. Sie halten sich ganz überwiegend an die Regeln, tragen selbstverständlich eine Maske ohne Murren, während, ich sage mal, so manch älterer Mann mit heraushängender Nase einkaufen geht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen einen Nachteilsausgleich für die jungen Generationen, für Familien. Der Kinderbonus war ein erster wichtiger Punkt, aber es wird Zeit für eine Kindergrundsicherung mit erstens einer guten sozialen und Bildungsinfrastruktur und zweitens einer Geldleistung, die echte Teilhabe ermöglicht. Das ist die stärkste Zukunftsinvestition, die wir leisten können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])
Es stellt sich nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage, sondern eine fundamentale Frage nach körperlicher Unversehrtheit, Gesundheitsversorgung für Menschen mit besonderen Risiken: für alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und Menschen mit Behinderungen, die Angst haben vor den Folgen des Virus, Angst, nicht mehr versorgt zu werden, Angst, zu vereinsamen. Daran zeigt sich am Ende der Charakter einer Gesellschaft: ob wir bereit sind, die Schwächsten zu schützen, ohne sie zu isolieren, und ob wir dafür bereit sind, uns an die Regeln zu halten.
(Beifall des Abg. Dr. Matthias Miersch [SPD])
Die Pandemie hat die Menschen unterschiedlich hart getroffen. Mit genug Einkommen und Sicherheit auf dem Land ist die Situation eine andere als alleinerziehend mit zwei Kindern in der Stadt. Ob ich sicher verbeamtet bin oder soloselbstständig in der Veranstaltungsbranche, ob Künstlerin oder Krankenschwester, alle Leben beeinflusst es, aber sehr unterschiedlich in Stärke und Art. Deswegen wird viel darauf ankommen, was wir als Gesellschaft aus dieser Krise mitnehmen, für was wir uns danach entscheiden: nach der Krise erst mal Sozialabbau, den Gürtel enger schnallen bei denjenigen, die es besonders schwer hatten oder sich als systemrelevant erwiesen haben, die eigentlich alle unseren besonderen Respekt verdienen, oder für einen starken und handlungsfähigen Staat, der Sicherheit gibt, Arbeit schafft, gute Löhne zahlt und in die Zukunft investiert, wobei diejenigen mehr dazu beitragen, die gut durch die Krise gekommen sind, die hohen Einkommen – auch wir –, und die vielen Unternehmen, die jetzt die Solidarität der Gemeinschaft erfahren, danach, wenn es wieder läuft, auch wieder etwas zurückgeben. Die Entscheidung fällt nächsten Herbst, wahrscheinlich am 26. September. Gehen Sie wählen!
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7485977 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit |